Auch im digitalen Unternehmen stehen die Kunden und das Management der Kundenbeziehung im Mittelpunkt. Damit verbunden sind die nachfolgenden vier Grundziele:
Die Kundengewinnung: potenziellen Kunden identifizieren und systematisch zum Kauf hinführen.
Die Kundenbindung: den Erstkunden emotional etablieren hin zum Fan oder Multiplikator.
Die Kundenexpansion: vom Erstkauf zu Zweit- und regelmäßigen Folgekäufen.
Die Abwanderungsverhinderung: Kundenverluste identifizieren und Abwanderung verhindern.
Von der Kundengewinnung zum systematischen Lead Management
Im Lead Management, also der Kundengewinnung, finden momentan die größten Veränderungen statt. An den Grundprinzipien, dem schrittweisen Hinführen zum Kauf mittels Dialogmarketing, in Verbindung mit dem Gewinnen von Daten über den potenziellen Kunden, ändert sich jedoch erstmal nichts.
Verändert, ja revolutioniert, haben sich jedoch die Instrumente und die möglichen Kommunikationskanäle sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich. Vor allem das sogenannte Content Marketing bietet große Potenziale. Der Ansatz besteht darin, den potenziellen Käufer aus der Anonymität des Internets entlang der Customer Journey schrittweise herauszuführen. Um dies zu erreichen, müssen Unternehmen auf den verschiedensten Plattformen und Kanälen wie Blogs, Social-Media-Plattformen, Twitter, aber auch YouTube, der anvisierten Zielgruppe spannende Inhalte anbieten. Diese Inhalte wiederum sollen die Zielperson dazu motivieren, aktiv zu werden und weitere Inhalte anzufordern. Die Währung, in der der Kunde dafür bezahlt, sind seine Daten - unter anderem Kontaktinformationen, Vorlieben und Hobbies. Man spricht in diesem Zusammenhang von Progressive Profiling.
Von der Kundenbindung zur Verbundenheit
Sobald der erste Kauf erfolgt und sich damit der Lead zum Erstkunden gewandelt hat, beginnt die Kundenbindung. Herausforderung, aber auch Chance zugleich, ist das Phänomen der kognitiven Dissonanz. Dabei geht es um das in der Psychologie bekannte Phänomen des unangenehmen Gefühlszustandes, der typischerweise nach einem Erstkauf ausgelöst wird. Dabei tauchen plötzlich Fragen auf wie:
War die Entscheidung richtig?
Hätte ich nicht noch warten sollen?
Was sagen meine Freunde, Bekannten, Vorgesetzten dazu?
Wäre eine andere Variante nicht doch die Bessere gewesen?
In dieser für ihn unangenehmen Situation ist der Erstkäufer auf der Suche nach der Bestätigung, dass seine Kaufentscheidung doch die Richtige war. Deshalb muss genau hier die individuelle, weiter betreuende Kommunikation ansetzen, in der das Unternehmen dem Neu-Kunden diese Bestätigung auch gibt.
Diese Bestätigung kann auf vielfältige Art und Weise geschehen: schriftlich, telefonisch, elektronisch. Im Fokus stehen die Zufriedenheit und die Bestätigung und keinesfalls schon ein Folgekauf. Außerdem muss diese erste Kommunikationsmaßnahme sehr schnell nach dem Kauf, innerhalb von wenigen Tagen, erfolgen.
Daten spielen somit auch hier wieder eine zentrale Rolle. Leiten sich daraus doch unter anderem die kommunikativen Inhalte ab. Diese können nur dann zielführend sein, wenn die Qualität der Daten stimmt. Auch in späteren Phasen der Kundenbeziehung oder bei Folgekäufen braucht es immer wieder Maßnahmen, die auf die Verbundenheit des Kunden mit dem Unternehmen und damit die Emotionalität einzahlen. Eine Kennzahl, die genau diese emotionale Verbundenheit in der Kundenbindung zu messen versucht, ist der Net Promotor Score – also die Frage, ob der Kunde das Unternehmen weiterempfehlen würde. Auch hier wird deutlich: Ohne Daten von entsprechender Qualität ist alles Nichts.
Vom Einmal- zum Stammkunden
Auch für digitale Unternehmen ist es wesentlich einfacher und günstiger, ein Produkt einem bestehenden Kunden zu verkaufen als einem Neukunden – man spricht von einem Faktor fünf bis zehn. Häufig ist es auch so, dass die Gewinnung eines neuen Kunden derart teuer ist, dass der durch den Erstkauf erzielte Gewinn die Akquisitionskosten nicht deckt und schon allein deshalb Folgekäufe unabdingbar sind.
Nur durch ein systematisches Hinführen zu Zweit- und Folgekäufen und entsprechend des oben genannten mehrstufigen Kommunikationskonzepts lassen sich weitere Käufe erzielen. Im digitalen Unternehmen werden diese häufig im Voraus definierten Dialogkonzepte immer individueller auf die Situation – und vor allem den Kaufzeitpunkt sowie das Verhalten – angepasst. Während also bei der Kundenbindung eher die qualitative Verbundenheit im Zentrum steht, geht es bei der Kundenentwicklung darum, den quantitativen Kundenwert, etwa Deckungsbeitrag pro Kunde, durch Folge- und Zusatzkäufe zu erhöhen.
Darüber hinaus sollten Unternehmen durch den kontinuierlichen Dialog etwa via Newsletter oder Veranstaltungen feststellen, wenn neue Bedürfnisse auftauchen, so dass sie entsprechende Angebote unterbreiten können und der Kunde nicht etwa zu einem anderen Anbieter wechselt.
