Eingeschränkte Garantiebestimmungen erhöhen das Risiko beim Handel mit OEM-Ware

02.06.1998

MÜNCHEN: Wer bisher geglaubt hat, daß für zwei Festplatten mit identischer Modellbezeichnung auch die gleichen Garantiefristen gelten, täuscht sich gewaltig. Handelt es sich bei einem der Laufwerke um ein OEM-Produkt, kann dessen Garantiezeit unter Umständen deutlich kürzer ausfallen. Eine bittere Erfahrung, die bei steigendem Anteil von OEM-Ware im Fachhandelskanal immer mehr Händler machen müssen.Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage!" Während dieser wohlgemeinte Hinweis den meisten Menschen im Umgang mit Medikamenten inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden ist, finden im Handelsbereich Packungsbeilagen in Form von Garantiebestimmungen und allgemeinen Geschäftsbedingungen häufig wenig Aufmerksamkeit. Allzu oft diktiert einzig der Preis das Kaufverhalten. Ein folgenschwerer Fehler, wie immer mehr betroffene Händler und Endverbraucher feststellen müssen. Kann sich doch ein, auf den ersten Blick, günstiges Produktangebot im Nachhinein aufgrund stark eingeschränkter Garantiebestimmungen zumindest als riskantes Geschäft erweisen.

Hersteller verhalten sich passiv

Der Anteil von OEM-Produkten, die ihren Weg in den Fachhandelskanal finden, steigt kontinuierlich an. Ursache sind in den meisten Fällen OEM-Kunden, die unter Bruch bestehender Vertriebsvereinbarungen OEM-Ware direkt oder indirekt in die Fachhandelskanäle umleiten. Ein Zustand, der von Herstellern nicht gern gesehen wird. Um den Großabnehmer nicht zu verlieren, wird die Situation, wenigstens solange die bewegten Mengen gewisse Größenordnungen nicht überschreiten, meist stillschweigend toleriert. Es ist der vermeintlich günstigere Preis, der OEM-Ware für Händler und Endverbraucher in gleichem Maße attraktiv erscheinen läßt. Einschränkungen beim Zubehör und bei der Verpackung werden dabei durchaus akzeptiert und in Kauf genommen, im Fall eines Defektes allerdings gibt es oftmals ein böses Erwachen. Wendet sich der Kunde an die Serviceabteilung des Herstellers, muß er erfahren, daß in nicht wenigen Fällen Garantieleistungen komplett abgelehnt werden. Günstigstenfalls wird ihm eine Garantiezeit eingeräumt, die deutlich unterhalb vergleichbarer Fachhandelsprodukte liegt.

Höhere Ausfallrate trotz gleicher Produktionsqualität

Service- und Garantieleistungen kosten Geld. Da "echte" OEM-Kunden diese Aufgaben vielfach selbst übernehmen, kann der Hersteller einen entsprechend günstigeren Produktpreis kalkulieren. Ausfälle durch Defekte werden dabei oft pauschal durch die Lieferung von Überkapazitäten, die gewöhnlich zwischen ein und drei Prozent der bestellten Stückzahl liegen, abgegolten.

Geraten diese OEM-Produkte in den Fachhandel und wendet sich ein Endkunde im Fall eines Defektes mit Garantieansprüchen an den Hersteller, beißt er (verständlicherweise) auf Granit. Zum einen hat sich der Hersteller seiner Garantieverpflichtungen, wie beschrieben, pauschal entledigt, zum anderen besteht rechtlich gesehen grundsätzlich nur ein Garantieanspruch zwischen Käufer und Verkäufer.

Eine weitere Problematik wird häufig übersehen und erhöht zusätzlich das Risiko beim Handel mit OEM-Produkten. Obwohl OEM- und Fachhandelsware fast immer aus der gleichen Produktionslinie stammen und sich ursprünglich in ihrer Qualität nicht unterscheiden, kann die Ausfallrate von OEM-Produkten höher liegen. Grund dafür ist häufig eine unsachgemäße Verpackung. Vom Hersteller in Großverpackungen (sogenannten "bulk packages") ausgeliefert, landen Festplatten letztlich oft in Plastiktüten statt in gepolsterten, schockfesten Kartons beim Endanwender. Transportschäden sind damit vorprogrammiert.

