Die Digitalisierung macht vor keiner Branche Halt. Wie Geschäftsmodelle von morgen aussehen, welche Rolle die Cloud dabei spielt und was das konkret für Systemhäuser bedeutet – darüber hat die IT-Prominenz in München debattiert.
Die Skibrille, die exakt die Wartezeit am Lift anzeigt, oder Aufzüge, die selbst wissen, wann die nächste Wartung bevorsteht und diese dann auch gleich veranlassen – alles wird digital.
Wie diese digitale Transformation die Geschäftsmodelle, Prozesse und IT-Architekturen in Unternehmen künftig verändern wird – über diese und weitere Fragen diskutierte die IT-Prominenz am 5. Februar im Park Cafe München. Eingeladen hatte das IT-Research- und Beratungsunternehmen Crisp Research.
Begriffe wie "Digitalisierung von Workflows", "Internet of Things" und "Industrie 4.0" werden künftig nicht nur die IT-Industrie, sondern alle Branchen beschäftigen. Und das schon sehr bald: Thomas Stöcker, Vice President von NTT, ist sich sicher: "Es wird keine Industrie geben, die noch länger als drei bis vier Jahre von der Digitalisierung sicher ist".
Eine Entwicklung, die besonders für IT-Dienstleister interessant ist. ChannelPartner verrät, was genau hinter dem Begriff "digitale Transformation" steckt und wie Systemhäuser diesen Trend für sich nutzen können.
Was ist die digitale Transformation?
Durch das "Internet of Things" – die Vernetzung intelligenter Geräte inklusive spezieller Sensoren und einer dahinterstehenden (Cloud-)Infrastruktur – werden immer mehr Bereiche in unserem Leben digitalisiert. Schon bis 2018 soll der Markt für Cloud Computing mit Geschäftskunden in Deutschland laut dem Branchenverband Bitkom um 39 Prozent auf rund 8,8 Milliarden Euro wachsen. Die Internet-Infrastruktur ist heute eine der tragenden Pfeiler der modernen Volkswirtschaft. Würde das Internet nur zehn Tage ausfallen, entspräche das laut Marktorscher Crisp-Research einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um ca. 0,5 Prozent.
Die Experten sind sich sicher: Digitalisierung und Cloud verändern die Strukturen und die Wertschöpfungsketten in Unternehmen nachhaltig. Angetrieben vom Wettbewerbsgedanken, werden viele Organisationen ihre Geschäftsmodelle in den nächsten Jahren drastisch wandeln – auch wenn diese Veränderung bei manchen deutschen Unternehmen vorerst noch im Kopf stattfindet.
Doch Beispiele wie sie bereits in der Industrie existieren, zeigen, wie unsere immer mehr vernetzte Welt Abläufe in Unternehmen optimieren. So kommen beispielsweise die Farbproben der Textilhersteller für die Abstimmung der Farbtöne heute nicht mehr als Stoffproben über den langen Schiffsweg zu den Fabriken. Heute schicken die Designer moderner Hersteller via Internet lange Zahlencodes an die Spezialscanner der Druckmaschinen der Partner und sparen so Zeit und Kosten.
Das Digitalisieren von Prozessen in Unternehmen kann auf vielfältige Weise geschehen, sei es durch das Tracking von Paketen in der Logistik oder bei Connected-Car-Modellen. Eines haben sie alle gemeinsam: Die Unternehmen wollen ihre Prozesse transparenter gestalten und beschleunigen, ja möglichst in "Echtzeit" analysieren und steuern – denn Zeit ist bekanntlich Geld.
Mehr als nur ein Systemhaus
Technisch ist heute vieles möglich. Darüber sind sich alle einig. Eine Herausforderung, vor der die gesamte Branche steht, ist aber die Frage, wie Prozesse und Workflows bestmöglich digitalisiert werden können. Denn wie Tolga Erdogan, Berater von Dimension Data, feststellt, "muss die IT-Strategie eng an der gesamtwirtschaftlichen Strategie des Unternehmens ausgerichtet sein. Die IT der Zukunft ist eine Business-IT, und IT-as-a-Service-Modelle rücken künftig in den Fokus". So sollen sich die Kunden besser auf das Kerngeschäft konzentrieren können.
Für IT-Dienstleister bedeutet das konkret: Beratungs- und Servicedienstleistungen werden noch wichtiger: IT-Dienstleister müssen genau hier ansetzten, indem sie versuchen, mit Hilfe ihrer Expertise und Branchenkenntnis, einem breiten Lösungsportfolio sowie einer umfassenden Beratung und Betreuung, die Prozesse der Kunden bestmöglich zu optimieren.
Und auch hier macht die Globalisierung nicht Halt: 60 Prozent der deutschen Großunternehmen sind auch im Ausland ansässig. Für IT-Dienstleister scheint es daher immer wichtiger zu werden, dass sie – mittels ihrer Partner – schnell global lieferfähig sind. Denn was nützt es einer Firma, wenn die Ingenieursabteilung in Brasilien nicht die gleiche CAD-Anwendung aus der Cloud wie das Mutterunternehmen hierzulande verwenden kann?
