Warteschlangen vor den Supermärkten, leere Modehäuser in den Innenstädten: Der Handel in Deutschland warnt vor dramatischen Folgen der von Bund und Ländern beschlossenen Verschärfung und Verlängerung des Teil-Lockdowns.
"Der große Verlierer sind viele Innenstadt-Händler, denen unter den Corona-Bedingungen die Kunden und die Umsätze wegbrechen", klagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, am Donnerstag, den 26. November 2020. Stattdessen werde mehr im Internet eingekauft werden. Edeka-Chef Markus Mosa warnte, der Lebensmittelhandel könne unter diesen Vorgaben "die hohe Nachfrage gerade im Weihnachtsgeschäft nicht bedienen".
Bund und Länder hatten am Mittwochabend beschlossen, dass der Teil-Lockdown mit der Schließung unter anderem von Restaurants, Theatern, Fitnessstudios und Freizeiteinrichtungen bis zum 20. Dezember verlängert wird. Gleichzeitig wurde eine Verschärfung der Vorschriften für den Einzelhandel beschlossen. Dies führt dazu, dass in Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern - also auch in praktisch allen Supermärkten - weniger Kunden gleichzeitig einkaufen dürfen als bisher.
Der Handelsverband erwartet nun, dass ausgerechnet im wichtigen Weihnachtsgeschäft weitere Umsätze ins Internet abwandern - zu Lasten der Mode- und Schuhhäuser, Parfümerien, Uhren-, Schmuck- und Spielwarengeschäfte in den Innenstädten. "Die Verbraucher werden auch in Corona-Zeiten zu Weihnachten Geschenke kaufen. Unter den Bedingungen des Teil-Lockdowns erledigen sie ihre Einkäufe in vielen Branchen aber voraussichtlich oft lieber online", sagte Genth.
Schon in den ersten drei Wochen des Teil-Lockdowns seien die Umsätze im Innenstadthandel um durchschnittlich 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen. Im Bekleidungshandel liege das Minus sogar bei 40 Prozent, sagte er. Durch die Verlängerung des Teil-Lockdowns würden nun voraussichtlich weitere zwei Milliarden Euro auf den Konten der Online-Händler landen, statt in den Kassen der Innenstadthändler.
Genth pochte angesichts der Auswirkungen der Beschlüsse von Bund und Ländern auf den Innenstadthandel auf staatliche Hilfen für die Betroffenen. "Viele Innenstadthändler stehen vor der Insolvenz. Jetzt bricht auch noch das normalerweise umsatzstarke Weihnachtsgeschäft weg. Das ist ohne staatliche Unterstützung nicht zu schaffen."
Während die Innenstadthändler mit der Kundenflaute kämpfen, befürchten die großen Lebensmittelhändler genau das Gegenteil. Lange Schlangen vor Läden und Probleme, die riesige Nachfrage vor den Festtagen angesichts der staatlich verordneten Zugangsbeschränkungen zu bewältigen.
Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka übte scharfe Kritik. "Wir halten die Begrenzung der Kundenzahl ab 800 Quadratmetern Verkaufsfläche für kontraproduktiv und nicht nachvollziehbar", sagte Edeka-Chef Markus Mosa. Die hohe Nachfrage gerade im Weihnachtsgeschäft lasse sich so nicht bedienen.
Der Hinweis der Politik, dass die Verbraucher ihre Einkaufe auf die Wochentage verteilen sollten, sei auch nicht hilfreich, denn das täten die Kunden bereits seit dem ersten Lockdown, meinte Mosa. "Auch bei einer weiteren Verteilung der Kundenströme könnten wir die hohe Nachfrage gerade im Weihnachtsgeschäft nicht bedienen."
Zudem verzerre der Beschluss den Wettbewerb, klagte der Edeka-Chef. Supermärkte mit Bedientheken und einer dadurch höheren Verweildauer der Kunden seien extrem benachteiligt im Vergleich zu Konkurrenten, die nur auf Selbstbedienung setzten. "Das wird einen weiteren Schub geben in Richtung SB-Formate mit ausschließlich preisorientierten Angeboten", prognostizierte der Händler.
Auch HDE-Chef Genth hatte zuvor vor Warteschlangen gewarnt und betont. "Das schafft neue Gelegenheiten für Ansteckungen." Außerdem könne schon der Anblick der Wartenden den Konsumenten das Gefühl vermitteln, die Waren könnten knapp werden und damit zu neuen Hamsterkäufen im Lebensmittelhandel führen. (dpa/rw)