So funktioniert Apple Pay
Nie wieder verlorene oder gebrochene EC- oder Kreditkarten, nie wieder vergessene PINs oder fehlendes Kleingeld: Wenn sich mobile Zahlungssysteme wie Apple Pay oder Googles Android Pay eines Tages durchsetzen, werden Smartphone-Nutzer nur noch das Handy mit Near Field-Communication (NFC) benötigen, um in Läden zu bezahlen. Das Marktpotential solcher Systeme ist riesig, die zu erwartenden Umsätze – selbst wenn die Anbieter nur minimale Gebühren verlangen – sind gigantisch. Und so ist es kein Wunder, dass neben Google und Apple eine Vielzahl von Anbietern mit verschiedenen mobilen Bezahlkonzepten auf den Markt strömen, um sich auch einen Teil des riesigen Kuchens zu sichern. Und auch, wenn Apple Pay derzeit noch nicht in Deutschland erhältlich ist, ist absehbar, dass Apple hier ähnlich wie einst bei der Online-Kaufmusik den bereits vorhandenen Markt kleiner Anbieter von hinten aufrollt – schließlich hat erst die Apple-Keynote Ende 2014 das Thema Mobile Payment überhaupt für eine breite Nutzergruppe in den Fokus gerückt. Mit dem nun erfolgenden Rollout in China werden auch weitere Länder wahrscheinlicher – doch wann genau Apple Pay nach Deutschland kommt, steht in den Sternen. Nichtsdestotrotz ist abzusehen, dass Apple sich mit Google den Markt aufteilen wird. Und das hat seine Gründe.
Der Stand der Dinge
Bereits vor Apple und Android Pay gab es eine ganze Reihe mobiler Bezahlsysteme, die Zahlungen allerdings in der Regel per Datenverbindung ermöglichten: Das beliebte Handyticket erlaubt in vielen Städten Deutschland das bequeme Bezahlen von Bus- und Bahntickets, ähnliche Systeme gab und gibt es allerorts auch für andere tagtägliche Kleinbeträge wie Parkuhren oder Taxis, teilweise als rein regionale oder auf eine Stadt beschränkte Lösung. Die Deutsche Post versucht sich mit PaySmart wie viele andere Anbieter an einer App, die auf QR-Codes basiert. Und natürlich sind auch der gute, alte Zahlungsanbieter Paypal, die deutschen Mobilfunkanbieter, zahlreiche Banken und Kreditkartenunternehmen oder neue, sogar NFC-unterstützte Systeme wie Cashcloud mit von der Partie: Mit einer Mobile-App für gängige Smartphone-Systeme ist es mit diesen Systemen problemlos möglich, Geld zu überweisen, auch als „virtuelles“ Bargeld von Hand zu Hand.
Der Vorteil dieser Systeme ist die geringe technische Hürde: Alles, was benötigt wird, ist ein Smartphone mit einer Datenverbindung. Ungleich höher liegt jedoch die Akzeptanzproblematik: Alle Dienste verlangen eine Anmeldung, Zahlender wie Zahlungsempfänger müssen beim Anbieter registriert sein und ein Konto oder eine Kreditkarte registriert haben. Vor der Nutzung steht also eine große psychologische Hürde: Installation der App, Registrierung eines Benutzerkontos, gegebenenfalls noch Identitätsnachweis per Post-Ident und/oder die Übergabe von Kreditkartendaten an einen Anbieter. Mangels systemübergreifendem Standard sind aktuelle Mobile Payment-Systeme damit sicherlich komfortable Alternativen zur Zahlung mit Bargeld, Kredit- oder EC-Karte – die alten Zahlungssysteme ersetzen können sie jedoch derzeit nicht, da es keine Sicherheit gibt, dass genau das System im Restaurant, Laden oder Transportdienst verwendet wird, das man selber bereits eingerichtet hat und nutzt. Ergo müssen Karten und Geld nach wie vor mitgeführt werden. Genau hier kommen deshalb Apple, Google – und in Zukunft wohl auch Microsoft, das ebenfalls ein Mobile-Payment-System angekündigt hat – ins Spiel.
Keine App, sondern ein Feature
Denn anders als alle anderen Mobile Payment-Anbieter haben Apple, Google und Microsoft einen großen strategischen Vorteil: Sie teilen sich derzeit nahezu 100 Prozent des Smartphone-Marktes auf: Mit rund 83 Prozent (Stand 2. Quartal 2015) ist Google mit Android deutlicher Marktführer auf dem Markt mobiler Betriebssysteme.
