Breite Aufgaben, kaum Überstunden

Als IT-Profi im Mittelstand

Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Mittelständische Firmen gelten als solide. Wer dort arbeitet, setzt auf Beständigkeit, geregelte Arbeitszeiten und interessante Aufgaben. Wir haben unter anderem einen CIO und einen Berater gefragt, warum sie sich für einen Mittelständler entschieden haben.

Der Mittelstand gilt als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Ingenieure und Maschinenbauer sind dort genauso gefragt wie Informatiker und IT-Experten. Manche Firmen sind zwar am Rand der großen Ballungsräume angesiedelt, doch gute Karriereperspektiven und internationale Projekte warten auch dort.

Frank Nittka, CIO des Wasserfilterherstellers Brita: ""Wir suchen keine ausgemachten Spezialisten, sondern erwarten von unseren Mitarbeitern breit gefächertes Wissen."
Frank Nittka, CIO des Wasserfilterherstellers Brita: ""Wir suchen keine ausgemachten Spezialisten, sondern erwarten von unseren Mitarbeitern breit gefächertes Wissen."
Foto: Brita

Als sich Frank Nittka vor zehn Jahren für Brita als neuen Arbeitgeber entschied, beschäftigte das Unternehmen in Taunusstein bei Wiesbaden noch deutlich weniger Mitarbeiter als heute. Die IT-Abteilung umfasste anfangs 15 IT-Spezialisten, heute arbeiten doppelt so viele dort und jedes Jahr kommen neue dazu. "Brita war damals im Umbruch. Vieles war noch relativ informell geregelt. Mir bot sich damit die Chance, eine professionelle IT sozusagen auf der grünen Wiese aufzubauen." Für den promovierten Wirtschaftsinformatiker mit einem Maschinenbau- und Betriebswirtschaftsstudium war das eine reizvolle Aufgabe und ein attraktiver Karriereschritt zugleich, heute ziert der Titel "Director Group IT" seine Visitenkarte. Brita beschäftigt weltweit rund 1.100 Mitarbeiter und erwirtschaftet 80 Prozent seines Umsatzes im internationalen Geschäftsumfeld.

Brita: Studium muss nicht sein

Wer für die IT-Abteilung des Familienunternehmen arbeiten möchte, sollte idealerweise Berufserfahrung, eine fundierte sowie breit angelegte Ausbildung mitbringen und Spaß am strukturierten Arbeiten haben. "Wir suchen keine ausgemachten Spezialisten, sondern erwarten von unseren Mitarbeitern breit gefächertes Wissen", erklärt CIO Nittka und ergänzt: "Allerdings muss es nicht unbedingt ein akademischer Hintergrund sein." Beim Wasserfilterhersteller Brita arbeiten auch viele Quereinsteiger, die mit drei bis fünf Jahren Berufserfahrung punkten. Seit zwei Jahren bildet Brita auch in den IT-Berufen aus. Dass solides Wissen gefragt ist, hat ganz praktische Gründe, denn im Team von Nittka sind nur wenige Positionen doppelt besetzt. Geht ein Kollege in Urlaub, übernimmt ein anderer dessen Aufgabengebiet.

Viele Bewerber kommen aus Wiesbaden oder der Rhein-Main-Region und möchten auch dort bleiben. "Wir sind ein bodenständiges Unternehmen. Taunusstein und Umgebung bieten gerade Familien noch bezahlbaren Wohnraum", weiß Nittka. Doch auch junge Kollegen fühlten sich wegen der Nähe zu Wiesbaden, Mainz und Frankfurt wohl. "Die Fluktuation ist gering."

Mit der internationalen Ausrichtung von Brita warten in Taunusstein auch weltweite Einsätze auf die dortigen IT-Spezialisten. "Wir sind nicht ständig im Ausland unterwegs, doch mit dem SAP-Rollout oder länderübergreifenden Infrastruktur-Themen gibt es regelmäßig internationale Projekte", erläutert CIO Nittka. Auch wenn Brita mit über 1000 Mitarbeitern zum gehobenen Mittelstand zählt, gibt es noch genügend Freiräume und Entwicklungschancen. "Hier kann ich wirklich etwas bewegen", so der CIO. "Mir gefallen die Überschaubarkeit, die flachen Hierarchien und kurzen Wege." Auch die fachliche Weiterqualifikation seiner Mitarbeiter ist ihm wichtig. "Neue Kollegen übernehmen schnell Verantwortung, denn wir stellen niemand auf Vorrat ein. Jeder Neue wird vom Team schon erwartet und schnell ins Tagesgeschäft und anspruchsvolle Projekte eingebunden."

viadee: Münster statt Dubai

Wirtschaftsinformatiker Daniel Beckmann hat sich bewusst für die mittelständische IT-Beratung viadee entschieden, da er hier in allen Bereichen Erfahrungen sammeln kann.
Wirtschaftsinformatiker Daniel Beckmann hat sich bewusst für die mittelständische IT-Beratung viadee entschieden, da er hier in allen Bereichen Erfahrungen sammeln kann.
Foto: viadee

Daniel Beckmann suchte nach seinem Master in Wirtschaftsinformatik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster einen Job in der Region. Mit seinem Abschluss wäre ihm auch der Weg zu einer internationalen Karriere offen gestanden, doch ihn zog es zu der mittelständischen IT-Beratung Viadee. "Ich habe mich ganz bewusst für den Mittelstand entschieden, denn hier kann ich in allen Bereichen arbeiten und sammle viele Erfahrungen", erzählt der 34-Jährige und fügt hinzu: "Mir gefallen der familiäre Touch und die flachen Hierarchien. Hier kennt jeder die Geschäftsführer." Viadee, das Individualsoftware für Unternehmen entwickelt, beschäftigt an den Firmensitzen in Münster und Köln rund 100 Mitarbeiter.

