„Ich kann es mir leider noch nicht leisten“ so der junge Verkäufer bei unserer Abholung des neuen iPhone X im Apple Store München. Will man aber über aktuelle Apple-Technologien berichten, bleibt einem aber seit dem 3. November eigentlich keine andere Wahl: Ist das iPhone X doch seit dem iPhone 6 das erste komplett neue Apple-Smartphone und bietet eine Fülle neuer Technologien.
Kauft man das neue iPhone X, hat man zumindest einen Trost gegenüber dem ersten iPhone, das vor zehn Jahren erschien: Man ist nicht mehr an einen Zweijahresvertrag der Telekom gebunden, die damals stolze 49 Euro pro Monat verlangte – inklusive 399 Euro Zuzahlung kostete uns schon das Ur-Modell damals 1575 Euro. Da hat das neue iPhone X deutlich mehr zu bieten, war doch die Kamera des Ur-iPhones eine üble Knipse und die Idee, einen kompletten Spielfilm auf dem Winzbildschirm zu sehen, erschien absurd.
Der erste Eindruck des neuen iPhone nach dem Auspacken ist sehr positiv.
Das Design:
Über die so genannte „Notch“ des iPhone wurde eigentlich schon zu viel geschrieben. Die für die Front-Sensorenleiste nötige „Einbuchtung“ sei eine Design-Sünde und Steve Jobs hätte so etwa niemals akzeptiert, meckern Kritiker. Nach Meinung des Autors ist das neue iPhone X aber das eleganteste und hochwertigste iPhone, das man aktuell kaufen kann. Optisch gefällt uns das schwarze Modell etwas besser, aber auch das silberne Modell ist sehr elegant. Im Unterschied zum silbernen Modell ist der schützende Rahmen aus „Chirurgenstahl“ mit einer schicken schwarzen Schicht versehen, die sehr edel wirkt. Optisch passt es gut zum Mac Pro und dem kommenden iMac Pro – könnte man ja das parallel zum iPhone 8 angebotene iPhone X auch als iPhone Pro bezeichnen. Ganz sicher ist das iPhone X aber ein Smartphone, das man gerne ohne Hülle benutzen würde. Wozu wir aber zu feige sind – ist es doch nicht nur wertvoll, sondern auch glatt.
Seit Einführung des iPhone 6 hatte Apple kein komplett neues Design vorgestellt, so dass die letzten Modelle doch etwas altmodisch erschienen. Auf den ersten Blick erkennt man dagegen das neue Modell als das iPhone X. Nicht jeder kann sich das ab 1149 Euro teure Modell leisten und vielen ist allein das schon ein Kaufgrund.
Schade: Die Packung ist schlicht und gleicht der aller anderen iPhones. Auch der Inhalt überrascht nicht: Die beiliegenden Lightning-Ohrhörer, die uns nicht passen, lassen wir vorerst unausgepackt, ebenfalls das kompakte, aber schwache Netzteil. Ein Adapter Lightning-auf-Audio liegt bei, das ist aber schon seit dem iPhone 7 so.
Tipp: Der kleine Stift für das Öffnen des SIM-Fachs versteckt sich in den Unterlagen.
Face ID
Es gibt schon dutzende Berichte und mehr oder weniger witzige Youtube-Videos, wie man das neue Anmeldesystem Face ID „überlisten“ kann: Ist der angeklebte Bart zu groß oder die Sonnenbrille verspiegelt, kommt der Infrarotsensor von Face ID ins Trudeln. In der Praxis hat sich die Technologie aber als zuverlässig und robust erwiesen. Es dauert nur knapp eine Minute, damit das Gesicht vom Kamerasystem „eingelesen“ wird, dann ist das Gesicht gespeichert und wird laufend aktualisiert. Man muss sich aber erst an die neue Technologie gewöhnen: In unserem Test war der Autor anfangs überrascht, dass Face ID ständig versagte – und zwar immer dann, wenn er seine Brille abgenommen hatte. Grund dafür war aber nicht das Fehlen der Brille, sondern die Kurzsichtigkeit des Autors, weswegen er das Gerät zu nah ans Gesicht hielt. Ist nämlich das iPhone nur zehn Zentimeter vom Gesicht entfernt, funktioniert die Gesichtserkennung nicht. Etwas Abstand ist also notwendig, dann sind auch Schals, Mützen und Kapuzen kein Problem.
Sinnvoll ist die Aktivierung von „Beim Anheben aktivieren“, eine Option unter „Anzeige & Helligkeit“. Durch das Anheben wird dann nämlich auch Face ID aktiv und man kann mit einer Wisch-Bewegung nach oben das Gerät entsperren. Man hat dann sofort seine Apps vor sich.