Apple folgt mit rund 14 Prozent an zweiter Stelle, Microsoft spielt mit Windows Phone derzeit mit 2,6 Prozent eine untergeordnete Rolle, mit der Installation von Windows 10 auf die Lumia-Smartphones dürfte dieser Anteil jedoch zunehmen. Andere Systeme wie Blackberry, Firefox OS oder Ubuntu Touch spielen im Grunde keine nennenswerte Rolle.
Der Vorteil aller drei Mobilsystem-Hersteller ist, dass sie auch große Teile der Hardware kontrollieren können: Entweder vollständig aus eigenem Hause, wie es etwa bei Apple der Fall ist, oder als Lizenzprodukt mit bestimmten Anforderungen an die Dritthersteller, wie Google und Microsoft es praktizieren. Gleichzeitig haben sie dadurch die Möglichkeit, neue Systeme innerhalb recht kurzer Zeit innerhalb großer Teile der Hardware-Infrastruktur zu etablieren. Damit wird Mobile Payment zum Onboard-Feature eines jeden Smartphones, statt als durch den User aus dutzenden Anbietern frei wählbare App ein Nischendasein zu fristen.
Erst dadurch werden die Payment-Systeme für die breite Masse der Nutzer überhaupt interessant. Mit der auf diese Weise auf ein Höchstmaß gesteigerten Akzeptanz – wer Smartphones von Apple, Google oder Microsoft nutzt, dürfte diesen Anbietern auch vertrauen und bereitwillig seine Zahlungsdaten hinterlegen, sofern die nicht ohnehin bereits dort hinterlegt sind – werden die Karten des mobilen Bezahlens nicht nur neu gemischt sind, sondern Apple, Google und Microsoft halten die Asse in der Hand. Durch ihre pure Marktmacht können sie zudem allen Retail- und Fastfood-Ketten wie Starbucks und Walmart, Nahverkehrsbetrieben, Taxiunternehmen und Restaurants die passenden Argumente liefern, um gerade ihren Service für diese Unternehmen schmackhaft zu machen. Dass Apple hier bereits jetzt die Nase vorn hat, zeigen die Umsatzzahlen: Bereits ein Jahr nach dem Marktstart von Apple Pay werden im Kreditkartenland USA rund ein Prozent aller Lebensmitteleinkäufe über das Apple-Bezahlsystem abgewickelt werden, Tendenz steigend.
NFC ist nicht auf Apple und Google beschränkt
Zudem basieren Googles und Apples Zahlungssysteme auf NFC, was heutzutage in jedem aktuellen Smartphone zu finden ist, genau wie in EC- und Kreditkarten-Terminals, wie sie in Geschäften und Restaurants zum Einsatz kommen. Neugeräte dieser Terminals werden bereits seit geraumer Zeit mit NFC ausgeliefert, bis 2018 sollen europaweit auch die im Bestand befindlichen Geräte nachgerüstet oder ausgetauscht werden. Theoretisch wären dann Mobile-Payments überall dort möglich, wo heute EC-Kartenzahlung oder Kreditkarten akzeptiert werden – in den USA ist das eigentlich überall der Fall und auch in Europa und dem eher fortschrittsskeptischen und barzahlungsverliebten Deutschland ist das immer mehr der Fall. Durch die einfache und preiswerte Möglichkeit der Adaptierung von NFC ist die Umsetzung der mobilen Zahlungssysteme auch für die Dienstleister zum Kinderspiel. Von daher ist anzunehmen, dass sowohl Apple Pay, als auch Android Pay – und nicht zuletzt eines Tages auch Microsoft als dritter großer Player – den Markt unter sich aufteilen werden. Andere, kleinere Systeme werden zwar nicht verschwinden, aber entweder an Bedeutung verlieren oder keine Chance mehr haben, ihren Marktanteil auszudehnen. Allerdings lässt der weltweite Rollout seitens Apple und Google trotz des erfolgten Starts im Riesen-Markt China noch auf sich warten, Microsoft hat sein System sogar erst angekündigt – und bis dahin haben andere Anbieter durchaus noch die Chance, sich ihren Marktanteil zu sichern.