Der Online-Marktplatz Refurbed hat Anfang August 2021 in einer Series B-Finanzierung 54 Millionen Dollar von Investoren erhalten. Lead Investoren sind Evli Growth Partners und Almaz Capital. 29 Millionen Dollar davon sollen in die Expansion im deutschen Markt gesteckt werden. Auch die Bestandsinvestoren Speedinvest, Bonsai Partners und All Iron Ventures sowie eine Gruppe neuer Kapitalgeber, darunter Hermes GPE, C4 Ventures, SevenVentures, Alpha Associates, Monkfish Equity, Kreos, Isomer Capital und Creas Impact Fund haben an der neuen Finanzierungsrunde teilgenommen.
Damit hat das 2017 gegründete Unternehmen nicht nur eine ungewöhnlich hohe Summe erhalten, sondern auch einen ungewöhnlich breiten Rückhalt bei Investoren. Die halten offenbar die Zeit für gekommen, in der das Thema „Refurbishement“ – also die Wiederaufbereitung gebrauchter Elektronikgeräte und deren Wiederverkauf – im Mainstream ankommt. Refurbed konnte seinen Umsatz im Jahr 2020 auf mehr als 100 Millionen Euro verdreifachen. Derzeit konzentriert sich Refurbed mit 140 Mitarbeitern auf Deutschland, Österreich, Dänemark, Irland, Frankreich, Italien und Polen.
ChannelPartner: Sie haben ja eine interessante persönliche Vorgeschichte durch ihre Zeit bei Amazon. Was hat Sie dann bewogen, eine eigene Firma zu gründen?
Kilian Kaminski: Ich habe bei Amazon in Deutschland das Certified Refurbished Program, also den Verkauf von aufbereiteten Elektroartikeln, geleitet. Doch nach anderthalb Jahren war mir klar: Dieser Bereich hat und wird bei Amazon keine Priorität haben. Der Schwerpunkt der Plattform liegt auf Neuware, ich wollte aber etwas Nachhaltiges aufbauen. Als ich dann mit meinem Co-Founder Peter Windischhofer, den ich aus meiner Studienzeit in Shanghai kannte, darüber gesprochen habe, erzählte er mir von seiner persönlichen Erfahrung mit einem kürzlich erworbenen gebrauchten iPhone. Schnell war uns klar, dass wir gemeinsam gründen müssen, um einen nachhaltigen Einfluss auf den Elektronikkonsum und unseren Planeten zu nehmen. Zusammen mit unserem CTO Jürgen Riedl haben wir 2017 daher den Schritt gewagt, Refurbed zu gründen und bereuen es kein Stück.
Ankaufsplattformen für gebrauchte IT-Produkte gibt es ja schon länger und gibt es einige. Wie hebt sich Refurbed in diesem Umfeld ab?
Kaminski: Wir verkaufen auf unserer Plattform keine gebrauchten Geräte, sie werden nämlich von unseren Partnern in bis zu 40 Schritten vollständig erneuert. Im Gegensatz zu Ankaufsplattformen sind wir also ein Marktplatz, der Refurbisher und Kunden zusammenbringt. Das bedeutet, dass wir selbst keine Geräte ankaufen, sondern ausschließlich mit zertifizierten und geprüften Händlern zusammenarbeiten. So stellen wir die hohe Qualität unserer Produkte sicher.
Wir bilden zudem eine perfekte Symbiose mit unseren Partnern: sie bringen die Logistik, wir das Netzwerk, die Vertriebsplattform und den Kundenservice. Dadurch haben Händler mehr Kapazitäten und können ihr Verkaufsvolumen unter Sicherstellung der hohen Qualitätsstandards erhöhen und die Geräte kostengünstiger als Refurbisher mit Direktvertrieb anbieten. Außerdem bieten wir unseren Kunden attraktive Zusatzleistungen wie Geräteversicherungen und Rückgaberecht von 30 Tagen an.
Einige der anderen Marktteilnehmer arbeiten mit Online-Marktplätzen, Retailern oder Telekommunikationsunternehmen zusammen, um an gebrauchte Geräte zu gelangen. Wie ist das bei Ihnen?
