Red Hat und Industrie 4.0

Big Data bei Systemhäusern

Ronald Wiltscheck widmet sich bei ChannelPartner schwerpunktmäßig den Themen Software, KI, Security und IoT. Außerdem treibt er das Event-Geschäft bei IDG voran. Er hat Physik an der Technischen Universität München studiert und am Max-Planck-Institut für Biochemie promoviert. Im Internet ist er bereits seit 1989 unterwegs.
Big Data und Industrie 4.0 eröffnen Systemintegratoren, IT-Dienstleistern, VARs und Systemhäusern neue Geschäftschancen, meint Red Hat.

Wir haben Patrick Steiner, Lead Architect Global Accounts, Germany, bei Red Hat, gefragt, inwieweit Themen wie "Industrie 4.0" und Big Data schon eine Rolle für Systemhäuser spielen.

Welches Potential birgt Big Data und Industrie 4.0 für Systemhäuser?

Patrick Steiner, Red Hat: "Bei Big Data und Industrie 4.0 geht es immer um individuelle Anwendungsszenarien"
Patrick Steiner, Red Hat: "Bei Big Data und Industrie 4.0 geht es immer um individuelle Anwendungsszenarien"
Foto: Red Hat

Patrick Steiner, Red Hat: Zunächst einmal eine kurze Skizze, wie Big Data und Industrie 4.0 zusammenpassen. Stark vereinfacht geht es darum, dass in einem Produktionsprozess eine Vielzahl von Daten anfallen; die Daten werden ermittelt und in einem Big Data-System für zeitnahe, detaillierte Analysen gespeichert. Die Auswertung kann sich auf eine einzelne Maschine oder den gesamten Prozess beziehen. In einer weiteren Sicht ist die "vertikale Integration" interessant.



Ziel dabei ist es, die Daten aus der Produktion mit denen anderer Unternehmensprozesse, etwa dem Engineering, dem Service oder dem Vertrieb, zu verbinden, um Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, beispielsweise für Qualitätsprobleme in der Fertigung, aufzuspüren und Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Für Technologielieferanten, deren Produkte in der Fertigung eingesetzt werden, stellt sich daher die Frage, wie sie diese Big-Data- und Industrie-4.0-fähig machen.

Da es bei Industrie 4.0 auch sehr stark darum geht, dass Produktionsverfahren und Prozesse im Hinblick auf Selbstoptimierung, Selbstkonfiguration und Selbstdiagnose erweitert werden, ergeben sich für Technologielieferanten und Systemintegratoren lukrative Chancen, ihre Produkte um derartige Funktionen zu erweitern.

Welche Big-Data- und Industrie-4.0-Produkte können Systemhäuser schon heute ihren Kunden anbieten?

Patrick Steiner: Bei Big Data und Industrie 4.0 geht es immer um individuelle Anwendungsszenarien, für die es bislang keine Standardlösungen gibt. Hier eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten für Systemhäuser und Systemintegratoren, die in der Linux-Welt Betriebssysteme wie Red Hat Enterprise Linux, Speichersoftware wie Red Hat Storage, Middleware, Technologien zur Datenintegration, -auswertung und -visualisierung oder auch einen verteilten und dynamischen Cache wie JBoss Data Grid für einen schnellen Datenzugriff miteinander kombinieren können. Die offenen Standards von Open-Source-Lösungen bieten Systemintegratoren hier nahezu unbegrenzte Möglichkeiten.

Mit welchen Big-Data- und Industrie-4.0-Services können Systemhäuser schon heute bei ihren Kunden punkten?

Steiner: Attraktive Geschäftschancen ergeben sich für Integratoren, wenn sie Lösungen bauen, mit denen ihre Kunden einen echten Mehrwert aus den im Fertigungsprozess anfallenden Daten erzielen können. Denkbare Anwendungsszenarien sind Lösungen zur Steigerung der Produktivität beziehungsweise Reduktion von fehlerhaften Produkten durch intelligente Überwachung und Analyse der Daten, die in der Produktion anfallen. Das Stichwort lautet hier Predictive Maintenance, zu deutsch vorausschauende Instandhaltung. Eines steht fest: Big Data und Industrie 4.0 eröffnen Systemintegratoren und VARs neue Geschäftschancen.

Welche Gefahren sind mit Big Data und Industrie 4.0 verbunden?

Steiner: Überzogene oder gar falsche Erwartungen führen immer wieder zu Enttäuschungen. Big Data und Industrie 4.0 werden in der öffentlichen Diskussion und zum Teil auch von Unternehmen aus der IT-Branche als Schlagwörter für alles Mögliche missbraucht, ähnlich wie die Service Oriented Architecture, kurz SOA, vor einigen Jahren. Wichtig ist natürlich auch das Thema physische und technische Sicherheit - denn hier geht es um sensible Fertigungsdaten.



Geraten diese in die falschen Hände, kann dem Unternehmen daraus ein enormer wirtschaftlicher und Imageschaden entstehen. Selbst wenn Industrie-4.0-Applikationen nur innerhalb der eigenen Fertigungshalle eingesetzt werden, sollten Unternehmen dazu ein explizites IT-Sicherheitskonzept definieren, umsetzen und dessen Einhaltung überwachen. Integrieren Unternehmen darüber hinaus Lieferanten in ein Industrie-4.0-Anwendungsszenarium, werden die Sicherheitsanforderungen noch deutlich komplexer.

Wie können Fachhändler und Systemhäuser Befürchtungen hinsichtlich der Gefahren von Big Data und Industrie 4.0 bei ihren Kunden ausräumen?

Steiner: Systemintegratoren und VARs können bei Interessenten und Kunden durch eine kompetente Beratung, eine offene Diskussion der Risiken und das Aufzeigen von Vorteilen punkten. Zumindest was den Einsatz von Big-Data-Technologien in Industrie 4.0-Anwendungsszenarien angeht, befinden wir uns momentan noch in einem sehr frühen Stadium. Für die Vorreiter unter den Systemintegratoren und den Fertigungsunternehmen ergeben sich daher interessante Möglichkeiten, sich frühzeitig Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und diese dann weiter auszubauen.

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