Rolle der Partner: Broker, Betreiber, Architekten
Petra-Maria Grohs ist zuversichtlich, dass sich IT Systemhäuser und IT Dienstleister mit Cloud Diensten ein komplett neues Geschäft aufbauen können: "Sie können Managed Services für Infrastrukturleistungen anbieten, das Netzwerk- und Systemmanagement für ihre Kunden übernehmen oder Softwarelösungen aus der Cloud vertreiben."
Eine wichtige Funktion werden Systemhäuser außerdem bei Dienstleistungen rund um IT-Transformation, Applications Migration & Implementation sowie Cloud Readyness übernehmen, betont Donald Badoux: "Diese Systemhäuser werden ihrerseits wiederum oft mit verschiedenen Herstellern und Service-Providern zusammenarbeiten und deren Kompetenzen koordinieren, um die komplexen IT-Projekte ihrer Kunden zu bewältigen. Man könnte im Grunde von dem modernen IT-Systemhaus als "Service Broker" sprechen."
Für Joachim Opper ist klar, dass jene Systemhäuser gewinnen werden, die die Cloud als Managed-Services-Angebot für ihre Kunden verstehen und alles technisch und juristisch Nötige dafür tun, dass der Mittelstand Vertrauen in den Schutz seiner Daten in der Cloud und der entsprechenden Systemumgebung hat. "Wir sind dabei, in eine Phase der Goldgräberstimmung einzutreten. Gefährlich kann es für Systemhäuser werden, die sich nicht servicefokussiert positionieren."
Diesen Eindruck bestätigt Cancom-Vorstand Klaus Weinmann. Für Cancom zahle sich die konsequente Weiterentwicklung des Unternehmens vom Handelshaus zum Lösungspartner und Private-Cloud-Spezialisten bereits heute aus: "Wir sind dadurch in der Lage, dem knallharten Wettbewerb im Hardwarehandel auszuweichen und unseren Kunden effizienzsteigernde und zukunftssichere Komplettlösungen anzubieten"
Lizenzmodelle hinken hinterher
Beim Lizenz- und Channel-Modell der Hersteller - insbesondere der Softwarehersteller - sehen Partner allerdings noch großen Verbesserungsbedarf, um Cloud-Angebote für Anwenderunternehmen und Vertriebspartner tatsächlich attraktiv zu machen.
"Ein riesiges Problem gibt es bei der Lizenzierung von Software großer Hersteller, ganz extrem von Microsoft und Oracle, wenn die Software nicht in der eigenen Cloud oder der eigenen Virtualisierungslösung läuft", beklagt sich Thomas Wittbecker. "Da ist die Lizenzierung häufig sehr undurchschaubar oder sehr viel teurer als im klassischen Einsatz."
Zudem könnten viele Softwareanbieter auch einige technische Voraussetzungen für SaaS nicht erfüllen, beispielsweise die hohen Anforderungen für Mandantentauglichkeit (Multi Tenant).
Bedarf sehen die Experten zudem bei den Schulungsprogrammen sowie bei Service und Support. "Die Softwareprodukte für große Cloud-Architekturen sind zum Teil sehr komplex", sagt Joachim Opper. "Diese Komplexität bekommen wir nur mit gut geschulten Mitarbeitern in den Griff."
Und für Petra-Maria Grohs ist klar: "Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, sich strategisch auf das Thema Cloud Computing einzulassen und sich selbstbewusst die enormen Potenziale dieses neuen IT-Paradigmas zu erschließen. Die Beratungs- und Servicekompetenz des deutschen Channels ist durch nichts zu ersetzen."
Adacor-Chef Thomas Wittbecker sieht das allerdings etwas kritischer. Die Gefahr, dass Hersteller den Channel umgehen und das Cloud-Geschäft direkt machen könnten, ist seines Erachtens nicht gebannt. Deshalb werde es für Systemhäuser entscheidend sein, eigene Lösungen auf Basis von Cloud-Infrastrukturen anzubieten.
Wie Systemhäuser gegen AWS, Azure & Co. Bestehen können
Analysten von Experton zufolge erobert Cloud Computing die Unternehmens-IT. Das führe aber auch zu einer veränderten Wettbewerbslandschaft, in der die großen Player wie Amazon AWS, Microsoft Azure und Google Cloud Platform ihre Skalenvorteile ausspielen. Wird das Cloud-Business hierzulande also in fünf Jahren beherrscht von wenigen großen Anbietern wie Amazon? Welche Chancen haben die Cloud-Angebote mittelständischer Systemhäuser und Kooperationen?
Adacor-Chef Thomas Wittbecker ist hier nicht bange: "Im Moment wird der Standort Deutschland sehr stark aufgewertet. Damit steigen die Chancen für lokale Cloudanbieter enorm. Außerdem darf man die Skaleneffekte nicht überbewerten, wir sind auch bei einem Preisniveau von Amazon AWS bei gleicher Leistung hochprofitabel. Darüber hinaus erbringen wir Dienstleistungen, die weit über Infrastructure as a Service (IaaS) hinausgehen. "
Hinzu kommt, dass In Deutschland und Europa werden die IaaS (und teilweise PaaS) Angebote der großen Player weiter kritisch betrachtet werden, weil sie sogar mit ihren Standorten hierzulande amerikanischem Recht unterliegen, wie Petra-Maria Grohs anmerkt. "Ab einer gewissen Größenordnung werden die vermeintlichen Skalenvorteile der großen Anbieter außerdem von Komplexitäts- und Legacy-Problemen aufgefressen. IaaS ist kein Markt, in dem Größe per se einen Vorteil bietet."
Der Ansatz rein standardisierter Anwendungen könne die individuellen IT-Anforderungen des deutschen Mittelstandes nicht erfüllen, ist sich Dr. Clemens Plieth sicher. "Die Marktaussichten für deutsche Cloud Computing-Anbieter sind unserer Ansicht deshalb nach hervorragend". Und
Joachim Opper geht sogar noch einen Schritt weiter: "Hierzulande werden die großen Anbieter verlieren. Lokale Anbieter oder länderspezifische Lösungen werden die Gewinner sein. Der Kunde will wissen wo seine Daten liegen und was damit geschieht."
Donald Badoux, Managing Director des Hosting-Anbieters Savvis Germany, kontert hier: "Konsolidierung ist ein fester Bestandteil reifender Märkte, und das wird auch für den Cloud.Markt gelten - genauer gesagt hat der Prozess bereits begonnen, denn es kommt immer häufiger zu Übernahmen. Für IT-Systemhäuser sehen wir ein großes Potenzial, sich auf die Rolle als Lösungsexperten und Service Broker zu spezialisieren."
Dass die Cloud den Markt zunehmend bestimmend wird, darin ist sich Dr. Clemens Plieth mit seinen Branchenkollegen einig: "Das klassische Systemhausgeschäft, also beispielsweise die Wartung von Desktop-Arbeitsplätzen, wird mit der zunehmenden Verbreitung von Cloud Computing in den Hintergrund treten. Die IT-Systemhäuser müssen also zwangsläufig umdenken und ihr Geschäftsmodell ins Cloud-Zeitalter heben." (rb)