"Wir bieten eine komplette Unfallabwicklung"

Fairplay der Haftpflichtversicherung?



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Von wegen! Autofahrer, die in einen Verkehrsunfall verwickelt sind, sollten sich vor zu freundlichen gegnerischen Haftpflichtversicherern hüten.
Im Versicherungsfall sollte man genau abwägen, welche Vor- und Nachteile eine Komplettregulierung mit sich bringt.
Im Versicherungsfall sollte man genau abwägen, welche Vor- und Nachteile eine Komplettregulierung mit sich bringt.
Foto: BMW Group

Im Falle eines Verkehrsunfalls melden sich häufig die Haftpflichtversicherungen des Schädigers noch am Unfalltag telefonisch beim Geschädigten und bieten diesem durch hervorragend geschulte und freundliche Mitarbeiter eine komplette Unfallabwicklung an.

Diese Vorgehensweise, so der Nürnberger Fachanwalt für Verkehrsrecht Oliver Fouquet, Leiter des Fachausschusses "Werkstatt/Reparatur/Mängelbeseitigung" des VdVKA – Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel, verpacken Versicherer häufig unter Begriffen "Fairplay" o.ä. Diese suggerieren, dass die Vorgehensweise zum Nutzen aller Beteiligter geschieht, also eine "Win-Win-Situation" vorliegt.

Doch, so Fachanwalt Fouquet, liegt wirklich eine "Win-Win-Situation" vor?

Dem Geschädigten stehen im Falle eines unverschuldeten Verkehrsunfalls u. a. Schadensersatzpositionen für Reparaturkosten, Wiederbeschaffungsaufwand (im Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens), Abschleppkosten, Sachverständigenkosten, Rechtsanwaltskosten Mietwagenkosten und Wertminderung zu.

Zweifelhafte Angebote

Die Versicherer bieten an, verunfallte Fahrzeuge abzuholen, gleichzeitig einen Mietwagen zur Verfügung zu stellen, nach erfolgter Reparatur das Fahrzeug wieder dem Geschädigten zu bringen. Der Geschädigte hat mit der Abwicklung nichts zu tun.

Vorteil für den Geschädigten
Zeitersparnis, da er sich nicht um die Abwicklung kümmern muss.

Vorteil für die Versicherung
Die Versicherer haben mit verschiedenen Werkstätten, meist freien nicht auf die Marke spezialisierten Werkstätten, interne Vereinbarungen mit niedrigeren Stundensatzkosten für die Reparaturarbeiten, die erheblich niedrigere Kosten für die Reparatur verlangen als dies Fachwerkstätten tun oder die am freien Markt zu zahlen wären.
Folge: Kostenreduzierung für die Versicherung

Dasselbe gilt für die Mietwagenunternehmen. Auch hier bestehen Rahmenvereinbarungen, aufgrund derer die Versicherer an die Mietwagenunternehmen erheblich weniger Kosten bezahlen als bei freier Anmietung.
Folge: Kostenreduzierung für die Versicherung

Der Geschädigte sei berechtigt, einen von ihm gewählten Sachverständigen mit der Ermittlung der Schadenshöhe zu beauftragen. Die Kosten für den Sachverständigen habe die Haftpflichtversicherung des Schädigers zu zahlen. Durch den direkten Kontakt des Versicherers zum Geschädigten und Weitergabe des geschädigten Fahrzeugs in eine vom Versicherer ausgewählte Reparaturwerkstatt wird kein Sachverständiger in die Abwicklung involviert.
Folge: Kostenreduzierung für die Versicherung

Auch ist der Geschädigte berechtigt, einen Rechtsanwalt mit der Unfallregulierung zu beauftragen, der auf der Seite des Geschädigten dafür sorgt, dass dieser alle ihm zustehenden Schadenspositionen auch bekommt. Diese Kosten sind auch von der Haftpflichtversicherung zu tragen. Durch die direkte Kontaktaufnahme soll die Einschaltung eines Rechtsanwalts unterbunden werden.
Folge: Kostenreduzierung für die Versicherung

Häufig ist die Geltendmachung eines Nutzungsausfalls für den Geschädigten günstiger als die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs. Auch darauf wird der Geschädigte von der Versicherung nicht hingewiesen.
Folge: Kostenreduzierung für die Versicherung

Völlig außen vor bleibt zum Beispiel in diesem Bereich meistens eine Wertminderung nach erfolgter Reparatur, die dem Geschädigten zusteht. Da kein Sachverständiger eingeschalten wurde, wird diese auch nicht ermittelt.
Folge: Kostenreduzierung für die Versicherung

Auf diese Weise erspart sich die gegnerische Haftpflichtversicherung bei vorsichtiger Schätzung pro im Schnitt zwischen 1.000,00 und 1.500,00 Euro.

Warum tut der Versicherer das?

Der Geschädigte sollte sich daher die Frage stellen, warum die Versicherung Mitarbeiter beschäftigt, die sie bezahlen muss, um dem Geschädigten zu helfen. Dieses Modell rechnet sich wirtschaftlich nur, wenn die Ersparnis größer als die Personalkosten für diese Mitarbeiter ist.

Faktisch, so Fouquet, führt das Vorgehen zur Kürzung von berechtigten Schadenspositionen des Geschädigten. Daher kann einem Geschädigten nur geraten werden, sich nicht auf Angebote der gegnerischen Versicherung einzulassen und sich von einem Rechtsanwalt, der auf seiner Seite steht, beraten zu lassen.

Fouquet empfiehlt, dies beachten und ggfs. rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA - Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. - www.vdvka.de - verweist. (oe)

Weitere Informationen und Kontakt:
Oliver Fouquet, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrech und Fachanwalt für Verkehrsrecht, c/o KGH Anwaltskanzlei, Fürther Straße 98-100, 90429 Nürnberg, Tel.: 0911 32386-0, E-Mail: oliver.fouquet@kgh.de, Internet: www.kgh.de

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