CW: Das Topthema der CeBIT 2015 lautet „d!conomy“. Abgesehen davon, dass sich das fast nicht aussprechen lässt: Was haben Sie sich dabei gedacht?
Oliver Frese: d!conomy ist ein Kompositum aus digital und economy. Das Ausrufezeichen verdeutlicht den auffordernden Charakter von „digital“. Für den Betrachter lassen sich zudem aus dieser Schreibweise die positiven Chancen der fortschreitenden Digitalisierung ableiten. Gleichzeitig kann man es als eine spielerische Variante eines auf den Kopf gestellten „i“ ansehen.
Damit wird auch die Assoziation des Disruptiven geweckt – und wir erkennen ja in vielerlei Hinsicht die disruptive Kraft der Digitalisierung. Denken Sie beispielsweise nur an den Streit zwischen dem Taxigewerbe und dem neuen Unternehmen Uber. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass derlei Komposita medial viel Aufmerksamkeit erzeugen. Es war auch ein Wunsch unserer Austeller. Wir haben das sehr intensiv diskutiert mit unseren Ausstellern und Partnern im Messeausschuss.
CW: Die Digitalisierung, die in alle Lebensbereiche dringt, auf einer Messe abzubilden, ist nicht ganz leicht. Wie will die CeBIT2015 das in dieser umfassenden Weise realisieren?
Oliver Frese: Das Topthema fasst ja zusammen, was unsere Aussteller präsentieren wollen. Zudem spiegelt es wider, was wir auf den Konferenzen – also insbesondere der CeBIT Global Conferences – diskutieren werden. Das Topthema wird den roten Faden darstellen, der sich durch die gesamte Veranstaltung zieht. Bei d!conomy geht es dabei um drei Themenfelder: Zum einen verändern IT und Digitalisierung bestehende Geschäftsmodelle.
Zum zweiten entstehen durch IT und Digitalisierung ganz neue Geschäftsmodelle. Und drittens sorgen IT und Digitalisierung dafür, dass ganze Branchen umgewälzt werden. All das zeigen die Aussteller auf der CeBIT 2015.
CeBIT Scale 11
CW: Ohne Zweifel wird sich die Geschäftswelt und wird sich das Leben durch technische Entwicklungen in der IT dramatisch verändern. Dieser Prozess hat bereits begonnen und wird sich beschleunigt fortsetzen. Aber werden die bekannten Hersteller und Aussteller mit ihren herkömmlichen Exponaten diese Umwälzung schon adäquat darstellen können? Wie will die CeBIT 2015 die bereits angelaufene Transformation in Szene setzen?
Oliver Frese: Das wird flächendeckend an vielen Orten auf dem Messegelände spürbar werden. Zum Beispiel in der Halle 9 im Bereich Research & Innovation – der weltweit größten IT-Forschungsveranstaltung. Dort werden Forschungsinstitute und Universitäten einen Blick aus den Labors in die digitale Zukunft werfen. In Halle 11 präsentieren wir zudem erstmals „CeBIT Scale 11“. Dort wird sich das gesamte Öko-System der Startups, App-Entwickler, junge, innovative Unternehmen, Acceleratoren und Wagniskapitalgeber auf einem Marktplatz präsentieren.
Diesen gestalten wir im engen Schulterschluss mit unserem internationalen Startup-Wettbewerb CODE_n, der wieder in Halle 16 seinen Wettbewerb veranstalten wird. Mit „CeBIT Scale 11“ zeigen wir zusätzliche, junge Entrepreneure, die vielfach auch das Disruptive der Transformation charakterisieren. Das wird die junge CeBIT stärken. Übrigens war die CeBIT ja schon immer Plattform auch für die disruptiven Themen. Nur zur Erinnerung: Vor drei Jahren hat myTaxi den ersten CODE_n-Wettbewerb gewonnen. 2011 zeigte IBM „Watson“, der heute eingeführt ist, der aber Avantgarde-Technik repräsentiert – und das von einer etablierten Firma.