Neben Animoji gibt es für die Gesichtserkennung bisher eher wenig Anwendungen, sieht man vom bekannten Snapchat einmal ab. Sobald sich das iPhone X aber in den Händen von Entwicklern befindet, wird es wohl auch bald interessante Apps geben. Das plötzlich bei Twitter kursierende „Animoji Karaoke“ ist da wohl ein erster Vorgeschmack.
Kein Home Button mehr
Der fehlende Home Button erfordert neue Gesten (siehe den Ratgeber oben), so ruft ein Streichen nach oben den Homescreen auf. Das Kontrollzentrum ruft man dagegen mit einer Streichbewegung am rechten oberen Bildschirmrand hervor. Das sind intuitive Gesten, die man nach kurzer Zeit automatisch nutzt. Lästig: Bald nutzt man die neuen Gesten auch an anderen Geräten wie iPad und anderen iPhones.
Mit zwei Gesten konnten wir uns allerdings noch nicht so recht anfreunden: Will man die App-Übersicht aufrufen, streicht man mit dem Finger von unten zur Bildschirmmitte und hält ihn dort längere Zeit. Vor allem die leichte Verzögerung dabei ist lästig. Für die Einhandbedienung kann man außerdem den Bildschirm „halbieren“. Aktiviert wird dies durch eine Streichbewegung nach unten am Bildschirmrand – vor allem bei einhändiger Bedienung ist dies aber nicht ganz einfach.
Das Display
Größte Stärke des iPhone X ist das neue 5,8-Zoll-Display, ein von Samsung produziertes OLED-Panel mit der hohen Auflösung von 2436×1125 (458 ppi). Im Unterschied zu den bisher verwendeten IPS-Panels bieten OLED-Displays extrem hohe Kontrastwerte und haben weitere technische Vorteile. Was etwa bei Filmen auffällt: Schwarz ist wirklich schwarz und man erkennt in dunklen Bereichen eines vertrauten Films plötzlich ganz neue Details. HDR-Videos werden unterstützt, wodurch vor allem viele aktuelle Actionfilme einen hervorragenden Eindruck machen. Bei Filmen sind außerdem schwarze Ränder kaum wahrnehmbar, nebenbei bleibt dadurch die Notch unauffällig.
Wie schon bei früheren iPhones hat sich Apple für eine sehr naturgetreue Farbdarstellung entschieden, bei vielen Android-Handys mit OLED-Displays sind die Farben deutlich „knalliger“. Dank großem Farbraum wirken Fotos aber sehr naturgetreu und brillant, auch Hauttöne wirken lebensecht. Weitere Anpassungsmöglichkeiten liefern Night Shift und True Tone, auf Wunsch kann man über die Bedienhilfen auch den Weißpunkt etwas ändern.
Vorteile und Nachteile hat das Seitenformat von 18:9: Das iPhone X nutzt ein neues Seitenformat, das vor allem oben und unten mehr Platz bietet. Das hat bei den meisten Anwendungen Vorteile, so kann man einen größeren Teil von Webseiten aufrufen und überfliegen, auch Spielfilme im Breitbildformat sehen toll aus.
Nachteile hat das schmale Format bei Dokumenten oder Grafiken die noch in einem herkömmlichen älteren Format wie DIN-A4 vorliegen, etwa wenn man die PDF-Version einer Zeitschrift oder eines Excel-Dokument nutzen will. Man kann zwar in das in eine Seite hineinzoomen, ein Ersatz für ein iPad ist das iPhone X aber nicht. In diesen Fällen hat dann unter Umständen das iPhone 8 Plus mehr nutzbare Bildschirmfläche. Dazu kommt noch, dass manche Apps die zusätzliche Bildschirmfläche nicht sinnvoll nutzen können.
Spiegelungen sind übrigens kaum zu sehen, auch das bei OLED-Displays typische PWM (Pulsweitenmodulation) scheint nicht auffällig. Enttäuschend finden wir eine deutliche Farbänderung bei seitlichem Einblickwinkel: Blickt man schräg von der Seite auf eine weiße Fläche wie ein leeres Blatt oder die Google-Webseite, wird eine deutlich Farbänderung in Richtung Blau sichtbar. Das ist aber in der Praxis ohne Belang. Nach unserem Eindruck kann man den Effekt abschwächen, indem man die Option True-Tone deaktiviert.
3D-Touch wird ebenfalls weiterhin unterstützt, Unterschiede zu anderen iPhones stellten wir hier nicht fest.
Auch unsere Kollegen der PC-Welt haben das neue iPhone getestet. Das Video können Sie hier sehen: