channelpartner.de: Warum überlegen derzeit so viele IT-Dienstleister, sich übernehmen zu lassen?
Mike Bergmann, mibeca GmbH: Natürlich hat jeder IT-Unternehmer sein ganz persönliches Verkaufsmotiv, um sich von seinem IT-Unternehmen zu trennen. Es gibt zur Zeit ein paar auffällige dominierende Motive:Zum einen steht an vielen Stellen ein Generationenwechsel an. Zahlreiche IT-Unternehmer Mitte 50 sind oft seit 25 bis 30 Jahren aktiv und wollen nun langsam etwas kürzer treten, das berufliche Lebenswerk zu Geld machen.
Dazu gehört auch, dass die rasant voranschreitende Transformation der IT-Branche, zum Beispiel in Richtung Managed Service Provider, IT-Security Spezialist oder Cloud Provider, viel Arbeitseinsatz und Kapital verlangt. Diese Mühe wollen sich zahlreiche IT-Unternehmer nicht mehr machen.
Außerdem findet eine starke Konsolidierung der IT-Unternehmen statt. Hatte ein regionales IT-Systemhaus mit 15 Mitarbeitern vorher vielleicht vier Wettbewerber am Ort in einer ähnlichen Größe, gibt es heute oft nur noch einen großen, der zu einer Unternehmensgruppe mit 300 oder mehr Mitarbeitern gehört. Solche starken Wettbewerber erzeugen eine gewisse Angst, so dass man lieber profitabel verkauft, anstatt verdrängt zu werden.
channelpartner.de: Wie findest Du die richtigen Übernahmekandidaten unter den IT-Dienstleistern?
Mike Bergmann: Das ist für uns tatsächlich sehr einfach: Durch unsere Arbeit in der Mike Bergmann Akademie coachen wir zur Zeit 460 IT-Unternehmen aktiv. Über 5.800 IT-Unternehmer in Deutschland, Österreich und der Schweiz lesen wöchentlich unseren Newsletter, und unsere 14-tägig stattfindenden Webinare haben meist zwischen 100 und 350 Teilnehmern. Wir werden von den IT-Unternehmen als "trusted advisor" wahrgenommen und jede Woche zwei bis drei Mal aktiv angesprochen, ob wir bei einem Verkauf des Unternehmens unterstützen können.
Deshalb haben wir mittlerweile ein eigenes Coachingprogramm aufgesetzt, dass IT-Unternehmer dabei unterstützt, das eigene Unternehmen in kurzer Zeit verkaufsfähig zu machen. Und dieses "An die Hand nehmen" vermissen Verkaufsinteressierte bei anderen M&A-Beratern.
channelpartner.de: Wie findest Du die richtigen Käufer unter den IT-Dienstleistern?
Mike Bergmann: Auch hier haben wir schon eine Liste von etwa 70 aktiven Interessenten, die nach den passenden Kaufobjekten suchen. Die erfolgreichsten begleiten wir in unserem Masterclass-Coachingprogramm, wo wir deren Unternehmen gezielt zukaufsfähig machen. Diesen spielen wir dann Verkaufsinteressenten zu, was direkt und ohne eine sichtbare Unternehmensbörse auf der Website erfolgt. Auch arbeiten wir oft mit einer Landkarte aller von uns aktiv betreuten Unternehmen. So können wir schon auf einen Blick sehen, dass ein Unternehmen etwas für einen regional nahen Masterclass Teilnehmer ist. Weiterhin haben wir einige größere Investoren, die uns dauerhaft mit Suchmandaten beauftragen.
So entstanden etwa die drei Zukäufe der teccle group oder der Zukauf der medialine AG, von denen Channel Partner berichtet hatte.
channelpartner.de: Wie gestalten sich üblicherweise die Übernahmeverhandlungen?
Mike Bergmann: Als erstes stellen wir sicher, dass es eine Verkäuferseite gibt, die auch "verkaufsfähig" ist. Außerdem, dass die Käuferseite "zukaufsfähig" ist. Das erreichen wir durch unsere Coachingbegleitung und zahlreiche Vorlagen, die es beiden Seiten einfacher machen. Wenn diese Hausaufgaben gemacht sind, schauen wir uns die Käufer- beziehungsweise Verkäuferstory an, wir suchen nach einem passenden Gegenpart anhand der Suchprofile.
