Der Erhalt einer Abmahnung bedeutet für den Arbeitnehmer in der Regel ein schwerwiegendes Ereignis. Schließlich sieht er sich in seiner Existenz bedroht, weil der Arbeitgeber mit der Abmahnung deutlich signalisiert, dass der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.
(Lesen Sie auch Teil 1: Abmahnung – was ist auf Seiten des Arbeitgebers zu beachten?)
Es stellt sich dann für den Arbeitnehmer die Frage, wie er hierauf angemessen reagieren kann. Dabei dürfen die anzustellenden Überlegungen nicht ausschließlich von juristischen Erwägungen geprägt sein, sondern es empfiehlt sich immer, auch pragmatische Überlegungen anzustellen. Denn nicht selten erweist sich eine Abmahnung als Kurzschlussreaktionen seitens des Arbeitgebers, der über ein Fehlverhalten eines Arbeitnehmers aufgebracht war und eine Abmahnung ausgesprochen hat, ohne die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich in Frage gestellt zu haben. Geht nun der Arbeitnehmer mit allen Mitteln, insbesondere mit einem gerichtlichen Verfahren, gegen eine solche Abmahnung vor, führt dies nicht selten dazu, dass ein an sich intaktes Arbeitsverhältnis dadurch endgültig zerrüttet wird und letztendlich in einer Auflösung mündet.
Insoweit besteht neben einem gerichtlich durchzusetzenden Beseitigungsanspruch die weitaus mildere Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer zunächst Einsicht in die Personalakte verlangt, um sich über deren genauen Inhalt zu informieren. Soweit er sich Klarheit verschafft hat, steht dem Arbeitnehmer das Recht zu, Erklärungen zu dem Inhalt der Personalakte abzugeben.
Die Regeln einer Gegendarstellung
Die rechtliche Grenze für eine solche Gegendarstellung ergibt sich aus Rechtsmissbrauchsgrundsätzen, d. h. sie muss sachlich sein und darf sich nur auf Punkte beziehen, die Gegenstand der Abmahnung sind. Für den durch einen Betriebsrat mitbestimmten Betrieb folgt dieses Recht zur Gegendarstellung aus § 83 Abs. 2 BetrVG, für alle anderen Betriebe aus entsprechenden arbeitsvertraglichen Nebenpflichten. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Gegendarstellung zur Personalakte zu nehmen, auch wenn er mit dem Inhalt der Gegendarstellung nicht einverstanden ist. Die Gegendarstellung darf dann erst zusammen mit der Abmahnung entfernt werden. Eine Gegendarstellung kann sogar gegenüber einer berechtigten Abmahnung zur Personalakte gegeben werden.
Die Anfertigung einer Gegendarstellung hat den Vorteil, dass der Arbeitnehmer auch ohne ein das Verhältnis zusätzlich belastendes Gerichtsverfahren gegenüber dem Arbeitgeber signalisieren kann, dass er mit der erteilten Abmahnung nicht einverstanden ist. Außerdem dokumentiert er zeitnah, wie sich der abgemahnte Verstoß aus seiner Sicht darstellt. Schließlich schafft er im Falle einer späteren Kündigung gegebenenfalls eine weitere Hürde für die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG.
Mit der Einreichung einer Gegendarstellung zur Personalakte verbraucht der Arbeitnehmer nicht sein Recht, die entsprechende Abmahnung zu einem späteren Zeitpunkt auch noch gerichtlich anzugreifen. Denn ein Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, gegen eine Abmahnung gerichtlich vorzugehen. Kommt es also infolge einer weiteren Pflichtverletzung zu einer verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitnehmers, können seine Einwände gegen die vorhergehende Abmahnung trotz der bereits erfolgten Gegendarstellung in einem Kündigungsschutzprozess immer noch geltend gemacht werden.
