Das Thema Internet of Things (IoT) ist aktuell in aller Munde - bei Anwenderunternehmen, sowie noch viel stärker bei den Herstellern, die hier das große Geschäft wittern. Auf der Suche nach den künftigen Wachstumspotenzialen in dem Bereich kam die Boston Consulting Group zu drei Grunderkenntnissen:
Es gibt nicht so etwas wie das "Internet der Dinge, es kommt vielmehr stark auf das Anwendungsszenario an.
Während die Unternehmen bis 2020 in Summe wohl zusätzliche 250 Milliarden Dollar in IoT investieren, sind es drei Industrien, die für die Hälfte der Ausgaben stehen.
Auch wenn alle Ebenen im IoT-Technologie-Stack bis 2020 wachsen, sind sie nicht gleich attraktiv.
Wachstumsmöglichkeiten im IoT-Umfeld
Aus Sicht von BCG werden zwar alle Technologiebereiche von IoT zwischen 2015 und 2020 um durchschnittlich mindestens 20 Prozent jährlich wachsen, bestimmte Bereiche weisen jedoch ein größeres Wachstumspotenzial als andere auf.
Laut BCG liegt der wahre Wert von IoT aus der Anwenderperspektive in den oberen zwei Schichten des Technologie-Stacks, also bei den Services sowie bei IoT-Analyse und -Anwendungen. Das Beratungshaus schätzt, dass diese beiden Schichten bis 2020 gut 60 Prozent des Wachstums im IoT-Markt für sich beanspruchen. Die restlichen Schichten - Identität und Security, das IoT-Backbone (Cloud und Plattformen), Communications und die vernetzten Dinge - sind dagegen eher Enabler mit einem geringeren Wachstumspotenzial.
Es kommt auf die Anwendungsfälle an
Angesichts der enormen prognostizierten Summen für IoT darf man nicht vergessen, dass die Unternehmen nicht wahllos investieren. Sie müssen wissen, welche IoT-Anwendungen das größte Potenzial zur Lösung ihrer konkreten Herausforderungen im Business haben. Ihre Fragestellung dabei: Wie kann IoT dazu beitragen, die Kundenzufriedenheit zu steigern, die Qualität zu verbessern, neue - datengesteuerte - Geschäftsmodelle zu unterstützen und die Kosten zu senken?
Aus Sicht von BCG gibt es dabei nur einige Anwendungsfälle, die IoT-Adoption und -Wachstum vorantreiben und dies auch bis 2020 fortsetzen. Die BCG hat aus der langen Liste von IoT-Anwendungsmöglichkeiten die zehn vielversprechendsten herausgesucht. Diese sind aus Sicht der Auguren in der Lage, schnell zu reifen und bis 2020 eine weite Verbreitung im B2B-Umfeld zu erleben.
Hersteller, die kurzfristig einen signifikanten Marktanteil erzielen, sollten ihre IoT-Produktangebote auf die richtigen Anwendungsfälle konzentrieren, empfehlen die Berater. Daneben eignen sich die Ergebnisse aber auch als Orientierungshilfe für Anwenderunternehmen, um zu erfahren was im Markt wirklich nachgefragt wird und wohin die IoT-Reise geht.
1. Predictive Maintenance
Fallen Maschinen aus oder weisen Störungen auf, verlieren Unternehmen unweigerlich wertvolle Zeit und Geld. Gleiches gilt, wenn sich Unternehmen an feste Wartungspläne halten, selbst wenn keine Wartung erforderlich ist. Mit Hilfe von IoT kann vorhergesagt oder erkannt werden, wann eine Machine gewartet werden muss. Dies reduziert die Ausfallzeit, erweitert Wartungszyklen und senkt die Kosten. Interessant (u.a.) für die Versorgungsindustrie, Diskrete Fertigung, Transport- und Logistikunternehmen oder die Gesundheitsbranche.
2. Selbstoptimierende Produktion
Vernetzte Fabriken und Fertigungshallen können IoT nutzen, um Produktionsprozesse in Echtzeit zu überwachen und zu optimieren. Diese automatisierten Anpassungen tragen dazu bei, die Qualität zu verbessern, die Effizienz zu steigern und Abfall zu vermeiden. Ideal vor allem für Diskrete Fertigung und Prozessindustrien.
3. Automatisches Bestands-Management
IoT verhilft Unternehmen zu einem besseren Einblick in den Lagerbestand und die Supply Chain. Die Fähigkeit, Produkte über die gesamte Lieferkette hinweg zu überwachen, ermöglicht es Unternehmen, die Prozess- und Reaktionszeiten zu erhöhen, Lagerausfälle und Lagerbestände zu reduzieren und just-in-time-Produktionsprozesse zu verbessern.
4. Fernüberwachung von Patienten
Ärzte können mit IoT den Zustand ihrer Patienten remote und in Echtzeit verfolgen. Dies hilft, die gesundheitliche Entwicklung zu verbessern und die Kosten für die Behandlung zu senken, Patienten leben gesünder und erholen sich schneller.
5. Smart Metering
Mit Hilfe von Sensoren können Versorgungsunternehmen den Verbrauch von z.B. Strom, Gas und Wasser remote in Echtzeit messen. Die Verbraucher sind in der Lage ihre Nutzung zu überwachen und profitieren von Echtzeit-Abrechnungsdaten und einer dynamischen Preisgestaltung.
