Blinder Eifer schadet nur

08.12.1999

ESCHBORN: In keiner anderen Branche gibt es so viele Kooperationen, strategische Allianzen, Fusionen und Übernahmen wie in der IT-Industrie. Aber die meisten der hochfliegenden Pläne verlaufen günstigstenfalls im Sande. Zu dieser Einschätzung kommt IT-Berater CMG Deutschland GmbH aufgrund einer umfassenden Studie.Befragt wurden über 1.520 Unternehmen, davon knapp 210 IT-Anbieter. Laut CMG haben nicht einmal zehn Prozent der IT-Anbieter nach eigenem Bekunden positive Erfahrungen mit Kooperationen gemacht. Über 40 Prozent aller geplanten Formen der Zusammenarbeit in der IT-Branche sind schon im Vorfeld gescheitert. Branchenübergreifend sind dagegen nur 14 Prozent aller Kooperationsvorhaben nicht zustande gekommen. Blickt man weiter über den Tellerrand der IT-Welt hinweg, zeigten sich immerhin 51 Prozent aller Unternehmen mit dem Verlauf der von ihnen eingegangenen Kooperationen durchweg oder zumindest teilweise zufrieden. Die hohe Mißerfolgsrate in der IT-Branche ist CMG-Geschäftsführer Bernd Lantermann zufolge um so bemerkenswerter, als unter allen kontaktierten Anbietern nicht einer war, der noch keine Kooperationserfahrungen aufzuweisen hatte.

Das Böse erwachen folgt oft nach der Hochzeit

Auch bei Mergern und Akquisitionen (M&A) hat die IT-Branche laut CMG die Nase vorn: 27 Prozent aller IT-Unternehmen haben in den letzten fünf Jahren eine andere Firma übernommen, sind eine Fusion eingegangen oder selbst geschluckt worden. Branchenübergreifend waren es indes nur 18 Prozent aller von CMG kontaktierten Unternehmen (siehe ComputerPartner 27/99, Seite 24). Wie das Consultingunternehmen herausgefunden hat, wird sich das Fusionskarussell in der IT-Branche mit ungehemmter Kraft weiterdrehen. 21 Prozent der befragten IT-Unternehmen planen in diesem Jahr, ein M&A-Projekt einzugehen weitere zwölf in den nächsten Jahren. Besonders stark äußere sich diese "Fusionsdynamik" bei mittelständischen IT-Anbietern.

Über alle Branchen hinweg nehmen sich die geplanten M&A-Projekte dagegen bescheiden aus: sechs Prozent für dieses Jahr und weitere neun für das neue Jahrtausend.

Im krassen Gegensatz zu dem Aktionismus, den die IT-Welt bei Fusionen und Übernahmen an den Tag legt, ist die Mißerfolgsquote überdurchschnittlich hoch. 67 Prozent aller IT-Anbieter, die bereits gekauft, verkauft oder fusioniert haben, blicken auf negative Erfahrungen zurück, mehr als die Hälfte sogar auf sehr schlechte. Zum Vergleich: Im branchenübergreifenden Durchschnitt lag die Erfolgsquote bei 70 Prozent. 32 Prozent aller betreffenden Unternehmen sprachen sogar von "durchweg positiven Erfahrungen".

Nach ihren Gründen für Fusionen und Übernahmen befragt, gaben 64 Prozent der IT-Unternehmen Beschleunigung des Wachstums an. Branchenübergreifend waren es nur 39 Prozent. An zweiter Stelle folgt mit 62 Prozent die Erweiterung des Produktportfolios, was sich in etwa auch mit den Angaben anderer Branchen deckt. Eine größere Kundenbasis erhoffen sich 57 Prozent der IT-Unternehmen, im Durchschnitt waren es 42 Prozent.

Pragmatische IT-Ehen

Auffällig ist, daß 55 Prozent der IT-Anbieter sich von Fusionen und Übernahmen eine größere Standortausbreitung versprechen, während dieser Punkt branchenübergreifend mit 19 Prozent eher eine untergeordnete Rolle spielt. Noch größer sind die Unterschiede beim Argument Fachkräftemangel, der laut CMG für viele IT-Unternehmen tatsächlich ein großes Wachstumshemmnis darstellt. 39 Prozent der IT-Unternehmen gaben die Versorgung mit Fachkräften als wichtigen Grund für die Übernahme oder Fusion an, branchenübergreifend waren es dagegen nur drei Prozent. Tatsächlich haben 62 Prozent der befragten IT-Anbieter die Entspannung an der Personalfront als positiven Übernahmeeffekt bezeichnet.

Da viele IT-Unternehmen bei einer Übernahme primär an Fachpersonal interessiert sind, verzichten sie oft auf eine operative Verschmelzung. Denn nur jede zweite IT-Zusammenlegung führt laut CMG zu einer kompletten oder partiellen Integration der Geschäftsprozesse. Branchenübergreifend liege die Integrationsquote mittelfristig zumindest bei 79 Prozent. Andere Ziele werden in der Computerwelt besser erreicht: 47 Prozent der IT-Anbieter gelangten nach der Fusion oder Übernahme zu einer konsequenten Abstimmung des Produkt- und Dienstleistungsportfolios, 37 Prozent immerhin zu einer teilweisen Abstimmung. Eine Steigerung der Wachtumsdynamik erreichten 55 Prozent der Unternehmen, Rentabilitätsvorteile aber nur 42 Prozent. Mehr Marktpräsenz erhofften sich 63 Prozent, erreicht haben dies aber nur 30 Prozent der IT-Firmen.

Kompetenzgerangel in den Chefetagen macht CMG als eines der Hauptprobleme nach Fusionen und Akquisitionen aus. 53 Prozent der IT-Anbieter und 61 Prozent aller Unternehmen können ein Lied davon singen. Manager und Mitarbeiter der IT-Firmen scheinen aber besser zueinander zu finden als sonst üblich ist. Denn nur neun Prozent der IT-Anbieter vermeldeten Integrationsprobleme auf Mitarbeiterebene gegenüber 28 Prozent im branchenübergreifenden Durchschnitt.

Nach Gründen befragt, warum die Ziele nicht erreicht wurden, nannten 59 Prozent der IT-Anbieter und 43 Prozent aller Unternehmen eine Fehleinschätzung der operativen Strukturen. Zu hohe Erwartungen gaben 34 Prozent der IT-Anbieter und 42 Prozent aller Unternehmen an. Daran zeigt sich CMG-Chef Lantermann zufolge, daß die IT-Welt im Vergleich zum Branchendurchschnitt realistischer an Fusionen und Übernahmen herangehe, den operativen Integrationsaufwand aber völlig unterschätze. (kh)

CMG-Chef Lantermann: "Das Management der IT-Firmen weist erheb-

liche Mängel in seiner Kooperationskultur auf."

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