Beschwerde und gerichtliches Verfahren
Neben dem Recht auf Gegendarstellung räumt das Betriebsverfassungsrecht in § 84 Abs. 1 BetrVG die Möglichkeit ein, sich bei der zuständigen Stelle im Betrieb, z. B. bei dem unmittelbaren Vorgesetzten oder in der Personalabteilung zu beschweren. Der Arbeitgeber muss dann die Berechtigung der Beschwerde überprüfen und unter Umständen abhelfen.
Ein solches Vorgehen kann in größeren Unternehmen sinnvoll sein, denn oftmals kann eine höhere Stelle zur Klärung der entstandenen Situation beitragen. Daneben kann sich der Arbeitnehmer auch gem. § 85 Abs. 1 BetrVG an den Betriebsrat wenden, der die Beschwerde entgegenzunehmen und zu prüfen hat. Hält der Betriebsrat die Abmahnung für unberechtigt, muss er sich an den Arbeitgeber wenden und auf eine Abhilfe hinwirken. Kommt es zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber dabei zu einer Meinungsverschiedenheit, kann dieser wegen § 85 Abs. 2 S. 3 BetrVG allerdings nicht die Einigungsstelle anrufen, da der Arbeitnehmer selbst vorrangig einen gerichtlichen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung geltend zu machen hat.
Aussichten eines gerichtlichen Verfahrens
Ein solches gerichtliches Verfahren vor dem Arbeitsgericht - gerichtet auf die Rücknahme und die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte - sollte der Arbeitnehmer nur dann führen, wenn die Erfolgsaussichten für ihn sehr hoch sind. Generell hat ein solches Klageverfahren nur Aussicht auf Erfolg, wenn die Abmahnung den Arbeitnehmer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt und das weitere berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers beeinträchtigt wird.
Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, wenn die Abmahnung falsche Tatsachenbehauptungen, Ehrverletzungen bzw. rechtsirrig angenommene Vertragsverstöße beinhaltet, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wird oder wenn das Recht zur Abmahnung bereits verwirkt war. Im Abmahnrechtsstreit obliegt dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Abmahngründe. Führt der Arbeitnehmer dagegen Rechtfertigungsgründe an, trifft ihn hierfür die Darlegungs- und Beweislast.
Oftmals enden Rechtsstreitigkeiten um Abmahnungen in gerichtliche Vergleiche mit dem Inhalt, dass eine Abmahnung für eine bestimmte Zeitdauer in der Personalakte verbleiben kann, sie danach vom Arbeitgeber entfernt werden muss. Für den Arbeitgeber stellen derartige Vergleiche aber nur einen scheinbaren Erfolg dar, weil allein mit der Regelung über die Verweildauer einer Abmahnung in der Personalakte kein Anerkenntnis seitens des Arbeitnehmers zur Begründetheit der Abmahnung verbunden ist.
Das bedeutet konkret, dass der Arbeitgeber in einem möglichen späteren Kündigungsrechtsstreit die gerügten Pflichtverletzungen weiterhin darlegen und beweisen muss, da ein solcher Vergleich keine Regelung über die Rechtmäßigkeit der Abmahnung getroffen hat. Den Arbeitgebern muss daher in solchen Fällen der Rat erteilt werden, sich auf einen Vergleich nur dann einzulassen, sofern der Arbeitnehmer gleichzeitig auch die Berechtigung der Abmahnung anerkennt und wenn dies im Gerichtsprotokoll entsprechend mit aufgenommen wird.
Insgesamt ist ersichtlich, dass einem Arbeitnehmer vielfältige Möglichkeiten nach Erhalt einer arbeitsrechtlichen Abmahnung offen stehen. Diese sollten jedoch mit Bedacht ausgewählt werden. Voreilige Reaktionen sind gerade in einem ansonsten intakten Arbeitsverhältnis möglichst zu vermeiden. (tö)
Weitere Infos: Autor des Beitrags ist Christian Salzbrunn , der in Düsseldorf als Rechtsanwalt arbeitet. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen das Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht sowie die Themen Insolvenz und Inkasso.