Eine Erfahrung, die auch Bodo Kirtz, Inhaber eines Computerfachgeschäftes in Bestwig, kürzlich machte. Gerade einmal sechs Monate betrug die inzwischen abgelaufene Garantiezeit der defekten IBM-Festplatte, teilte ihm die zuständige IBM-Serviceabteilung mit. Der Grund, es handelte sich um ein OEM-Produkt. Fälle wie diese sind keine Seltenheit, beträgt doch der OEM-Anteil bei IBM-Festplatten nach IBM Angaben inzwischen 98 Prozent.

Als verantwortlich für die Misere betrachtet Kirtz eine Reihe von Großhändlern. "Häufig genug werden diese Platten nur als IBM-Festplatten angeboten. Kein Hinweis auf OEM!", wettert der Fachhändler. Den betroffenen Firmen Verfehlungen nachzuweisen ist nach Kirtz Worten allerdings schwierig. "Wer hebt denn die Fax-Angebote über Jahre auf? Unsere Lieferanten haben sich mit vielen Ausreden gewehrt, die Garantiezeit auf der Rechnung zuzusichern. Wo sind die Lieferanten, die unsere Vorstellungen von Qualitätsmanagement erfüllen?"

Bert Billig, Service-Sachbearbeiter beim Berliner EDV-Großhändler PITTS kennt zwar die Problematik, weist die pauschal erhobenen Vorwürfe allerdings zurück. "Wir bieten unseren Kunden die gesetzlich vorgeschriebene Gewährleistungspflicht von sechs Monaten. Gibt unser Vorlieferant oder der Hersteller für das Produkt eine längere Garantiezeit, geben wir die natürlich an unsere Kunden weiter. Jeder mündige Verbraucher sollte sich vor dem Kauf einer Ware über die jeweils geltenden Garantiebestimmungen informieren. Auf Anfrage teilen wir sie Kaufinteressenten gerne mit, im Zweifelsfall gelten die allgemeinen Geschäftsbedingungen."

Praxis offenbart Schlupflöcher

Neben der Tatsache, daß die Kenntnis der Garantiebestimmungen eine Holschuld ist, macht Billig die Hersteller mitverantwortlich an der herrschenden Konfusion. "Auf der einen Seite werben Unternehmen wie IBM in Prospekten und Anzeigenkampagnen global und vollmundig mit Garantiezeiten von drei oder fünf Jahren, auf der anderen Seite wird OEM-Ware mit deutlich geringerer Garantiefrist Großhändlern wie uns über offizielle IBM-Distributoren angeboten."

Ein Zustand, den es laut Aussage von Manuela Rost-Hein, zuständig für Marketing Kommunikation bei der IBM in Stuttgart, in dieser Form nicht geben dürfte. OEM-Vereinbarungen werden nach ihren Worten zwar für jeden Einzelfall gesondert ausgehandelt, dennoch ist die Verwertung der Produkte durch einen OEM-Kunden immer klar definiert. Der Vertrieb separater Festplatten als offizielles IBM-Produkt ist in jedem Fall untersagt. Neben der Option, die IBM Festplatte in ein Rechnersystem zu integrieren und das Gesamtsystem zu vermarkten, steht es OEM-Kunden allerdings vielfach frei, IBM-Festplatten unter eigenem Label, oder als No-name Produkte auf dem Markt anzubieten.

Daß derartige Regelungen phantasievollen OEM-Kunden genügend Freiraum bieten, sich beispielsweise elegant unerwünschter Lagerbestände zu entledigen, bedarf keines weiteren Kommentars.

Vorabinformation verhindert böse Überraschungen

In Zeiten kontinuierlich sinkender Produktpreise bleibt der Kostenfaktor "Qualitätsmanagement" eine weitgehend fixe Größe, das heißt seine Bedeutung wächst. Wer als Unternehmer nicht dem Motto "No risk, no fun!" frönt, ist gut beraten, sich vor der Plazierung einer Bestellung über bestehende Service- und Garantieleistungen zu informieren. Ferner sollte der Händler jede Gelegenheit nutzen, den Kunden für die Tatsache zu sensibilisieren, daß es ein umfassendes Qualitätsmanagement nicht zum Nulltarif gibt. (sd)

Unerwünschte Risiken und Nebenwirkungen sind bei OEM-Produkten nicht ausgeschlossen.

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