Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zwingt Unternehmen weltweit zum Handeln. Teils wirkt sich die Epidemie schon jetzt überwiegend negativ auf die Geschäfte aus. Die rasche Ausbreitung der Lungenkrankheit lässt auch die Aktienkurse abstürzen. Einer der wenigen Profiteuren ist die Biotech-Firma Qiagen. Der Diagnostikspezialist beginnt mit der Auslieferung von Testkits für das Coronavirus, was die Qiagen-Aktien kräftig steigen lässt.
Die meisten deutschen und anderen europäischen Unternehmen in der Volksrepublik China bekommen dagegen die ersten Folgen der Coronavirus-Epidemie zu spüren. "Die Auswirkungen sind insgesamt schlimm", erklärten die deutsche und die europäische Handelskammer in China nach einer Umfrage unter ihren Mitgliedsfirmen. Fast 90 Prozent berichteten von "mittelschweren bis starken Auswirkungen" durch die Lungenkrankheit. Wegen der Krise erwarte fast jedes zweite Unternehmen einen zweistelligen prozentualen Einbruch der Einnahmen in der ersten Hälfte des Jahres. Ein Viertel rechnet sogar mit mehr als 20 Prozent Rückgang. Ein gutes Drittel hat demnach schon Probleme mit seinen Finanzströmen.
Microsoft korrigiert wegen Coronavirus Umsatzziel der PC-Sparte
Microsoft zum Beispiel hat wegen des neuartigen Coronavirus das Umsatzziel für seine PC-Sparte gestrichen. Aufgrund von Belastungen der Lieferkette dürfte die Prognose im laufenden Geschäftsquartal nicht erreicht werden, warnte Microsoft. Die PC-Sparte von Microsoft umfasst etwa Windows-Betriebssysteme und Hardware-Produkte wie Surface-Laptops und -Tablets sowie die Spielekonsole Xbox. Das Unternehmen betonte, die Windows-Nachfrage sei weiter hoch.
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Das Coronavirus macht sich für die Autobauer bemerkbar. "Wir sehen erste negative Auswirkungen im Markt aufgrund von Covid-19", sagte Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), am Donnerstag. In China sei der Markt im Januar verglichen mit dem Vorjahresmonat um 20 Prozent geschrumpft. Das liege aber auch daran, dass es wegen des Neujahrsfestes weniger Verkaufstage gab. Für dieses Jahr war der Verband von einem Minus von zwei Prozent ausgegangen. Nun werde wegen des Virus ein Szenario mit Minus sieben Prozent durchgerechnet.
Coronavirus als "Stresstest" für die Wirtschaft
Die deutsche Industrie insgesamt sieht das Coronavirus als "Stresstest" für die Wirtschaft und fürchtet Folgen für die Konjunktur. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte die Bundesregierung zu einem koordinierten wirtschaftspolitischen Vorgehen auf. "Neben dem Gesundheitsschutz muss die Politik ab sofort auch das wirtschaftliche Krisenmanagement in den Fokus nehmen", sagte Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Einige Lieferketten mit starkem China-Fokus würden den Stresstest derzeit nicht bestehen. Die mehr als 5000 deutschen Firmen in China seien in Beschaffung, Produktion und Absatz stark eingeschränkt.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnte, bei einer ohnehin geschwächten Wirtschaftslage in Deutschland drohe die Ausbreitung des Coronavirus zu einem "wahren Konjunkturhemmer" zu werden. Schon jetzt spüre die international stark vernetzte deutsche Exportwirtschaft, dass das Coronavirus den weltweiten Handel belaste und zahlreiche Unternehmen ihre Investitionen an vielen Standorten zurückhielten.
