Unter Sales-Menschen redet man über "Synergieerzeugung" und "Paradigmenwechsel", Technologie-Profis schäkern über "Next Generation"-Produktlinien, "disruptive" Entwicklungen und Innovationen, die einfach nur "cutting edge" sind. Es spielt keine Rolle, wie sehr sich ansonsten intelligente Menschen mit Buzzwords bewerfen - diese werden dadurch auch nicht sinnvoller. Und schon gar nicht sorgt die erhöhte Streuung solcher Begriffe im Unternehmensumfeld dafür, dass der digitale Wandel wie durch Zauberhand Einzug hält.
Das gilt auch für die IT-Sicherheit. Auch in dieser Branche ergeht man sich in schöner Regelmäßigkeit in Buzzword-Orgien, die sich vor dem berüchtigten BSH-Manager-Stelldichein stellenweise nicht verstecken müssen. Wenn Sie sich in diesem Umfeld bewegen, haben Sie die meisten der nun folgenden Buzzwords mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits so oft vernommen, dass sie inzwischen fast zur Normalität geworden sind. Das darf nicht sein. Deswegen plädieren wir dafür, dass die folgenden Security-Buzzwords für immer und ewig von der Bildfläche verschwinden.
"Cyber"
Cyberspace, Cybersecurity, Cyberdefense, Cybercrime, Cyberwar - "Cyber-" ist eine handliche Vorsilbe, um auf (irgendeine) Verbindung zur Onlinewelt zu referenzieren. Allerdings wurde "Cyber" inzwischen dermaßen überstrapaziert, dass das jeweils daraus resultierende Buzzword-Gebilde (beispielsweise "Cyber Analytics") jegliche Konnotationen vermissen lässt. Es gibt einfach keinen Grund, so etwas zu sagen. Oder "Cybershopping". E-Commerce oder Onlinehandel beschreiben das Thema bereits mit ausreichender Schärfe und sind darüber hinaus bereits geläufige Begriffe.
Ursprünglich war "Cyber-" übrigens einmal ein nützliches Präfix: Als es darum ging, damit gedankliche Konzepte zu umschreiben, die sich um die schwindenden Grenzen zwischen Technologie und Gesellschaft drehten. Auch "Cybersecurity" war einst ein hilfreiches Konstrukt und hat ohne Zweifel wesentlich dazu beigetragen, das allgemeine Security-Awareness-Niveau zu erhöhen. Nachdem aber inzwischen einfach alles im Bereich der IT-Sicherheit unter "Cyber"-Schirmherrschaft gestellt wird, ist es aus mit hilfreich.
Das führt nämlich dazu, dass Dinge wie ein Angriff auf kritische Infrastrukturen, eine Phishing-Attacke und Fake-News-Kampagnen in ein und denselben Topf geschmissen werden. Die totale Verwässerung von Verständnis ist angesichts der heutigen Security-Herausforderungen alles andere als hilfreich.
Es gibt unterschiedliche Probleme, die verschiedenartige Lösungen erfordern. Wenn sie alle unter dem "cyber"-Label laufen, wird es umso schwerer, den richtigen Ansatz für das Problem zu identifizieren.
"Künstliche Intelligenz"
Uns wurde eine futuristische Welt versprochen, angereichert durch smarte Roboter, die endlich alle lästigen, überflüssigen oder einfach anstrengenden Arbeiten für uns übernehmen. Die Zukunft der IT Security hängt ebenfalls an der Automation. Das bedeutet aber nicht, dass jede Sicherheitstechnologie, die Analytics und Rechenpower einsetzt, Künstlicher Intelligenz (KI) gleichkommt. In der Welt der Computerwissenschaften ist KI nämlich ziemlich präzise definiert.
