Hat Quelle einfach zu früh aufgegeben? Hätte eine Finanzspritze Neckermann über die Durstrecke hinweggeholfen? Und macht Otto gerade einen unverzeihlichen Fehler, indem der Versender seinen gedruckten Katalog abschafft? Diese Fragen drängen sich auf, wenn man hört, dass in diesen Tagen in den USA Amazon - nach Ansicht von Beobachtern der allwissende Innovationsguru im E-Commerce - erstmals in seiner Unternehmensgeschichte einen gedruckten Katalog verschickt.
Auf Anfrage des US-Fernsehsenders CNBC hat ein Amazon-Sprecher bestätigt, dass der Katalog mit dem Titel "A Holiday of Play" derzeit "an mehrere Millionen Kunden" verschickt wird. "Amazon freut sich, Kunden einen neuen Weg anzubieten, wie sie ihre Weihnachtseinkäufe erledigen können", teilte das Unternehmen dem Sender mit.
Auch wenn das lediglich 68 Seiten starke Druckwerk, dass man sich hier als PDF anschauen kann, auf den ersten Blick an die alten Kataloge der Versandhändler erinnert, gibt es doch einige Änderungen. Die sind zwar nicht revolutionär und hätten den traditionellen Versandhäusern ebenfalls einfallen können, sie tragen aber dazu bei, dass der Katalog durchaus zeitgemäß wirkt.
Was den Katalog von Amazon besonders macht
Der wesentliche Unterschied zu den Konsumbibeln der deutschen Händler ist, dass es im Amazon-Katalog keine Preise gibt. Damit vermeidet der Anbieter das Problem, dass sich die zwischen Erstellung und Druck sowie vor allem im Verlauf der Gültigkeit des Katalogs ändern können. Stattdessen wird auf Seite 3 auf die Website amazon.com/holidaytoylist verwiesen, wo sich die jeweils aktuellen Preise befinden.
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Außerdem ist neben einigen Artikeln ein QR-Code abgebildet. Darüber können Kunden den Preis direkt erfahren und weitere, ähnliche Produkte direkt kaufen. Und als Nutzer der Amazon App können Kunden auch die Bilder im Katalog scannen, um mehr zum Produkt zu erfahren, und sie direkt in den Einkaufswagen legen.
Ein weiterer Unterschied ist, dass Amazon nicht sein gesamtes Angebot ausbreitet, sondern sich ganz gezielt an Kinder richtet. Seite 2 des Katalogs enthält einen Wunschzettel. Eltern dürfen aufatmen: Dort ist lediglich Platz für zehn Positionen. Um die lieben Kleinen frühzeitig an sich zu binden, wird zudem prominent ein "Echo Dot Kids Edition" angeboten. Zum Vergleich:Quelle hatte in seinem ersten, 1928 versandten Katalog auf 92 Seiten 2500 Artikel aufgeführt. Im letzten, 2009 aufgelegten Quelle-Katalog, waren es auf 1500 Seiten mehr als 80.000 Artikel.
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Eine Idee, die auch schon die traditionellen Versandhändler hatten, aber nie mit der Konsequenz wie jetzt Amazon umgesetzt haben, ist die starke Anlehnung an bekannte Marken. Lego, Marvel, Barbie, Disney, Fisher-Price, Hasbro, Nerf, Playmobil und andere, führende Kinderzimmerausstatter werden jeweils auf ein oder mehreren Seiten präsentiert. Aber auch Technik, etwa von Bose, LG und Spiele für die PS4, darf nicht fehlen.
Das dürfte die jeweilige Marke einiges an Werbekostenzuschüssen gekostet haben. Durch den Verzicht auf Preis- und Größentabellen sowie die weitgehend in die Online-Welt ausgelagerten Produktinformationen sieht der Amazon-Katalog aufgeräumt aus und hebt die Produkte und deren Möglichkeiten in den Vordergrund.
Jetzt bleibt wohl abzuwarten, ob das Ziel des Katalogs, mehr Kunden zu Online-Weihnachtseinkäufen zu bewegen, in erwartetem Umfang erreicht wird. Die Bereitschaft der Käufer dazu ist jedenfalls da. Stimmen die Zahlen, flattern 2019 dann vielleicht auch deutschen Verbrauchern Amazon-Kataloge ins Haus. Es gilt hierzulande ja nicht nur, den Quelle-Katalog zu ersetzen...