Auch die deutsche Reisebranche stellt sich angesichts des Coronavirus auf ein schwieriges Jahr ein. Gerade bei Trips nach Asien gebe es eine Buchungszurückhaltung. Die Branche hofft, dies später mit einem starken Last-Minute-Geschäft nachholen zu können. Derweil steht die Reisemesse ITB in Berlin, die weltgrößte Schau der Tourismusbranche (4. bis 8. März) auf dem Prüfstand. Der Krisenstab des Bundesgesundheits- und Bundesinnenministeriums will an diesem Freitag Gesundheitsschutz und wirtschaftliche Interessen abwägen, wie Innenminister Horst Seehofer (CSU) sagte. Die Messebetreiber hatten mitgeteilt, dass Aussteller nicht auf das Gelände dürften, die in den vergangenen 14 Tagen in den Risikogebieten in China, Iran, Italien oder Südkorea waren.
Messen fallen aus
Die für 25. bis 29. April geplante Genfer Uhrenmesse "Watches and Wonders" wurde wegen der Coronaviruskrise bereits abgesagt. Damit ist sie nach Angaben des Fachdienstes "m+a Messemedien" zusammen mit dem Mobile World Congress eine von 230 Messen wegen des Coronavirus abgesagten oder verschoben Großveranstaltungen.
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Dazu gehört auch Facebooks Entwicklermesse F8. Sie sollte dieses Jahr am 5. und 6. Mai in San Jose in Kalifornien stattfinden, wurde aber jetzt abgesagt. Für die darauffolgende Woche ist auch die Entwicklerkonferenz Google I/O in Mountain View angesetzt. Der Konzern hält derzeit daran fest, warnte aber bereits vor Einschränkungen für Besucher aus Regionen, in denen sich das neuartige Coronavirus Covid-19 ausgebreitet hat.
Lieferketten sind gefährdet
Zugleich erhöhen global agierende Unternehmen wie der Kosmetikriese L'Oréal und der Autozulieferer Continental ihre Vorsichtsmaßnahmen und schränken Geschäftsreisen von und nach China sowie Südkorea und in Teile Italiens ein. Er unterstützt zudem die einzelnen Standorte "mit der Lieferung von geeigneter persönlicher Schutzausrüstung" und bemüht sich, die Lieferfähigkeit des Unternehmens aufrechtzuerhalten. Conti hat Fabriken und Niederlassungen auf allen Kontinenten.
Ebm-Papst, Hersteller vom Ventilatoren und Motoren mit Sitz im baden-württembergischen Mulfingen, analysiert ebenfalls die Lage bei den Lieferketten. Aktuell sei die Belieferung mit kritischen Teilen für die Produktionen der nächsten vier Wochen gesichert. Dienstreisen in die vom Coronavirus betroffenen Regionen wurden jedoch untersagt. Das Unternehmen bezieht aus Südkorea vor allem Elektronikbauteile, aus Italien mechanische Teile und aus China etwa Magnete.
Kurzarbeitergeld bei Einschränkungen durch Coronavirus
Zahlreiche Betriebe in Deutschland sind bei ihrer Produktion etwa auf Lieferungen von Materialien und Komponenten aus China angewiesen. Volkswirte befürchten erhebliche Einbußen, sollte sich die Situation rund um das Virus nicht vergleichsweise rasch entspannen.
Die Bundesagentur für Arbeit zahlt für Beschäftigte, deren Betriebe vom neuartigen Coronavirus betroffen sind, Kurzarbeitergeld. "Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld muss grundsätzlich auf einem unabwendbaren Ereignis oder wirtschaftlichen Gründen beruhen. Dies trifft etwa dann zu, wenn Lieferungen ausbleiben und die Produktion eingeschränkt werden muss", teilte die Bundesagentur mit.
Ein unabwendbares Ereignis liege auch dann vor, wenn etwa wegen staatlicher Schutzmaßnahmen Betriebe geschlossen würden. Wichtig sei aber, dass die Betriebe die Kurzarbeit vorab bei der zuständigen Agentur für Arbeit anzeigen. Erste Anfragen seien bereits eingegangen, so die Bundesagentur. (dpa/pma)