Was aber gerade in der Sicherheitsbranche von Statten geht, gefährdet das gesamte Forschungsgebiet der Künstlichen Intelligenz. Nur, um alle möglichen Arten von rechnerbasierten Security-Lösungen als den letzten Schrei vermarkten zu können. Machine Learning, Deep Learning und Künstliche Intelligenz werden inzwischen weitgehend synonym gebraucht, wenn es darum geht, die Funktionsweise einer Sicherheitstechnologie zu beschreiben. Eine echt blöde Idee:
Machine Learning gewährt uns unter Anwendung verschiedener Algorithmen und Modelle Zugriff auf Daten. Zweck: Die Nutzung derselben Daten, um Modelle zu ändern, ohne sie explizit programmieren zu müssen.
Deep Learning bezieht sich auf Netzwerke, die unstrukturierte Daten auf bestimmte Muster untersuchen können oder etwas anderes lernen können, das sie zuvor nicht "wussten".
Sowohl Machine Learning als auch Deep Learning sind Unterkategorien von Künstlicher Intelligenz. Wenn man diese Begriffe zu einem willkürlichen Mix verkommen lässt, fallen die verschiedenen Auswirkungen der Technologien auf die praktische Arbeit der Security-Teams völlig unter den Tisch.
"APT"
Die Abkürzung "APT" stand einmal für "Advanced Persistent Threat". Inzwischen wird aber so gut wie jeder Hackerangriff, von dem die Verteidiger zunächst nichts mitbekommen haben, mit der Buchstabenkombi "APT" "ausgezeichnet". Der Angriff war zwar mit Sicherheit ein "threat" und vielleicht sogar "persistent", weil die Angreifer länger im Netzwerk waren. Aber "advanced" ist eher die Ausnahme als der Regelfall: Viele schlagzeilenträchtige Hacks der letzten Jahre waren alles andere als fortschrittlich und begannen mit gewöhnlichen Phishing-E-Mails oder erheblichen Mängeln bei der Passwort-Sicherheit.
"APT" ist darüber hinaus auch zur willkommenen Standard-Entschuldigung für Unternehmen verkommen, wenn es darum geht zu erklären, wie kriminelle Hacker unbemerkt ins Firmennetz eindringen konnten. Anstatt einfach offen zuzugeben, dass IT-Sicherheit eine komplexe Angelegenheit ist und in eine ehrliche Konversation über die Dinge, die sich ändern müssen, einzutreten, ducken sich manche Unternehmen einfach hinter dem mächtigen Buzzword "APT". Der "Advanced Persistent Threat" ist inzwischen ähnlich bedeutungslos geworden wie der Satz: "Wir nehmen Sicherheit ernst".
"Threat Intelligence"
Das renommierte Analystenhaus Gartner definiert "Threat Intelligence" als "evidenzbasiertes Wissen - inklusive Kontext, Mechanismen, Indikatoren, Implikationen und nachverfolgbaren Hinweisen - über eine existierende oder entstehende Gefahr für Assets, die den Betroffenen dazu befähigt, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen". Das ist ein verdammt langer Satz und dennoch lässt er eine ganze Menge von dem, was der Begriff "Threat Intelligence" beschreibt, unter den Tisch fallen. Einfach ausgedrückt ist "Threat Intelligence" das, was man erhält, wenn man Daten aus verschiedenen Quellen aggregiert, sie um relevante Informationen anreichert und das Resultat einer Analyse unterzieht.
Leider werden unter das "intelligence"-Label fälschlicherweise aber oft auch Rohdaten gepackt und Logfiles und Systeme, die Daten zu Sicherheitsvorfällen aggregieren als "Threat Intelligence" bezeichnet. Das Sammeln und die Analyse von Daten reicht hierzu allerdings nicht aus: Das Ergebnis muss auch in irgendeinen Geschäftszweck fließen, um als "intelligence" durchzugehen.
Eine wesentliche Voraussetzung für "Threat Intelligence" ist Kontext. Und der muss in einer Form geliefert werden, die zu gebrauchen ist. Das Konstrukt der "contextualized intelligence" bringt also nur eine neue leere Worthülse, aber keinerlei neue Bedeutsamkeit. Für den Bonus-Facepalm: Vergegenwärtigen Sie sich doch mal die unsäglich hohle Buzzword-Suppe die "Cyber Threat Intelligence" darstellt.