Inzwischen arbeitet Beckmann seit sieben Jahren für Viadee, und seine Erwartungen haben sich erfüllt. "Ansonsten hätte ich sicher gewechselt", gibt er unumwunden zu. Festgelegte Karrierepfade gibt es bei Viadee nicht, es komme auf das Engagement und die Eigeninitiative der Mitarbeiter an. "In der Regel steigt ein Berater als Entwickler ein, um sein technisches Wissen zu vertiefen", erinnert er sich. Mittelfristig möchte er sich auf die Beratung und das Projekt-Management konzentrieren.

Beckmann weiß auch zu schätzen, dass viele Kunden ebenfalls aus der Region kommen und er nicht das Nomadendasein vieler Berater teilen muss. Zu vielen Projektkunden pendelt der Berater täglich, doch es gibt auch Aufträge, für die Beckmann vor Ort arbeitet und nur den Freitag wie bei Beratern üblich im Büro in Münster verbringt. "Eigentlich gibt es keine festen Regeln. Manchmal wünscht der Kunde auch, dass wir die ganze Woche vor Ort sind." Doch Beckmann möchte weder seinen Lebensmittelpunkt Münster aufgeben noch zu viel Zeit im Zug oder Flugzeug verbringen. Deshalb reizt ihn ein Projekt in Dubai kaum. "Mir gefallen der regionale Aspekt und der Wohlfühlfaktor in der Firma."

Mittelständler strengen sich an, ihre Mitarbeiter bei Laune zu halten. Bei Viadee gibt es beispielsweise Sport- und Fitnessprogramme, die teilweise von den Mitarbeitern organisiert werden. Beckmann spielt am Feierabend Fußball und im Sommer Beach-Volleyball mit den Kollegen. Den Wirtschaftsinformatiker überzeugte im Vorstellungsgespräch auch die Aussage von Viadee, dass die 40-Stunden-Woche der Regelarbeitszeit entspricht und Überstunden eher eine Ausnahme seien. "Für meine Entscheidung war wichtig, dass die Work-Life-Balance stimmt."

Genua: Jeder sechste Mitarbeiter ist ein Azubi

Auch bei Genua in Kirchheim bei München liegt den Geschäftsführern das Wohl der Mitarbeiter am Herzen. Das auf IT-Sicherheit spezialisierte Unternehmen beschäftigt rund 183 Mitarbeiter und leistet sich eine eigene Kinderbetreuung. 35 Plätze stehen für den Nachwuchs zur Verfügung und Kinder zwischen sechs Monaten und zwölf Jahren betreuen Erzieherinnen in unterschiedlichen Gruppen. "Die Kinder spielen im Garten der Firma", erzählt Genua-Mitarbeiter Dietmar Bruhns. Zwar konkurriert das im Großraum München angesiedelte Unternehmen mit internationalen Konzernen um IT-Spezialisten, doch manche Mitarbeiter entschieden sich wegen der angebotenen Kinderbetreuung für den Mittelständler.

Das 1992 gegründete Unternehmen investiert auch in die Ausbildung. 28 der 183 Mitarbeiter absolvieren eine Lehre oder sind für einen dualen Studiengang eingeschrieben. In einer "Azubi-Firma" lernen die Jüngsten, worauf es ankommt, indem sie für gemeinnützige Unternehmen und Schulen in der Region einen kostenlosen IT-Service organisieren. Streikt der Drucker in der Grundschule, rufen die Lehrer in der Azubi-Firma an, und ein technischer Auszubildender schwingt sich aufs Fahrrad und schaut sich das Problem vor Ort an. Auch zu Computer- und Internet-Schulungen in Seniorenheimen radeln sie. "Zwar ist es für viele anfangs ungewohnt, doch sie lernen schnell, wie eine Firma funktioniert und übernehmen Verantwortung", beobachtet Bruhns.

Auf den Hund gekommen

Regelmäßige Überstunden sind auch in Kirchheim verpönt. Mittels einer Zeiterfassung lassen sich diese Stunden in freie Tage verwandeln. "Die Chefs leben das vor", sagt Bruhns. Dieses demokratische Verständnis setzte sich auch anderswo durch. Denn wenn die Geschäftsführer ihre Hunde mit ins Büro bringen, dann können wir das auch, dachten sich die Mitarbeiter. Inzwischen tummeln sich täglich um die 20 Vierbeiner auf den Fluren. Ärger, Revierkämpfe oder Bisswunden hätte es noch nicht gegeben, versichert Bruhns. "Das ist gut fürs Arbeitsklima", behauptet er.

Zusätzlich locken viele Mitarbeiter auch individuelle Arbeitszeitmodelle, die vom Home-Office über reduzierte Wochenarbeitsstunden bis zu Teilzeitmodellen reichen. Jeder soll noch genügend Zeit haben, um seinen Hobbys nachzugehen, so das Motto von Genua. "Klar stehen wir in Konkurrenz zu anderen Firmen und wir zahlen auch keine Gehälter wie Konzerne, doch die Mitarbeiter fühlen sich bei uns wohl."

Beste Arbeitgeber im Mittelstand

Im diesjährigen "Great-Place-to-Work"-Wettbewerb, der die ITK-Unternehmen mit den zufriedensten Mitarbeitern und der besten Personalarbeit auszeichnet, haben sich 40 kleine und mittelständische Unternehmen unter den Top 50 Arbeitgebern platzieren können. Unser Ranking präsentiert die 50 besten Arbeitgeber in der ITK-Branche. (am)

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