Nicht nur Software muss agil entwickelt werden, auch AGB müssen beweglich sein: Gesetzesänderungen, neue funktionale Entwicklungen sowie der technische Fortschritt erfordern für Unternehmen eine Anpassung ihrer AGB oder der vereinbarten Preise und Leistungen. Vielfach scheuen es Unternehmen, im Rahmen ihrer dauerhaften vertraglichen Beziehungen Änderungsverträge mit ihren Kunden abzuschließen und bevorzugen Änderungsvorbehalte, mit denen sich das Unternehmen einseitige Rechte zur Vornahme von Vertragsänderungen vorbehält. Diese sind jedoch – vor allen Dingen, wenn es sich bei den Kunden um Verbraucher handelt – nur in engen Grenzen zulässig.
Vorbehaltslose Änderung unzulässig
Immer wieder anzutreffen sind vorbehaltslose Änderungsrechte, die folgender oder ähnlicher Form: „Wir behalten uns vor, diese AGB jederzeit zu ändern. Hierüber wird der Kunde rechtzeitig in Kenntnis gesetzt.“ Solche pauschalen Vorbehalte, die im alleinigen Ermessen des Unternehmens stehen, sind nach allgemeiner Ansicht auf Grund einseitiger Bevorzugung des Klauselverwenders unzulässig.
Im Anwendungsbereich der §§ 307 ff. BGB ist ein einseitiges Änderungsrecht nur zulässig, wenn es den Kunden nicht unangemessen benachteiligt. Zudem muss ein Änderungsvorbehalt so transparent sein, dass der Kunde bereits aus dem Vorbehalt erkennen kann, wann und unter welchen Bedingungen mit einer Änderung zu rechnen ist (Transparenzgebot). Typische Fälle sind etwa veränderte Gesetzeslagen oder Entwicklungen in der Rechtsprechung. Wichtig ist auch, das Verfahren zur nachträglichen Einbeziehung der neuen AGB zu regeln. Häufig anzutreffen ist hier die Erklärungsfiktion, die ebenfalls gesetzlichen Anforderungen entsprechen muss. Dass heißt, der Kunde ist über die geplante Änderung zu informieren, ihm muss eine angemessene Frist zum Widerspruch eingeräumt werden und er muss darauf hingewiesen werden, dass – sofern er nicht innerhalb der gesetzten Frist widerspricht – die neuen AGB in das Vertragsverhältnis einbezogen werden.
Preise und Leistungen nicht beliebig änderbar
Viele AGB enthalten separate Preis- und Leistungsänderungsklauseln. Auch diese müssen sorgfältig formuliert werden. Für Leistungsänderungsklauseln gilt folgendes: Insbesondere in schnelllebigen Sektoren mit rasantem technischen Fortschritt besteht häufig die Notwendigkeit für Unternehmen, ihre Leistungen (funktional oder technisch) anzupassen. In AGB sind solche Anpassungsklauseln unwirksam, wenn die Vereinbarung der Änderung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Teil nicht zumutbar ist.
Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, in welcher sowohl die Interessen des Kunden, aber auch diejenigen des Unternehmens berücksichtigt werden. Dabei kann die Zumutbarkeit grundsätzlich nur dann bejaht werden, wenn die Klausel nach ihren Voraussetzungen und dem Umfang der Änderung hinreichend konkretisiert ist und der Kunde die auf sich zukommenden Risiken einschätzen kann: Es muss ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit für den Kunden gegeben sein.
Damit hängt auch der Grundsatz der Erforderlichkeit zusammen: Unternehmen haben nur dann ein schutzwürdiges Interesse an der Vereinbarung der Leistungsänderungsklausel, wenn die Änderung – zum Beispiel wegen unsicherer Entwicklung der Verhältnisse – notwendig ist. Schließlich ist die Zumutbarkeit auch davon abhängig, dass es nicht zu einer wesentlichen Störung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung zulasten des Kunden kommt.
