München: ISDN wird vor allem für Sprach- und Datenübertragung verwendet. Das Fax fristet aber eine ärmliche Existenz im digitalen Netz.
Bisher nutzt kaum ein Anwender die ganzen Vorteile von ISDN zum Faxen. Die meisten Dokumente werden nämlich immer noch als Gruppe-3-Faxe (G3) verschickt, also mit maximal 14,4 Kbit/s. Wie hinreichend bekannt, sind aber mit ISDN 64 Kbit/s erreichbar. Eben dies ermöglichen Gruppe-4-fähige (G4) Faxgeräte. Diese sind aber recht teuer, so kostet beispielsweise das aktuelle Faxgerät D-Fax 360 G4 der deutschen Telekom 1.800 Mark. Andere Hersteller bieten sogar noch teurere G4-Faxgeräte: Das High-end-Modell von Canon, PowerFax-L3300i, kostet gar 8.400 Mark. Etwas günstiger ist dann schon das G3-fähige Ricoh-Fax 4700L. Zum Faxen mit 64 Kbit/s, mit einer ISDN-Karte erweitert, beträgt hier der Listenpreis knapp 6.000 Mark.
Hier stellt sich natürlich die Frage, ob sich die Anschaffung eines teuren G4-Faxgerätes überhaupt lohnt. Sicherlich, die Faxe werden um mindestens Faktor vier schneller übertragen, und auch deren Auflösung ist mit 400 dpi doppelt so hoch wie beim analogen Verfahren. Doch um Daten schneller und in höherer Auflösung zu verschicken, gibt es noch andere Möglichkeiten.
Eine davon ist es, direkt vom PC zu faxen. Angenommen, die Gegenstelle ist auch ein Computer mit ISDN-Karte, und die Software versteht ebenfalls Gruppe 4, dann steht einer kostengünstigen Faxübertragung mit voller ISDN-Geschwindigkeit nichts im Wege. Doch bisher liefert die Deutsche Telekom ihre ISDN-Karte nur mit der Fax-Gruppe-3-Software. Für Anja Mau, Maketingleiterin beim Aachener Softwarehaus Ositron Kommunikationstechnik GmbH, ist die Sache sonnenklar: "Der Deutschen Telekom würden unvorstellbare Summen durch die Lappen gehen, sollte Fax-Gruppe-4 den analogen Dienst Fax-Gruppe-3 als Standard ablösen". Passenderweise bietet Ositron auch gleich die entsprechende Fax- Gruppe-4-Software für knapp 50 Mark selbst an. Diese Windows-Software unterstützt alle ISDN-Karten mit CAPI 2.0, also die Produkte von Teles, AVM, Eicon Diehl oder
Bintec.
Andreas M. Jankowsky, Senior Produktmanager beim Nürnberger ISDN-Hardwarehersteller, Bintec, ist da gänzlich anderer Meinung:
"Fax-Gruppe-4 wird sich wohl nicht durchsetzen. Kaum jemand wird nämlich Daten als Faxe der Gruppe 4 von ISDN-Karte zu ISDN-Karte übertragen. Eine hochaufgelöste Grafik kann viel bequemer als Attachment von einer E-Mail übermittelt werden. Damit erhält der Kommunikationsteilnehmer die Grafik in Originalqualität", so der Bintec-Manager weiter. Und sollte jemand tatsächlich über ein G4-Faxgerät verfügen, ist es relativ unwahrscheinlich, daß die Gegenstelle in der Lage ist, ein solches Fax zu empfangen. In diesem Fall wird dann das Ganze doch wieder als Fax-Gruppe-3 übertragen. Beim kostensparenden Fax-over-IP-Verfahren ist Fax-Gruppe-4 gar nicht mehr implementiert worden. Dazu bestand auch keine Veranlassung, denn erstens gibt es einfach nicht genügend Fax-Gruppe-4-Endgeräte und zweitens sollte man digitalisierte Daten besser gleich über das Internet verlustfrei übertragen. (rw)