6. Track & Trace
IoT-Sensoren eignen sich hervorragend zur Steigerung der Anlageneffizienz. Sie können zum Beispiel die Transparenz in der Auftragsabwicklung verbessern und Informationen bereitstellen, um die Zeit für den Umbau einer Arbeitsstation zu reduzieren. Im Montagebereich kann man Sensoren einsetzen, um den Status von Produkten zu identifizieren und Werkzeuge, Komponenten und Materialien zu lokalisieren.
7. Verteilte Energieerzeugung und -speicherung
IoT kann verwendet werden, um Angebot und Nachfrage über mehrere Energiequellen hinweg zu automatisieren und zu optimieren. Dadurch können Unternehmen den Energieverbrauch im Netz senken und die Energiekosten senken.
8. Connected Cars
Mithilfe von neuen Sensor-Typen, drahtloser Konnektivität und Onboard-Steuereinheiten werden Autos zunehmend vernetzt. Das Resultat sind eine verbessere Navigation, erweiterte Sicherheits-Features und verschiedene Komfortmöglichkeiten, was etwa Musik und Unterhaltung angeht. Einige Funktionen von Connected Cars werden nur langsam umgesetzt - in den nächsten fünf bis zehn Jahren.
9. Flotten-Management
Zusätzlich zum Tracking von Lagerbestand und Sendungen wird IoT dazu verwendet, um Fahrzeuge in Echtzeit zu verfolgen. Mit besseren Informationen über den Standort, Nutzung und Zustand der gesamten Fahrzeugflotte können Unternehmen Wartungs- und Reparaturkosten senken und Fahrzeuge dynamisch umleiten, um Staus und Verzögerungen zu vermeiden. BCG schätzt, dass Unternehmen diese Möglichkeiten schnell nutzen werden - innerhalb der nächsten ein oder zwei Jahre.
10. Demand Response Management
IoT beginnt die Art und Weise zu verändern, wie Endverbraucher mit der Stromversorgung interagieren. So können sie bestimmte Geräte wie Waschmaschinen, Klimaanlagen oder ähnliche energieintensive Maschine remote steuern (lassen), um auf Preisschwankungen zu reagieren.
Ein Blick auf die Industrien
Obwohl die Digitalisierung bei Technologieunternehmen bereits weit fortgeschritten ist, gilt das Gleiche laut BCG nicht für andere, eher konventionelle Branchen, beispielsweise Industriegüter- und Logistikindustrie. So sei IoT sicher eine wichtige Wachstumsquelle für Technologiefirmen, für weniger technologielastige Unternehmen könne es jedoch das komplette Business umkrempeln.
Um festzustellen, wo das größte Wachstum in den nächsten Jahren herkommt, hat die Beratungsfirma daher die oben aufgeführten Anwendungsszenarien den infrage kommenden Industrien zugeordnet. Das Ergebnis: Für rund die Hälfte des erwarteten Wachstums bei den Ausgaben in Iot sind gerade einmal drei Industrien verantwortlich - Diskrete Fertigung, die Transport und Logistikbranche sowie die Versorgungsbranche.
Dabei stellen einige Anwendungsfälle wie Predictive Maintenance zwar eine große Chance für alle Industrien dar. Jedes Angebot müsste allerdings maßgeschneidert auf die einmaligen Bedürfnisse einer Branche angepasst werden, so BCG. Gleichzeitig sei die erwartete Marktreife für jeden Anwendungsfall deutlich unterschiedlich, je nach Kundenanteil und wie schnell er skaliert.
Kunden wollen integrierbare End-to-End-Lösungen
Es gibt genügend Raum für alle Arten von Unternehmen, um im Internet der Dinge zu wachsen - und es entsprechend zahlreiche Möglichkeiten, im IoT-Umfeld aktiv zu werden, wie die Beispiele General Electric (Predix), Siemens (Mindsphere), Microsoft (Azure IoT) oder SAP (Leonardo) zeigen. Einer Umfrage von BCG zufolge bevorzugen jedoch 40 Prozent der heutigen IoT-Kunden traditionelle und etablierte Softwareunternehmen für ihre IoT-Lösungen. Außerdem werden die Produktfunktionalität, die Zuverlässigkeit des Anbieters und die Sicherheit, dass die Lösungen integriert werden können, als die drei wichtigsten Kriterien bei der Auswahl eines IoT-Softwareanbieters genannt.
Gerade der letzte Punkt Integration ist dabei aus Sicht von Boston Consulting enorm wichtig, da die heutigen IoT-Kunden nach End-to-End-Lösungen suchen. IoT-Anbieter müssen dabei nicht notwendigerweise alle Komponenten innerhalb des Technologie-Stacks beherrschen, aber es ist unerlässlich, einen Go-to-Market-Plan zu erstellen, der den Wunsch des Kunden nach einer End-to-End-Lösung berücksichtigt.
Genau hier liegt aus Sicht der Analysten die große Herausforderung, da es zum Beispiel für einen Hardware-Hersteller von vernetzten Geräten nicht einfach ist, einen Software-Anbieter, der einen Mehrwert in der Applikations- und Analyseschicht liefert, zu kaufen (oder selbst zu einem zu werden). Die gute Nachricht, so BCG: Unternehmen können die Bereiche auswählen, in denen sie konkurrieren wollen, und Partnerschaften mit anderen Unternehmen aufbauen, um eine leistungsstarke Suite von End-to-End-Angeboten aufzubauen. Auf diese Weise können sie ihr Budget sinnvoll investieren, um rechtzeitig eine nennenswerte Marktposition im wachstumsträchtigen IoT-Bereich zu erreichen