Wesentliche Geschäftsinhalte dürfen nicht geändert werden, da die zwischen den Parteien als Vertragsgrundlage vereinbarten Leistungen im Wesentlichen dieselben bleiben sollen. Nicht zu beanstanden sind solche Klauseln, an denen zum einen ein schutzwürdiges Interesse des Unternehmers besteht, und die zum anderen keinen Nachteil für den Kunden mit sich bringen. In der Praxis ist allerdings selten davon auszugehen, dass die Änderungsklauseln keine Nachteile für den Kunden bedeuten. Denn ein Nachteil für den Kunden ist nicht nur dann gegeben, wenn die Leistungspflichten der Unternehmen reduziert werden können, sondern unter Umständen auch dann, wenn der Leistungskatalog (und damit einhergehend die Gegenleistung) erweitert wird.
Es ist schließlich im Rahmen der Leistungsänderungsklauseln zu beachten, dass eine Abweichung nicht grundsätzlich automatisch dadurch zumutbar wird, dass der Kunde die Möglichkeit eingeräumt bekommt, das Vertragsverhältnis zu beenden. Hier müssen die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien, die im Rahmen einer Zumutbarkeitsprüfung zur Anwendung kommen, vollständig beachtet werden.
Bei Preisänderungsklauseln ist folgendes zu berücksichtigen: In Dauerschuldverhältnissen tritt regelmäßig die Frage auf, wie Preise für von Unternehmen angebotene Leistungen aufgrund veränderter Marktbedingungen und/oder gestiegener Kosten angepasst werden können. Unternehmen wollen bestehende Verträge nicht beenden oder neu verhandeln und damit Gefahr laufen, dass sich Kunden umorientieren.
Allerdings wurden in der Vergangenheit durch die Rechtsprechung die Anforderungen an wirksame Preisanpassungsklauseln so hoch gesetzt, dass eine wirksame Formulierung und Verwendung dieser Klauseln eine echte Herausforderung für die Unternehmen darstellt. Grundsätzlich darf die Regelung es dem Unternehmen nicht ermöglichen, über eine Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus zusätzliche Margen zu erzielen und den ursprünglichen Preis ohne Begrenzung anzuheben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu in der Vergangenheit folgende Kriterien aufgestellt:
Die Klausel muss an Kostenelemente gekoppelt werden, die der Kunde kennt oder mit zumutbaren Mitteln in Erfahrung bringen kann.
Die Kostenfaktoren müssen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Gesamtpreises gewichtet werden, so dass der Kunde erkennen, in welcher Höhe sich die Änderung des Kostenelements auf den Gesamtpreis auswirkt.
Gesteigerte Kosten in einem Bereich müssen durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen werden (Saldierung).
Gesunkene Kosten müssen durch entsprechende Preissenkungen an den Kunden weitergegeben werden.
Dem Kunden ist bei substantiellen Preiserhöhungen ein Lösungsrecht vom Vertrag einzuräumen. - Voraussetzungen und Umfang der Preisänderung müssen in einer für den Kunden nachvollziehbaren Weise spezifiziert werden.
Unter Transparenzgesichtspunkten muss es dem Kunden möglich sein, bereits bei Vertragsschluss zu erkennen, in welchem Ausmaß Preiserhöhungen auf ihn zukommen können. Lange nicht einheitlich bewertet wurde die Frage, inwiefern das Unternehmen, das sämtliche Kriterien der Rechtsprechung erfüllen möchte, dazu gezwungen wird, seine Preiskalkulation offenzulegen und Klauseln so zu formulieren, dass der Kunde die Preisanpassung im Detail rechnerisch nachvollziehen kann.
In seiner aktuellen Rechtsprechung führt der BGH dazu aus, dass es von einem Unternehmen nicht verlangt werden kann, dass in seiner Anpassungsklausel sämtliche für die Preisbildung maßgeblichen Kostenfaktoren einschließlich deren Gewichtung im Detail benannt werden oder sogar die vollständige Kalkulation offenlegt wird, die dem Vertrag vereinbarten Preis und den erwarteten künftigen Preisanpassungen zugrunde liegt. Das Unternehmen muss im Rahmen einer richterlichen Billigkeitskontrolle darlegen (und im Einzelfall näher zur Kalkulation vortragen), dass der neu festgelegte Preis der Billigkeit entspricht.
Es bleibt spannend zu verfolgen, wie die Urteile zur Überprüfung des „billigen Ermessens“ ausfallen und inwieweit die Interessen der Unternehmen an der Geheimhaltung ihrer Geschäftsgeheimnisse berücksichtigt werden. (haf)