Oder: Heute redet jeder von Dropbox. Wir hatten dessen Gründer schon vor zwei Jahren bei den Global Conferences. Die CeBIT war also schon in der Vergangenheit die Plattform für gänzlich neue Geschäftsideen – und sie wird es auch 2015 wieder sein.
CW: Scale 11 – Das hört sich an wie eine Konkurrenzveranstaltung zu CODE_n und deren Veranstaltung CODE_n Connect.
Oliver Frese: Ganz im Gegenteil, wir machen das gemeinsam. GFT ist unser Partner. Wir sind rein aus architektonischen Gründen nicht zusammen in einer Halle. Die Halle 16 ist einfach optimal für das, was CODE_n präsentieren wird. Wir haben auch am 31. Juli 2014 eine gemeinsame Pressekonferenz veranstaltet, um „CebIT Scale 11“ aus der Taufe zu heben und um CODE_n 2015 vorzustellen. Wir planen auf der CeBIT im kommenden Jahr gemeinsame Events zu veranstalten.
Zudem ist CODE_n ja ein Wettbewerb, bei dem sich 50 Start-ups präsentieren könnnen. Es gibt aber viel mehr Bewerber. Und denen wollen wir auf der CeBIT auch eine Heimat geben. Denn diese powervollen jungen Unternehmer haben eine Menge zu zeigen. Das kann via „CeBIT Scale 11“ geschehen. Die jungen Unternehmer bekommen von uns ein attraktives Angebot, sich in Halle 11 zu präsentieren.
Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels
CW: Die Digitalisierung der Geschäfts- und Lebenswelt ist umfassend. Verzettelt sich die CeBIT da nicht, wenn sie all die Auswirkungen auf die Automobil-, die Energie-, die Logistik- etc.-Branche oder etwa auf das Gesundheitswesen, wenn sie all das darstellen und erklären will?
Oliver Frese: Dafür gibt es zum einen natürlich das Konferenzprogramm der CeBIT Global Conferences. Dort werden die Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels diskutiert. Aber auch unsere Aussteller werden an ihren Ständen mit ihren Lösungen und Produkten diese Veränderungen darstellen. Microsoft hat das beispielsweise in diesem Jahr, als das Topthema Datability lautete, mit ihrem Stand unter Beweis gestellt. Und das werden die Aussteller im kommenden Jahr mit dem d!conomy auch tun.
Wir haben aber auch drittens mit dem Ausstellungsbereich „IT enables“ in Halle 12 eine Anwendungsplattform geschaffen, auf der mit konkreten Show-Cases gezeigt wird, was die IT schon heute in ganz unterschiedlichen Branchen zu leisten in der Lage ist. Beispielsweise zeigten in diesem Jahr Claas und Deutsche Telekom, wie die IT die Prozesse in der Landwirtschaft optimiert. Diese Plattform werden wir im kommenden Jahr in Halle 12 weiter ausbauen und noch mehr unterschiedliche Branchenlösungen präsentieren.
CW: In Ihrer Presseerklärung schreiben Sie, dass die Bundesregierung mit der Vorlage ihrer digitalen Agenda das Thema der Digitalisierung auf die politische Tagesordnung gebracht hat. Nun ist aber genau diese digitale Agenda in den Medien stark kritisiert worden. Sie zeige, um ihren Begriff zu benutzen, eben genau nicht das disruptive Denken, das heute nötig ist. Was sagen Sie dazu?
Oliver Frese: In der Tat hat es eine umfassende Diskussion um die digitale Agenda gegeben. Das war aber auch nicht anders zu erwarten. Ganz wichtig ist aber doch zunächst einmal, dass die Politik damit einen Gestaltungsanspruch formuliert. Die Politik muss sich nämlich an den veränderten Rahmenbedingungen ausrichten und sich sukzessive verändern. Die CeBIT ist hierfür die geeignete Plattform für die notwendigen Diskussionen zwischen Wirtschaft und Politik.
