Greenwashing adé

In 7 Schritten zur regenerativen Nachhaltigkeit



Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenzentrierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt.
Umweltverträgliche Formen des Wirtschaftens werden für alle Unternehmen zum Muss. Die Transformation in eine regenerative, klimapositive Gesellschaft erfordert jedoch erhebliche Anstrengungen. Dieser Sustainability-Ratgeber für IT-Dienstleister hilft, sie zu bewältigen.
Nicht nur das Zahlenwerk, auch die ökologische und moralische Bilanz muss künftig stimmen, um erfolgreichn und zukunftsfähig zu sein.
Nicht nur das Zahlenwerk, auch die ökologische und moralische Bilanz muss künftig stimmen, um erfolgreichn und zukunftsfähig zu sein.
Foto: Borri_Studio -shutterstock.com

Die "grüne" Economy nimmt mächtig Fahrt auf. Im Zusammenspiel mit digitalen Technologien entwickelt sie sich zum Geschäft der Zukunft. Wer die Lebensqualität der Menschen verbessert, dem Wohl des Planeten dient und die Welt ernsthaft zu einem besseren Ort machen will, den unterstützen wir gern. Solche Anbieter sind in der Lage, die besten Mitarbeitenden und die besten Kunden für sich zu gewinnen, eine mitteilungsfreudige Gefolgschaft von Anhängern um sich zu scharen und reichlich positives öffentliches Interesse auf sich zu ziehen.

Aus dem früheren, unerbittlichen Wachstumsparadigma um jeden Preis, das die bewusste Zerstörung des Planeten in Kauf nahm, wird eines, das auf umwelt- und sozialverträglichen Wohlstand zielt. Bereits 1994 hat der britische Autor John Elkington dafür den Begriff der "Triple Bottom Line" geprägt, wonach ein Unternehmen neben der ökonomischen auch eine ökologische und eine soziale Bilanz vorlegen soll: mit den Kategorien Planet, People und Profit. Nicht nur das Zahlenwerk, auch die moralische Bilanz muss fortan stimmen, um zukunftsfähig zu sein.

Etikettenschwindel und Absichtsgedöns

In einer Stepstone-Studie aus dem Jahr 2023 sagten mehr als drei Viertel der 12.000 Befragten in Deutschland, dass das Thema Nachhaltigkeit für sie einen hohen Stellenwert bei der Arbeitgeberwahl hat. Und nicht nur das. Unter dem Begriff "Climate quitting" nimmt ein neues Phänomen Fahrt auf: Beschäftigte kündigen ihren Job, weil ihr Unternehmen ihrer Ansicht nach nicht genug für den Klimaschutz tut.

Doch immer noch versuchen viele Anbieter, bestehende Geschäftsmodelle so lange wie möglich zu schützen. Viel "Grünes" wird versprochen, doch wenig passiert. In Wirklichkeit haben ganze Industriezweige kaum Interesse daran, dass sich etwas ändert, weil das ihrem Profit - zumindest kurzfistig - schadet. "Greenwashing" ist insofern ein glasklares Zeichen dafür, hintendran zu sein, Trends verschlafen zu haben oder wie bisher weitermachen zu wollen.

Statt in Nachhaltigkeit zu investieren, werden Millionen in verlogene Werbung gesteckt. Willige Agenturen, die die hinterlistigsten Täuschungsmanöver ersinnen, gibt es anscheinend genug. Die Folge: Vertrauensschwund in die Unternehmen. Hinzu kommen weitere Umweltschäden, weil die Konsumenten sich aufgrund irreführender Werbeversprechen für Produkte entscheiden, die gar nicht umweltfreundlich sind.

Doch die Öffentlichkeit wird davon hören. Vieles wird sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Jeder Beschäftigte kann im Web darüber berichten, was hinter den Kulissen tatsächlich läuft. "Grüne" Vorgaukeleien werden enttarnt, Pseudo-Aktionen eiskalt überführt. Keine noch so gut gemachte Schönwetterkampagne kann auf Dauer darüber hinwegtäuschen, was ein Anbieter in Wirklichkeit treibt.

Zunächst das Ambitionsniveau klären

Eigentlich jedes Unternehmen macht in Sachen Umwelt- und Klimaschutz irgendetwas. Grundsätzlich ist auch jede Initiative begrüßenswert. Doch eine umfassende Strategie mit einem gemeinsamen Vorgehen wie aus einem Guss ist wirkungsvoller. Bevor Sie damit starten, gilt es zunächst, das Ambitionsniveau zu klären. Wollen Sie:

  • Vorreiter in Ihrer Branche sein, also jemand, der einem sofort in den Sinn kommt, der als Paradebeispiel genannt und in den Medien regelmäßig zitiert wird?

  • In puncto Klimaschutz und Nachhaltigkeit dem Mittelfeld angehören, also das tun, was mehr oder weniger alle früher oder später machen?

  • Nur die gesetzlichen Mindestauflagen erfüllen, und zwar gezwungenermaßen immer erst dann, wenn die entsprechenden Regularien amtlich werden?

In jedem Fall gilt: Sustainability darf nicht in eine Abteilung gesperrt werden. Sie betrifft jeden im Unternehmen über alle Bereiche hinweg. Interdisziplinäres Agieren ist ein Muss. Das bedeutet: In jedem Bereich gibt es Verantwortliche für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Diese sind fortan die "Evangelisten" in Sachen Grün. Sie kümmern sich als crossfunktionale Gruppe um die Priorisierung der Aktivitäten, um das Maßnahmendesign und eine Umsetzung, die durch und durch wahrhaftig ist.

