Daimler-CIO Michael Gorriz liegt der "Future Workplace" am Herzen – auch aus eigenem Interesse. So kann er am frühen Morgen noch im Hotel in Detroit an seinem Tablet-Rechner eine Videokonferenz mit Kollegen in Stuttgart abhalten, E-Mails lesen und sich auf die Tagestermine vorbereiten. Das funktioniere jedoch nur, wenn die Arbeitsplätze mobil und weitgehend geräteunabhängig sind, argumentiert Gorriz: "Wir bereiten die Organisation darauf vor, dass alle Daimler-Mitarbeiter und externen Partner weltweit und jederzeit flexibel kommunizieren und arbeiten können."
200.000 Daimler-Mitarbeiter haben ein digitales Gerät
Mit der seit 2011 laufenden Initiative "DigitalLife@Daimler" entwickelt der Konzern Lösungen für die Frage, wie das digitale Leben die Arbeit bei Mitarbeitern, Kunden, Produkten und neuen Geschäftsfeldern beeinflusst. In diesen Bereichen spielt die Vernetzung eine tragende Rolle – mit den Kunden, zwischen den Fahrzeugen sowie bei den eigenen Mobilitätsdiensten Car2Go oder Moovel. Und natürlich zwischen den über 200.000 Daimler-Mitarbeitern mit einem digitalen Gerät. "Alle Dienste, die unsere Mitarbeiter zur Vernetzung brauchen, stellen wir darüber hinaus nicht mehr nur auf firmeneigenen Devices zur Verfügung, sondern auch auf privaten Geräten", erläutert Gorriz seine Strategie. Bring Your Own Device (BYOD), erst gehypt, dann belächelt, erlebt bei Daimler einen Durchbruch.
Alte Richtlinien zu Sicherheit und Compliance nicht mehr relevant
In einem ersten Schritt wurden die bestehenden Richtlinien des Unternehmens etwa zur Sicherheit und Compliance geprüft. Hier waren die Widerstände in der Organisation gegenüber Veränderungen relativ groß, und es wurden erst einmal Change-Prozesse in Gang gesetzt, um die neue Situation und die Auswirkungen zu analysieren. "Allen Beteiligten musste erst einmal klar vor Augen geführt werden, dass viele Entscheidungen, die einst berechtigterweise getroffen wurden, heute nicht mehr wirklich relevant sind." Der "Vertrauensvorschuss" sei von den Mitarbeitern sehr gut angenommen worden, erinnert sich der CIO. Ermöglicht wurden etwa der freie Zugriff aufs Internet am Arbeitsplatz sowie die Speicherung privater Daten auf Firmengeräten. "Alles andere ist auch nicht mehr zeitgemäß", sagt Gorriz.
Wechsel von iPad zu Windows 8
Bei den Mobilgeräten hat sich Daimler zuerst auf Smartphones fokussiert. Hier kann ein Mitarbeiter inzwischen wählen, ob er ein eigenes oder ein gestelltes Gerät verwenden möchte. "Wir setzen heute offiziell auf Blackberry und Windows Phone, doch mit einer App können Mitarbeiter auch von anderen Geräten auf unsere Anwendungen zuzugreifen." Aufseiten der Tablets vollzieht Daimler dieses Jahr einen Wechsel von der ersten Plattform (iPad) hin zu Windows 8. "Dann bieten wir den kompletten Software-Stack für unsere Büroumgebung, sodass Tablets als direkter Ersatz für die aktuelle Kombination PC / Tablet dienen."
Lync-Videokonferenzen und Collaboration-Sessions
Die Tools werden intensiv genutzt: Jeden Tag finden 500 Videokonferenzen über Lync statt, die Zahl der Collaboration-Sessions liegt bei 4000, sagt Gorriz und freut sich über die Nachfrage: "Wenn man davon ausgeht, dass Menschen zu den Werkzeugen greifen, die ihre Arbeit am einfachsten machen, haben wir nicht nur zeitgemäße Arbeitsplätze eingeführt, sondern auch Fortschritte in der Produktivität gemacht."
Interne Social-Media-Plattform "Daimler Connect" startet
Im Sommer wird die interne Social-Media-Plattform "Daimler Connect" – das "interne Facebook" – mit einem Big Bang eröffnet, sodass die Vernetzung überall und mit jedem Gerät möglich ist. Das konzerninterne Wissen soll frei fließen und verfügbar sein, was sich Gorriz zufolge auf das Führungsverhalten auswirkt: "Wer Wissen als Machtfaktor betrachtet, wird sich umstellen müssen." Neue Querverbindungen untergraben traditionelle Hierarchien. "Schon heute kann mich jeder Mitarbeiter einfach ohne Beschränkungen anchatten."
Die maximale Befreiung für die IT-Abteilung
Allerdings zeigt die Vision auch einen eindeutigen Verlierer: den vom Unternehmen gestellten Arbeitsplatzrechner. "In letzter Konsequenz kommen alle Mitarbeiter eines Tages mit dem Gerät, das sie privat verwenden, und der komplette Arbeitsplatz ist in der Cloud verfügbar." Weitet sich die mobile Erreichbarkeit wie in den vergangenen Jahren aus, sollten bis 2020 keine Daimler-Desktops mehr benötigt werden, weil jeder Mitarbeiter ein eigenes Zugriffsgerät hat. "Sollte das tatsächlich so eintreten", hofft Gorriz, "wäre es die maximale Befreiung für uns als IT-Abteilung."