- AdhereTech
Der intelligente Tablettenbehälter stellt sich, dass Patienten ihre Medikamente nehmen. - Chui
Die Gesichtserkennung mit fortgeschrittener Computertechnologie hilft, Gesichtern einen universellen Schlüssel zuzuteilen. Chui bezeichnet diese Lösung als 'weltweit intelligenteste Türklingel'. - Enlighted
Enlighted entwickelte einen cleveren Sensor, der auf Echtzeit-Daten der Umgebung innerhalb des Gebäudes zurückgreift. Hierbei nutzt das System einen anderen Ansatz als seine Konkurrenten: Der „Enlighted Sensor“ wird an neue oder bereits existierende LED-, CFL- oder HID-Lampen und -Anbauten angebracht und kontrolliert nicht alleine die Lichtabgabe, sondern steuert die Lichtstärke, -temperatur und den Stromverbrauch. - Heapsylon
Die intelligenten Socken sind von textilen Drucksensoren mit dazugehöriger Elektronik durchzogen. Die Sensoren verfolgen dabei nicht nur die Schritte, Geschwindigkeit, Kalorien, Höhenlage, Umgebungstemperatur und Entfernung, sondern auch den Schrittrhythmus, die Abrollbewegung des Fußes, das Zentrum der Balance und die Gewichtsverteilung des Fußes während des Laufens und Rennens. - Humavox
Humavox möchte eine gemeinsame Plattform bieten, die Kabel unnötig macht und Batterien mit der Übertragungsstärke eines USB-Kabels aufladen kann. Der clevere Auflademechanismus initiiert den Ladeprozess mit Hilfe von Radiowellen mit einem sogenannten „Handschlag“ sobald das Gerät in die Aufladestation gestellt wird. Hierbei werden der Batteriestatus und die Aufladekurve verfolgt. Das Aufladen wird sofort beendet, sobald das Gerät vollständig geladen ist. - Neura
Neuras Plattform bietet die Möglichkeit, dass individuelle Geräte miteinander kommunizieren und den Kontext (wo, wann, wer) als auch die Bedeutung und das dazugehörige Verhalten verstehen. Durch Kombination der verschiedenen Datenströme könnten Geräte vorausschauende Tätigkeiten ausführen um individuell zu reagieren. <br /><br /> Ein Beispiel: Nachdem ein Nutzer Zeit in der Küche verbracht hat und das Zuhause verlässt, wird Neura sich vergewissern, dass der Herd/Ofen ausgeschaltet ist. Neura kann ebenso einen Staubsaugerroboter anfordern, nachdem mehrere Personen das Zuhause besucht haben. - PubNub
PubNub setzt auf ein globales Echtzeit-Netzwerk mit 14 Datenzentren. Kunden verbinden ihr Gerät mit PubNub durch einen einzeiligen Code und können daraufhin Daten senden und empfangen – mit einer 0.25-sekündigen Latenzzeit. PubNub ermöglicht zudem Echtzeit-Updates, indem es den Gerätestatus (online/offline, etc.) stets aktualisiert. - Revolv
Revolv vereinheitlicht vernetzte Geräte durch eine einzige, einfache App, die ein Zusammenspiel der intelligenten Heimprodukte ermöglicht. Zudem können im Hinblick auf die tägliche Routine des Nutzers die Geräte mit Hilfe der Zeit, des Ortes und Sensoren automatisiert werden. So zum Beispiel mit der GeoSense-Technologie: Revolv kann automatisch Geräte aktivieren (oder ausschalten), wenn der Nutzer einen vorher definierten Radius im oder um das eigene Zuhause erreicht hat. - TempoIQ
TempoIQ setzt auf einen privaten Cloud-Service, der es dem Nutzer vereinfachen soll, die Analytische Sensorik für die eigenen Produkte oder einen Service einzusetzen. Ein Echtzeit-Monitoring von Sensorendaten sowie Analysegeräte werden zur Verfügung gestellt um die Performance und die Sicherheit zu gewährleisten. - Theatro
Theatro hat ein tragbares WLAN-basiertes System entwickelt, welches zur internen Kommunikation der Mitarbeiter dient und gleichzeitig Zugriff auf Firmeninformationen ermöglicht. Die Mitarbeiter erhalten den Zugriff auf das System durch eine Vielzahl von einfachen Sprachbefehlen, welche ihnen ermöglichen auch während der Kommunikation die Hände frei zu haben – etwa beim Bedienen von Kunden. Zum Beispiel: Während ein Verkäufer den Inventarbestand eines Produktes prüft, sagt er "check inventory SKU23567" und das Theatro-System verbindet ihn direkt mit dem Inventarsystem um ihm den Überblick über den Produktstatus zu verschaffen.
Welche Rolle spielt der IT-Leiter?