Nachhaltigkeitsstrategie in 7 Schritten

Nachdem diese Punkte geklärt sind, empfehle ich folgenden 7-Schritte-Handlungsplan:

  • Bewusstsein schaffen:
    Am Anfang einer umfassenden Strategie in Richtung Nachhaltigkeit steht die unternehmensweite Stärkung eines klima- und umweltfreundlichen Bewusstseins. Klar, das Thema ist in aller Munde, doch mit den vielfältigen Details haben sich Viele oft kaum befasst. Es braucht also Daten, Fakten und Storys, um die Tragweite des nötigen Handelns sichtbar zu machen.

  • Szenarien analysieren:
    Umweltthemen und ihre Entwicklung sind komplex. Vor der eigentlichen Strategieentwicklung gilt es zunächst, mehrere mögliche Zukunftsszenarien zu entwickeln, die einen Zeithorizont von fünf bis zehn Jahren umfassen. Ich empfehle drei. Ein Best-Case-Szenario, ein realistisches Szenario und ein Worst-Case-Szenario in Sachen Klima und Nachhaltigkeit

  • Strategie entwickeln:
    Das Zukunftszielbild und die Nachhaltigkeitsstrategie werden am besten in einer Strategy Map visualisiert. Sie macht nach drinnen und draußen klar, welchen Weg das Unternehmen ibei Umweltschutz und Circularity gehen will. Diese Strategie wird öffentlich gemacht sowie regelmäßig auf den Prüfstand gestellt und weiterentwickelt.

  • Maßnahmen definieren:
    In diesem Schritt geht es darum, erste Handlungsfelder zu definieren und Fokusthemen zu priorisieren. Verantwortliche für die Umsetzung werden benannt, Zeitachsen und Budgetrahmen werden erstellt. Für die Umsetzungsplanung gilt: dringliche Hot Spots und schnelle Quick Wins zuerst.

  • Maßnahmen umsetzen:
    Der Fortgang der Aktivitäten kann auf einem öffentlichen Kanban-Board sichtbar gemacht werden. Dies sorgt für Transparenz, inspiriert alle im Unternehmen und motiviert einen selbst. Was zu erledigen ist, wird auf Post-its geschrieben, an die jeweilige Spalte gepinnt und - wenn erledigt - entsprechend verschoben.

  • Erfolge kommunizieren:
    Sobald sich erste Erfolge zeigen, werden diese zunächst nach innen kommuniziert und gefeiert. Erst dann werden sie, als weitererzählbare Storys ansprechend verpackt, in die Öffentlichkeit getragen. Dabei gilt: kein Greenwashing und keine Schönfärberei. Jede einzelne Story muss wahr und nachprüfbar sein. Falschaussagen zerstören Reputation und Vertrauen.

  • Ergebnisse bewerten:
    Hierbei geht es um Rückschau und Vorschau zugleich, um Zielwerte, erzielte Ergebnisse und weitere ambitionierte Initiativen. Entscheidende Fragen: Wo stehen wir auf unserem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und welche weiteren Schritte sind nötig? Was lässt sich mit prüfbaren Zahlen belegen? Wie beurteilen das die Kunden und der Markt? Was sind notwendige nächste Schritte?

Alles kommt auf den "grünen" Prüfstand

Verantwortungsvolle nachhaltige Vorgehensweisen beginnen damit, sein bisheriges Handeln kritisch zu hinterfragen und sämtliche Produkte, Services und Lösungen auf den "grünen" Prüfstand zu stellen. Hierzu werden diese wie folgt analysiert:

• Sind sie wirtschaftlich sinnvoll und rentabel?

• Sind sie ökologisch fair und sozial gerecht?

Das lässt sich in Form einer Matrix sichtbar machen, wie die Abbildung unten zeigt. Dem gehen ausgiebige Analysen und Diskussionen voraus. Zunächst werden die Kriterien definiert, die die Begriffe "wirtschaftlich," "ökologisch" und "sozial" determinieren. Hiernach werden die zu betrachtenden Lösungen bepunktet und in die Matrix eingetragen.

Wirtschaftlich sinnvolle ökologisch-soziale Maßnahmen zu mehr Nachhaltigkeit sollten sofort ergriffen werden.
Wirtschaftlich sinnvolle ökologisch-soziale Maßnahmen zu mehr Nachhaltigkeit sollten sofort ergriffen werden.
Foto: Anne M. Schüller

Die anschließenden Entscheidungen ergeben sich aus den Positionen in den einzelnen Quadranten. Die Lösungen im oberen rechten Feld haben Top-Priorität. Bei denen oben links und unten rechts gibt es Optimierungsbedarf. Die Lösungen unten links sind zu stoppen. Nachdem das entschieden ist, machen sich Umsetzungstrupps an die Arbeit.

Eine solche Herangehensweise ist hochstrategisch. Am besten eignet sich dafür ein interdisziplinär und cross-hierarchisch besetzter Initialworkshop. Arbeiten Sie unbedingt mit einer qualifizierten Moderation, da es zu durchaus kniffligen Momenten kommen kann.

Ich empfehle darüber hinaus, den Anlass mit dem Impulsvortrag eines externen Nachhaltigkeitsspezialisten zu beginnen, um einen Blick über den Tellerrand zu gewinnen. Ohne Input von außen gerät man schnell in eine Art Echokammer. Neue Blickwinkel verhelfen zu einer breiteren Lösungslandschaft, stellen Etabliertes infrage und öffnen für neue gute Ideen auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft.

Mehr von Anne M. Schüller findet Ihr hier
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