WIESBADEN: Die klassische Bürotechnik hat ausgedient. Im Zeitalter der Digitalisierung hat nur derjenige Handelsbetrieb eine Zukunft, der sich auf die neuen Informations- und Kommunikationstechniken einstellt. Das war die Botschaft einer Unternehmertagung in Wiesbaden.Es gibt sie noch, die klassischen Bürotechnikhändler, die sich an die analoge Welt klammern und sich standhaft der Digitalisierung widersetzen. Es gibt sie, aber wie lange noch? Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit, lautet ein Bonmot, und dieses Schicksal steht all jenen Bürotechnikhändlern bevor, die vor den derzeitigen Veränderungen die Augen verschließen und glauben, damit durchzukommen.
Nicht zuletzt diese Handelsunternehmen wollte das "Forum Bürowirtschaft", die Arbeitsgemeinschaft von Industrie und Handel im Bundesverband Bürowirtschaft (BBW), mit ihrer 23. Arbeitstagung Mitte September in Wiesbaden wachrütteln. Insofern war das gewählte Thema "IuK-Markt - Herrliche Chancen" zwar etwas spröde, aber durchaus gut gewählt. Denn vielfach ist es bei den eher konservativ eingestellten Händlern die Angst vor dem Risiko, die sie beim Thema Informationstechnik zurückschrecken läßt. Die Chancen stehen im Hintergrund.
Leider ist zu befürchten, daß in erster Linie diejenigen Handelsbetriebe, die bereits heute auf den digitalen Zug aufgesprungen sind, die Reise nach Wiesbaden auf sich nahmen. Doch auch für sie hat sich der Weg gelohnt. Denn das "Forum Bürowirtschaft" hat ein attraktives Vortragsprogramm auf die Beine gestellt und einige hochkarätige Redner verpflichten können.
Nachdem Bernhard Rohleder, Geschäftsführer des Fachverbands Informationstechnik im VDMA/ZVEI, mit einer umfangreichen Standortbestimmung des Marktes die Grundlage der Tagung legte, erläuterte Compaq-Geschäftsführer Harald Stanzer die globale Strategie des Computerherstellers vor allem vor dem Hintergrund des Internets. Wesentlich konkreter und näher an der Lebens- wirklichkeit des Fachhandels waren die Ausführungen von Walter Berchtenbreiter, geschäftsführender Gesellschafter der Reitzner Bürozentrum GmbH Dillingen, der aus der eigenen Praxis die verschiedenen Maßnahmen zur Kundenbindung vorstellte. Auch Bernhard Morgenstern, Vorstandsvorsitzender der Morgenstern AG in Reutlingen, blieb hart an der Praxis und lieferte den Zuhörern wertvolle Anregungen zum Thema Mitarbeiterbeteiligung.
Aufgrund seines engagierten, kenntnisreichen und unterhaltsamen Vortrags entpuppte sich Joachim August, geschäftsführender Gesellschafter der ADA - Das Systemhaus GmbH in Willich, als ein unverhoffter Höhepunkt der Veranstaltung. Die Quintessenz seines Vortrags: Wer sich von der Industrie abhängig macht, ist selber schuld. Jedes Unternehmen ist für seinen Erfolg selbst verantwortlich. Dienstleistungen sind das Gebot der Stunde, aber keine Nullachtfünfzehn-Dienstleistungen - "Für produktnahe Dienstleistungen können Sie kein Geld verlangen." -, sondern Leistungen, die dem Kunden wirklich einen Vorteil verschaffen. Hierzu braucht man Kreativität und die erforderlichen Mitarbeiter, absolute Spezialisten auf ihrem Gebiet.
Keine Chance, nach dem Mittagsimbiß ein kurzes Nickerchen zu halten, bot den Teilnehmern auch das anschließende Podiumsgespräch. In einer sehr lebendig geführten Diskussion wurden die Standpunkte engagiert und pointiert ausgetauscht. Wo sind die Wachstumsfelder, wie muß sich die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handel gestalten, welche Vertriebsstrategie verfolgen die Hersteller, welche Rolle spielt die Distribution, ist das Internet eine Chance oder eine Gefahr für den stationären Handel? - das waren nur einige der Themen, die von den Teilnehmern zum Teil sehr kontrovers diskutiert wurden.
Einig waren sich am Ende aber wieder alle, nämlich darin, daß der abschließende Vortrag von "Heute-Journal"-Moderator und ZDF-Journalist Alexander Niemetz zum Thema "Sozialstaat ade!" einfach Spitze war. Niemetz las in seiner freien Rede den politischen Köpfen der Bundesrepublik die Leviten, sachkundig, amüsant und durchaus konstruktiv. Lang anhaltender Beifall des Plenums war ihm sicher.
Die Dokumentation der Arbeitstagung wird Ende Oktober erhältlich sein (E-Mail: bbw@einzelhandel.de). Auch im Rahmen der nächsten Veranstaltung wird sich das "Forum Bürowirtschaft" der Informationstechnik widmen. Am 6. und 7. April 2000 dreht sich in München alles um das Thema "Internet und E-Commerce". (sic)
Über die Chancen des Fachhandels in der Informations- und Kommunikationsbranche diskutierten unter der Moderation von ComputerPartner-Chefredakteur Damian Sicking Frank Fischer, Bernhard Morgenstern, Günther Schnitzler, Walter Berchtenbreiter, Joachim August, Robert Beck und Uli Kemp (von links nach rechts).