Wenn Cloud-Lösungen und der Digitalisierung von Prozessen künftig eine so große Bedeutung zukommen, ist es folglich auch unabdingbar, dass Management und IT immer stärker Hand in Hand gehen. Denn der übermäßig technikaffine CIO, der sich nur um die Sicherheit seiner IT sorgt, bringt das Unternehmen von morgen nicht mehr voran.
Das Analystenhaus Gartner prognostiziert hierzu, dass bereits 2015 ein Viertel der Unternehmen einen eigenen Chief Digital Officer (CDO) haben werden, der sich vermehrt auf die Unternehmensabläufe fokussiert und zwischen den Fachbereichen und dem C-Level einer Firma vermittelt. Der CDO ist also die zentrale Figur, wenn es um die Verwaltung der digitalen Transformation geht.
Noch weiter geht Carlo Velten, Marktforscher von Crisp Research. Laut dem Experten werden CIOs nicht durch "Chief Digital Officers" ersetzt. Vielmehr wird es diese "Position des CIOs, so wie sie heute ist, nicht mehr geben, denn die Digitalisierung wird Teil des Geschäfts."
Branchengrenzen verschwimmen
Heute gehören MP3-Player zum normalen Leben wie Autos oder Waschmaschinen. Während die Medienbranche als eine der ersten von Digitalisierungsprozessen betroffen wurde, steht diese in anderen Branchen im großen Stile noch bevor. Carlo Velten sieht hier großes Potenzial und wagt eine vorsichtige Prognose. Branchen, in denen es – zumindest indirekt – um Spaß und Lifestyle geht oder ein reeller Nutzen spürbar ist, werden sich besonders bewegen. Die prominentesten Beispiele sind hier Gadgets wie Fitness-Armbänder, aber auch Herz-Überwachungsgeräte in infrastruktur-schwachen Gebieten, die Gesundheitsdaten zu den Ärzten senden.
Aber auch in der Industrie wird es spannend. Hier ist vor allem interessant zu sehen, wie etablierte Hersteller neue Mitbewerber aus anderen Branchen bekommen. Digitalisierung ändert auch Produkte, wodurch sich ihr Nutzwert verschiebt. Branchengrenzen werden unscharf, Autos werden zu Computern. Beispielsweise hätte bei Daimler vor fünf Jahren niemand gerechnet, dass plötzlich Google ein potenzieller Mitbewerber sein könnte.
Die Cloud als Motor
Die Digitalisierung macht vor nichts Halt und die denkbaren Einsatzszenarien sind schier unersättlich. Der gleiche Sensor, der in der Gesundheitsbranche den Fußabdruck analysiert, könnte in der Skibrille von morgen unsere Abfahrtsdaten – für die anschließende Auswertung auf dem Tablet – festhalten.
Und dieser rasante Entwicklungsprozess wäre wohl ohne die richtige Infrastruktur und ohne die richtigen Dienstleister undenkbar. Für Systemhäuser im Zeitalter der digitalen Transformation ist daher besonders das Thema Cloud wichtig. ChannelPartner informiert die Systemhäuser, IT-Dienstleister und IT-Fachhändler hierzu zusammen mit dem Spezialisten acmeo am 12. Februar 2015 bei der Veranstaötung "Channel meets Cloud". Schauen Sie vorbei!
- 7-Punkte-Plan für Industrie 4.0
Industrie-4.0-Szenarien lassen sich bereits umsetzen, der Weg dorthin ist aber nicht trivial. Die Berater von Accenture empfehlen bei der Umsetzung von Industrie-4.0-Ideen folgenden Plan - 1. Denken in alle Richtungen:
Am Anfang dürfen ruhig wilde Spekulationen stehen. Unternehmen sollten sich fragen, welche Ser- vices rund um welche Produkte ihren Kunden nutzen könnten – und was den Kunden ihrer - 3. Design und Entwicklung der Plattform angehen:
Auf der technischen Seite ist zu prüfen, welche Plattform das Unternehmen braucht. Entscheider müssen festlegen, ob und welche Zugriffsmöglichkeiten Externe (Entwickler, Zulieferer, Kunden) haben sollen. - 4. Die finanzielle Seite betrachten:
Hier geht es um eine möglichst realistische Betrachtung künftiger neuer Umsätze. Die Kosten des Transformationsprozesses müssen ebenso bedacht werden wie die Gestaltung von Preisen und Margen. - 5. Die neuen Angebote verkaufen:
Unternehmen müssen ihre Partner von den Vorteilen der neuen Angebote überzeugen. Konflikte drohen, wenn man Services online anbietet, die zuvor über einen Vertriebspartner erbracht worden sind. - 6. Rechts- und Datenschutzfragen beachten:
Wer seine haptischen Produkte um digitale Services erweitert, betritt in Rechtsfragen möglicherweise Neuland. Gesetzliche Vorgaben und Datenschutzbestimmungen sind zu beachten. - 7. Den Menschen nicht vergessen:
Wer bisher handfeste Maschinen produziert hat und diese nun um digitale Dienstleistungen erweitert, mutet den Mitarbeitern erhebliche Umstellungen zu.