Freizeitbeschäftigung in deutschen Wohnzimmern: Vor der Glotze flaggen - sich berieseln lassen. Aber nach zehn Minuten Rumzappen langweilen altbekannte Sitcoms. Die Tagesschau meldet sich erst um 20 Uhr wieder. Dann muss eben das Tablet herhalten. Die Alternative heißt Youtube. Musikvideos, Tutorials zu allen erdenklichen Lebensbereichen und Unterhaltung nach Comedien-Art finden sich hier. Laut Firmen-Statistik kommen monatlich mehr als eine Milliarde Besucher auf die Website. Dabei werden sechs Milliarden Stunden Videomaterial angesehen. Und gleichzeitig würden stündlich 100 Stunden Videomaterial hochgeladen.
Das Erfolgskonzept von Youtube ist simpel. Aleksandar Duric Geschäftsführer beim Fitnesslabel Gym Aesthetics erläutert es: "Zu fast jedem Thema gibt es Videos, die der User ort- und zeitunabhängig abrufen kann." Ohne lange Werbeunterbrechungen könne er so sein individuelles Unterhaltungsprogramm schaffen. Für eine hohe Authentizität sorgten die Video-Macher. Oft seien diese Amateure, die ihre semiprofessionellen Videos hochladen. Das Stuttgarter Modelabel nutzt genau diesen Umstand. Durch das Sponsern von rund einem Dutzend Video-Athleten erreicht die Marke ihre Zielgruppe punktgenau. Als Basis dienen Knapp 100.000 Facebooklikes, die verdeutlichen, warum Duric nicht auf Fernsehwerbung setzt. Binnen Stunden nach Eröffnung des eigenen GA-Youtube-Kanals verzeichnete dieser 11.000 Abrufe.
Axel Zawierucha, Gründer der internetwarriorsaus Berlin, erklärt warum Youtube das Fernsehen ablösen kann: "Nicht nur die User, sondern auch die Video-Macher, also diejenigen, die den Kanal mit frischer Nahrung speisen, als auch die Werbetreibenden, ernten ihre Früchte." Natürlich hat die Werbebranche die Plattform voller potenzieller Kunden längst entdeckt. Dies geht soweit, dass Youtuber ab einer gewissen Anzahl von Aufrufen und Abonnenten Geld verdienen. Denn sobald sich eine wachsende Gemeinschaft um einen Kanal gebildet hat, können Firmen auf die User abgestimmt Werbung einbinden. Der so entstandene Verdienst der Youtuber reicht bis hin zu Summen, die den Lebensunterhalt mehr als reichlich decken.
Karl Ess gehört hier zu den Pionieren. Der gebürtige US-Amerikaner zieht als veganer Kraftsportler seit Jahren junge Menschen in seinen Bann. Sein Kanal hat 283.000 Abonnenten. Neben Tipps zum täglichen Training bietet er durch seine Videos ein Allroundpaket, das von gesundem Lifestyle bis hin zu extremem Muskelaufbau vieles abdeckt. Gerichte zum Nachkochen, Vergleich von verschiedenen Eiweißpulvern, Tragen cooler Klamotten und Coaching zum selbstbewussten Auftreten. All diese Tipps, eingebettet in mittlerweile mehr als 1700 Videos, bringen ihm ein kleines Vermögen ein. Einen Job als Angestellter braucht er nicht mehr - sein Einkommen besteht aus Werbeverträgen. Einen davon übernimmt Gym Aesthetics. "Unsere Zielgruppe erreichen wir durch Fitnessmultiplikatoren wie Karl Ess viel besser als durch Fernsehspots", verdeutlichtDuric. Allein Youtube verhalf der Marke, sich innerhalb eines Jahres zu etablieren. Funktionieren kann das, weil potenzielle Käufer bereits in anderen Communities wie Facebook & Co. miteinander vernetzt sind. Reichweite und damit Bekanntheit einer Marke steigern sich quasi im Alleingang. (bw)