Und dann kommt dort schließlich noch das "People Matching", denn letztlich ist der berühmte Nasenfaktor eine der wichtigsten Einflussgrößen, ob ein Deal zustande kommt. Scherzhaft sprechen wir bei uns im Team auch vom "Unternehmens-Tinder", den letztlich matchen wir auch hier unternehmerische Zahlen/Daten/Fakten und Persönlichkeitstypen.
channelpartner.de: Was alles kann dabei schiefgehen?
Mike Bergmann: Unseren Interessenten zeigen wir dies in einem eigenen Videokurs "die größten Fehler der Käufer- und Verkäuferseite". Die häufigsten Fehler auf der Verkäuferseite sind unrealistische Preisvorstellungen, eine schlecht vorbereitete Due Diligence, ungünstige Gesprächsführung und vor allem, dass das Unternehmen überhaupt nicht überlebensfähig wäre, wenn der Chef plötzlich ausstiege. Auf der Käuferseite wiederum sind Arroganz und "Besatzermentalität", unsichere Finanzierungen und mangelnde Planung der Post Merger Integration nach der Transaktion die häufigsten Fehler.
channelpartner.de: Ihr unterstützt IT-Dienstleister bei derer Weiterentwicklung zu hochprofitabel agierenden Managed Service Provider (MSP), wie genau?
Mike Bergmann: Ich habe seit 2012 als Seminardozent Tagesseminare für IT-Unternehmer gegeben und hunderte von Beratungstagen in IT-Unternehmen zwischen fünf und 500 Mitarbeiter zugebracht. Dabei zeigte sich, dass es für die individuellen Probleme in den IT-Unternehmen einen klaren besten Fahrplan gibt, um diese aufzulösen.
Und daraus entstand 2020 unser digitalisiertes Umsetzungscoaching. Wir geben unseren Coachingteilnehmern Unterlagen und Vorlagen, zum Beispiel für Managed Service Verträge. Wir haben unterstützende Videokurse, die als genaue Schritt-für-Schritt-Anleitungen dienen. Und wir haben jede Woche bis zu fünf Zoom-Meetings, wo wir unseren Kunden einzeln oder in Gruppen ihre Fragen beantworten oder wo wir gemeinsam Lösungen ausarbeiten.
Zusätzlich bieten wir eine Online Community und eine Sparringspartnersuche zur Vernetzung der IT-Unternehmer untereinander. Und mit diesem Methodenmix unterstützen wir sehr effektiv die wichtigsten Themen wie Neukundengewinnung, Mitarbeitergewinnung, Steigerung der regelmäßigen Vertragseinnahmen, Aufbau von Prozessen und Strukturen, den Chef aus dem Tagesgeschäft herausholen und eben auf beim Kauf oder Verkauf eines IT-Unternehmens.
channelpartner.de: Wie gelingt es IT-Dienstleistern, Fach- und Führungskräfte langfristig an sich zu binden? Welche Maßnahmen müssen sie dafür ergreifen?
Mike Bergmann: Dieses Thema ist tatsächlich wichtiger denn je, zumal die Industrie immer wieder versucht, durch höhere Gehälter die IT-Fachkräfte aus den Systemhäusern zu holen. Die wichtigsten Bindungsmaßnahmen für IT-Unternehmen sind zum Beispiel die Führung der Mitarbeiter über deren eigene Ziele, die gemeinsame Entwicklung der Unternehmensvision mit dem Team, so dass jeder Mitarbeiter auch seine persönliche Perspektive sieht und das Nutzen von Benefits wie leistungsbezogene Bonussysteme oder renditestarke Betriebsrente.
Auch regelmäßige strukturierte Mitarbeitergespräche und Einkommens-/Karrierepläne schaffen Bindung ans Unternehmen genauso wie ein gutes Betriebsklima. Die passenden Werkzeuge für diese Maßnahmen geben wir unseren Kunden im Rahmen unserer Coachingprogramme.
Die von Mike Bergmann angestoßenen Akquisitionen:
Stolze Group
teccle group
Medialine