Handelsvertreter wie Unternehmer sind gut beraten, auch während des laufenden Vertretungsverhältnisses die Rechtsnatur ihrer vertraglichen Beziehungen immer wieder kritisch zu hinterfragen, um nicht irgendwann eine Überraschung in Form eines unbemerkt entstandenen Arbeitsverhältnisses zu erleben. Darauf weist der Stuttgarter Rechtsanwalt Alexander Rilling von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel hin.
So ist die Abgrenzung eines selbstständigen Handelsvertreters vom angestellt Außendienstler nicht nur für lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtliche Fragen sondern auch für die Wahl des richtigen Gerichts bei einer rechtlichen Auseinandersetzung maßgeblich.
Kennzeichen der selbstständigen Tätigkeit
Kennzeichen der selbstständigen Tätigkeit, so Rilling, ist, dass der Handelsvertreter seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten kann. Andererseits ist der Unternehmer typischerweise darauf angewiesen, den Handelsvertreter in seine Absatzorganisation einzugliedern. Die Kontrolle der Absatzförderungsbemühungen des Handelsvertreters wird dem Unternehmer erst durch detaillierte Informations- und Berichtspflichten ermöglich. Dabei hat der Unternehmer gewisse Grenzen zu beachten, will er nicht Gefahr laufen, ein Arbeitsverhältnis zu begründen.
Häufig kommt es vor, dass der Unternehmer die Berichtspflicht intensivieren möchte, insbesondere wenn die Vermittlungsleistung des Handelsvertreters zurückgeht. Hält der Handelsvertreter diese Pflicht für zu weitgehend, kann er sich dagegen, solange er sich vertraglich nicht klar verpflichtet hat, wehren. Der Stuttgarter Anwalt meint, gerade hier sollten beide Seiten wachsam sein, um nicht - ungewollt - ein unselbstständiges Beschäftigungsverhältnis zu gründen.
Umstände des Einzelfalls entscheidend
Anzahl und Umfang der zu erstellenden Berichte beurteilen sich nach den Umständen des Einzelfalls (BGH, Urt. v. 13.1.1966, NJW 1966, 882). Nicht jede detaillierte Berichtspflicht macht aus einem Handelsvertreter bereits einen Arbeitnehmer.
Zulässig ist eine vertragliche Konkretisierung der gesetzlichen Pflichten aus § 86 Abs. 2 HGB, wonach der Handelsvertreter dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, insbesondere ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen hat. Diese Verpflichtungen stehen einer selbständigen Tätigkeit nicht entgegen, da ein Handelsvertreter schon per Legaldefinition des § 84 Abs. 1 S. 1 HGB fremde Geschäfte für den Unternehmer lediglich vermittelt.
Laut Rechtsanwalt Rilling könne z. B. der Immobilienberater einer Bausparkasse verpflichtet sein, Immobilienverkaufsaufträge unmittelbar und unverzüglich an seinen Bezirksdirektor weiterzugeben und auf Verlangen Durchschriften der geschäftlichen Korrespondenz mit Immobilien- und Bausparinteressenten, Bausparern und Kooperationspartnern herauszugeben. Damit werde noch keine Arbeitnehmereigenschaft begründet.
Wie viel Kontrolle ist zulässig?
Im Gegensatz zum Arbeitnehmer, der einer umfassenden Kontrolle unterliegt, braucht sich der Handelsvertreter Kontrollen allerdings nicht in gleichem Maße gefallen zu lassen. Zwar bestehe laut Rilling die gesetzliche Verpflichtung des Handelsvertreters nach § 86 Abs. 2 HGB, dem Unternehmer "die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen". Was am Ende tatsächlich unter den Begriff "erforderliche Nachrichten" fällt, bestimmt sich unter sachgerechter Abwägung der Interessen des Handelsvertreters danach, was das objektive Interesse des Unternehmers nach Besonderheit und Dringlichkeit des Falles erfordert (BGH, Urt. v. 24.09.1987, I ZR 243/85, über juris).
Der Grad zulässiger Kontrolle sei, so der Rechtsanwalt unter Verweis auf einschlägige Gesetzeskommentierungen, überschritten, wenn der Betroffene verpflichtet werde, umfangreich über seine Tätigkeit Bericht zu erstatten, und das Unternehmen damit die Möglichkeit habe, ihn zu überprüfen und die selbstbestimmte Gestaltung seiner Tätigkeit zu beeinträchtigen (Küstner/Thume, Hdb. d. gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, 4. Aufl., III. D. Rn. 131).
Es kommt dabei ganz entscheidend darauf an, in welchen zeitlichen Abständen die Berichtspflicht vom Handelsvertreter wahrzunehmen ist.
So sollte eine Versicherungsvermittlerin in wöchentlichen Intervallen lediglich über Zeit, Ort, Erfolg und Misserfolg ihrer Besuche berichten. Dies erscheint dem Bundesarbeitsgericht mit der gesetzlichen Berichtspflicht einer selbständigen Versicherungsvertreterin noch vereinbar (BAG, Urt. v. 15.12.1999, 5 AZR 169/99, über juris, Rn. 88). Eine solche Weisung vermag die selbstbestimmte Gestaltung der Tätigkeit solange nicht zu beeinträchtigen, wie der Handelsvertreter seine Planung ohne verbindliche Vorgaben des Unternehmers eigenständig vornehmen kann (BAG 09.06.2010 - 5 AZR 332/09 - zitiert nach juris, Rn. 30).
Hingegen wird eine tägliche Berichtspflicht als mit der Selbstständigkeit des Handelsvertreters nicht mehr vereinbar angesehen (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., 2012, Rn. 42).
Rilling rät, bei ähnlich gelagerten Fällen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen und verweist in diesem Zusammenhang u.a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V., www.mittelstands-anwälte.de.
Weitere Infos und Kontakt: Alexander Rilling ist Rechtsanwalt und Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. (www.mittelstands-anwaelte.de).
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