Von der Kundenrückgewinnung zur Abwanderungsverhinderung
Auch das erfolgreichste Unternehmen verliert Kunden und sei dies nur durch Umzug, Geschäftsaufgabe oder Strategiewechsel. Die Schwierigkeit besteht häufig darin, überhaupt festzustellen, dass ein Kunde untreu geworden ist. Denn in den meisten Fällen erfolgt keine Kündigung seitens des Kunden – er kauft einfach nicht mehr weiter ein.
Abhilfe schaffen hier Kauf- und Verhaltensdaten sowie permanente Analysen – auch und vor allem aus historischen Daten, die auf Abweichungen und Unregelmäßigkeiten im Kaufverhalten hinweisen, um dann gezielt entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Die vier Grundprinzipien des Kundenmanagements im digitalen Unternehmen
Vor diesem Hintergrund braucht es im Zuge der Digitalisierung nun verschiedene Anpassungen in einem Unternehmen. Sie basieren auf diesen vier Grundprinzipien:
Von der Loyalitäts-Pyramide zur Customer Journey
Von der Customer Journey zum Multichannel-Dialogmarketing
Vom Multichannel-Dialogmarketing zum Data-Driven-Marketing
Vom Data-Driven-Marketing zu Marketing Automation und Big Data
Von der Loyalitätspyramide zur Customer Journey
Das Grundprinzip der Loyalitätspyramide ist keineswegs neu (siehe Abbildung). Die Idee dahinter ist, dass Erst- und Folgekäufe nicht in einem Schritt erfolgen. Vielmehr geht es darum, einen potenziellen Kunden zu identifizieren, um ihn dann schrittweise nach oben zu führen. Die Herausforderung dabei besteht darin, dass der Kontakt nie abbricht – außer der potenzielle Kunde will dies. Wichtig ist auch, je nach Stufe das richtige Kommunikationsmittel zu finden. Anders dargestellt ergibt sich so die sogenannte Customer Journey – also die Reise des Kunden mit dem Unternehmen.
Von der Customer Journey zum Multichannel-Dialogmarketing
Im digitalen Zeitalter wird die Bedeutung des Dialogs zentral. Nur wer es versteht, einen langfristigen attraktiven Dialog anzubieten, wird entsprechendes Interesse auslösen und den potenziellen Kunden in der Pyramide schrittweise nach oben bewegen. Damit ändert sich die Marktbearbeitung grundlegend: vom Push- zum Pullprinzip, vom Outbound zum Inbound. Dies zeigt sich deutlich im Begriff CMR – Customer Managed Relationship. Zusammenfassend geht es nicht nur darum, die Customer Journey an sich festzulegen und optimal auszugestalten, sondern es sollte möglichst immer versucht werden, eine Reaktion beim potenziellen Kunden auszulösen, die festzuhalten ist und die die nächste Folgeaktion auslöst.
Vom Multichannel-Dialogmarketing zum Data-Driven-Marketing
Dialog heißt ja bekanntlich Zwiegespräch zwischen Sender und Empfänger. In diesem Hin und Her fließen Daten und Informationen. Diese sind systematisch zu erfassen und auszuwerten, die Kunden-Stammdaten um Interaktions- und Transaktionsdaten (Bewegungsdaten) zu ergänzen. Somit wird ständig neues Wissen generiert, das es Marketingverantwortlichen erlaubt, die nächste Folgeaktion noch gezielter und individueller zu gestalten.
Eine wichtige Konsequenz aus dem Prinzip des geschlossenen Datenkreislaufes ist, dass die im entsprechenden Touchpoint generierten Daten wieder in das Unternehmen zurückfließen – und zwar möglichst automatisiert, schnell und fehlerfrei. Nur so können, sogar teilweise in Echtzeit, neue Erkenntnisse gewonnen und entsprechende Maßnahmen abgeleitet werden.
Vom Data Marketing zu Marketing Automation und Big Data
Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass einerseits die Datenmengen, aber auch die Komplexität enorm steigen. Deshalb drängt sich der Einsatz moderner IT-Technologien auf – unabhängig von Unternehmensgröße und Branche. Das Hauptziel besteht darin, datenseitig sämtliche Kundeninformationen in einer Datenbank zusammenzuführen. Denn nur wenn die sogenannte Kundengesamtsicht gewährleistet ist, lassen sich obige Grundziele im Kundendatenmanagement erreichen. Aber auch funktionsseitig braucht es IT-Unterstützung, da sonst die Komplexität kaum mehr zu meistern ist.
Anforderungen an das Marketing
Vor diesem Hintergrund lassen sich die neuen Anforderungen ableiten, die ein Marketer und sein Team im digitalen Unternehmen erfüllen müssen:
Verständnis in Sachen Kundenlebenszyklus und der damit verbundenen Ziele.
Know-how hinsichtlich Loyalitätspyramide, Customer Journey und Content beziehungsweise Pull-Marketing.
Entwicklung von Offline- und Online-Dialogkompetenz in Richtung Multichannel-Dialogmarketing.
Offenheit und Kompetenz in Sachen Marketingautomatisierung.
Erweitertes IT-orientiertes Verständnis, da Marketers in ihrer fachorientierten Rolle heute in viel größerem Umfang die Speerspitze bilden müssen. Etwa wenn es um die Recherche, Auswahl und Einführung geeigneter technischer Lösungen geht, wie zum Beispiel für das Kundenstammdatenmanagement, Marketing-Automation oder Big Data.
Last but noch least – ein erweitertes Verständnis für Daten und Datenqualität: Nur wer als Marketer versteht, welche Bedeutung Daten haben, welches Potenzial in ihnen verborgen ist und welche Rolle Datenqualität in diesem Zusammenhang spielt, wird sich diesen Wissensschatz erschließen können.
Lesetipp: Wie selbstlernende Maschinen die Kundenansprache personalisieren