CW: Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor zwei Jahren in ihrer Eröffnungsrede für die CeBIT etwas launig bemerkt, man könne doch eigentlich die Hannover Messe und die CeBIT wieder zusammenlegen. Wenn man die fortschreitende Digitalisierung aller Bereiche und Industrien betrachtet, gewinnt diese Vorstellung möglicherweise eine gewisse Aktualität?
Oliver Frese: Ich verstehe diese Diskussion nicht, denn wer genauer hinschaut, erkennt sehr schnell, dass diese beiden Weltleitmessen völlig unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Die Hannover Messe richtet sich an den Produktionsverantwortlichen, der – einfach gesprochen - in einer Werkhalle seine Fertigungslinie optimieren will. Der findet auf der Hannover Messe alles, was er dazu benötigt. Die CeBIT präsentiert die großen Themen Big Data, Cloud, Mobil, Social und Security.
Sie spricht neben den IT-Professionals aus den Unternehmen auch die Kreativwirtschaft an, ebenso die Finanzexperten, die Personaler, die Einkäufer, die Business-Entwickler und weitere Querschnittsbereiche in den Unternehmen. Denn IT und Digitalisierung prägen heute alle Bereiche eines Unternehmens – und Studien zeigen, je höher der Digitalisierungsgrad eines Unternehmens ist, desto erfolgreicher ist es am Markt. Abgesehen vom völlig unterschiedlichen Konzept der Veranstaltungen, beide Weltleitmessen würden nicht auf das Messegelände passen – und wir haben ja schon das größte der Welt. Es käme ja auch niemand auf die Idee, die Bild-Zeitung und die Welt, die beide aus dem Hause Spinger stammen, zusammenzulegen, nur weil es Zeitungen sind.
Erwartungen an das Partnerland China
CW: Das Partnerland ist China. Wer wird da kommen? Der Ministerpräsident Li Keqiang? Was erwarten Sie sich vom Partnerland China? Mehr ausländische Besucher? Mehr Exponate, die über Leiterplatten etc. hinausgehen?
Oliver Frese: Bundeskanzlerin Merkel hat bei ihrem jüngsten Besuch in China ihren Amtskollegen Li Keqiang eingeladen, sie auf der CeBIT bei der Eröffnung und beim Rundgang zu begleiten. Es wird einen deutsch-chinesischen Summit geben. Wir erwarten, dass also nicht nur der Regierungschef kommt, sondern auch der chinesische Wirtschafts- und Handelsminister und weitere Regierungsmitglieder. Es ist aktuell noch vieles in Bewegung, aber wir gehen davon aus, dass der Regierungschef – wie das alle Jahre zuvor auch der Fall war – unsere Bundeskanzlerin begleiten wird.
Was meine Erwartungen an das Partnerland China betrifft: Da gehe ich davon aus, dass sich China als starke IT-Nation und als Lösungsanbieter präsentiert. Also nicht nur als Hardwarehersteller, sondern auch als Anbieter von international konkurrenzfähigen Softwarelösungen und Geschäftsideen. Selbstverständlich erwarte ich auch mehr Besucher und mehr Aussteller aus China. Ich habe da schon 2012 auf der Hannover Messe, die ich damals verantwortet habe, sehr gute Erfahrungen mit dem Partnerland China gemacht.
Ich erwarte starke internationale Marken auf der CeBIT wie etwa Huawei und LTE, die ihre Ausstellungsfläche den positiven Anforderungen anpassen werden. Wir haben die Zusage, dass Alibaba auf die Messe kommen wird. China wird einen starken Zentralstand haben, aber auch eine ganze Reihe von Gemeinschaftsständen und Pavillons in den jeweiligen Cluster-Themen der CeBIT.