Kaminski: Wir arbeiten europaweit mit mehr als 120 Refurbishern zusammen. Diese erhalten ihre Geräte ebenfalls meist von großen Firmen und Telekommunikationsunternehmen, die ihre Laptops und Smartphones alle paar Jahre gegen neuere Versionen austauschen. Außerdem haben wir im Juni dieses Jahres unser Buyback-Program gestartet, bei dem wir Smartphones von Privatkunden ankaufen, wobei der Anteil an Privatgeräten, die in den Kreislauf zurückgeführt werden, aktuell bei unter 10 Prozent liegt. Und genau das Problem möchten wir mit unserem neuen Programm lösen. Es soll mehr Menschen dazu motivieren, die Geräte, die in den Schubladen liegen, wieder in den Kreislauf zu bringen und damit nachhaltig zu handeln.
Gibt es auch für Fachhändler Möglichkeiten, mit Refurbed zusammenzuarbeiten?
Kaminski: Wir arbeiten beispielsweise schon jetzt mit Herstellern zusammen, die zertifizierte Refurbished-Programme haben. Hier gibt es in Zukunft definitiv noch mehr Potenzial. Einer unserer wichtigsten Werte ist die Kundenzufriedenheit. Diese erreichen wir nur, wenn wir höchste Qualität und einwandfreie Produkte anbieten. Um diesen Anspruch zu erfüllen, durchlaufen potenzielle Händler einen strengen Onboarding-Prozess. Diesen möchten wir keinesfalls lockern, da wir nur so sicherstellen können, dass die besten Händler bei uns gelistet werden.
Früher wanderten viele (aufbereitete) Gebrauchtgeräte aus Deutschland ins Ausland und wurden dort verkauft. Wie ist das heute?
Kaminski: Über zwei Drittel der deutschen Händler verkaufen ihre Geräte über Refurbed innerhalb Deutschlands. Ein weiterer großer Teil geht nach Österreich, und kleine Anteile werden an Kunden in unseren anderen elf der insgesamt dreizehn Märkte geliefert.
Sie sind auch Teil eines Experten-Konsortiums zum Thema Kreislaufwirtschaft der Europäischen Union. Wie wird das Thema „Refurbishing“ auf europäischer Ebene gesehen? Es gab ja die Diskussionen um ein „Recht auf Reparatur“ und die Update-Pflicht. Haben diese Themen das Bewusstsein bei den Verbrauchern gestärkt und die Akzeptanz von gebrauchter Hardware erhöht? Oder muss da noch mehr passieren?
Kaminski: Grundsätzlich ist das Thema Refurbishment ein Kernelement der Kreislaufwirtschaft und damit auch ein wesentliches Element, um die Ziele des Green Deals zu erfüllen. Auch das Thema 'Recht auf Reparatur' ist ein wichtiger Punkt, um die Reparierbarkeit wieder zur Normalität zu machen, denn das Produktdesign der Hersteller entwickelt sich in die komplett entgegengesetzte Richtung. Das ist natürlich im Bezug auf Nachhaltigkeit eine Schande!
Recht auf Reparatur ist als Bewegung in den USA schon viel weiter als in Europa. Um diesen Rückstand aufzuholen, engagiere ich mich stellvertretend für Refurbed in mehreren EU-Konsortien und Organisationen. Ziel ist es dabei, dieses wichtige Thema zur Bekämpfung der Klimakrise höher auf die Agenda der EU-Kommission zu bringen, damit es aus Brüssel bald mehr positive Nachrichten zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft und zum zukunftsorientierten nachhaltigen Konsum gibt.
Doch leider ist der Lobbyismus von großen Konzernen und Herstellern noch sehr stark ausgeprägt. Das führt dazu, dass viele nachhaltige Initiativen abgelehnt, verschoben oder verwässert werden. Grundsätzlich ist aber das Bewusstsein der Verbraucher und Verbraucherinnen für nachhaltigen Konsum in den letzten Jahren stark gestiegen. Bewegungen wie 'Fridays for Future' tragen dazu bei, dass sie sich im Alltag mehr Gedanken über die Umwelt machen.
Deshalb ist es umso wichtiger, immer mehr Menschen zu erreichen und nachhaltige Alternativen beim Kauf von beispielsweise refurbished-Produkten im Elektronikbereich zu bieten. Wenn Geräte durch das Refurbishment länger im Kreislauf bleiben, verringert dies nicht nur effektiv CO2-Emissionen, die bei der Herstellung neuer Produkte anfallen, sondern schont auch wertvolle Ressourcen und vermeidet unnötigen Elektroschrott.
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