IFRS 15

Kleine Ziffer, große Wirkung - Firmen müssen Umsätze neu berechnen

17.06.2014
Die Idee klingt plausibel. Von 2017 an sollen die Umsätze nach dem Rechnungslegungsstandard IFRS 15 möglichst einheitlich ermittelt werden. Doch einige Branchen stellen die neuen Regeln vor eine große Herausforderung. Telekomfirmen rechnen mit Kosten in Milliardenhöhe.

Die Lockangebote kennt jeder: Ein Smartphone für einen Euro plus langfristigen Vertrag. Dabei ist den meisten klar, dass sie das Handy über die monatlichen Telefongebühren bezahlen. So wurden die Einnahmen bislang auch bei den Telekomkonzernen verbucht. In Zukunft wird das nicht mehr möglich sein.

Denn von 2017 an gilt neuer Rechnungslegungsstandard. Firmen, die nach IFRS bilanzieren - in der EU sind das vor allem kapitalmarktorientierte Unternehmen - müssen sich dann an die neuen Regeln unter IFRS 15 halten. Der neue Standard soll die bisherigen Regeln vereinheitlichen. Vor allem unter dem US-Handelsrecht GAAP gab es bislang noch viele verschiedene Berechnungsmethoden für unterschiedliche Branchen.

Der Umsatz sei für viele Jahresabschlussanalysen und auch Aktienbewertungen überaus wichtig, sagt Bernhard Pellens, Professor für Internationale Unternehmensrechnung an der TU Dortmund. Deshalb sei die Standardisierung grundsätzlich sehr zu befürworten.

Die Höhe der Umsätze wird sich nicht ändern. Eine Kernfrage, die der neue Standard klärt, aber ist, wie Umsätze auf verschiedene Zeiträume verteilt werden können. Konnte ein Telekomunternehmen die Umsätze für verkaufte Hardware bislang noch über Monate unter den Serviceumsätzen verbuchen, so ist das nicht mehr möglich. Die Erlöse müssen dann ausgewiesen werden, wenn sie anfallen - also wenn das Handy den Besitzer wechselt. Außerdem müssen sie auch klar als Hardware-Umsatz dargestellt werden.

Privatkunden werden von der Änderung wahrscheinlich wenig merken, erwartet Anne Schurbohm, Expertin für Rechnungslegung bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Zu wichtig sind die Angebote als Marketinginstrument. Die Firmen müssen aber unter Umständen zu einem früheren Zeitpunkt mehr Umsatz abbilden, erklärt sie. "Die fehlenden Kundenzahlungen können als Forderung gebucht werden."

Das klingt ganz einfach. Firmen wie die Deutsche Telekom laufen allerdings Sturm gegen die Idee. "Das neue Modell führt damit zu einer völligen Entkopplung von Umsatzrealisierung und Rechnungsstellung", heißt es bei den Bonnern. Künftig könne der Umsatz nicht mehr aus den bestehenden IT-Systemen abgeleitet werden. Laut der Wirtschaftsberatung PricewaterhouseCoopers beziffert die europäische Telekombranche die Kosten auf mehrere Hundert Millionen Euro. Die Deutsche Telekom feilt deshalb an einer Lösung (PDF-Link), Verträge zu möglichst homogenen Portfolien zusammenzufassen und die Umsätze auf dieser Ebene zu erfassen.

"IFRS 15 wird aber auch für andere Branchen zunehmend von Bedeutung sein, da viele Unternehmen verstärkt dazu übergehen, hybride Leistungsbündel anzubieten", sagt Pellens. Maschinenbauer liefern ihre Maschinen zusammen mit Serviceverträgen aus, Aufzughersteller geben Wartungsverträge und Autobauer binden ihre Kunden mit Verträgen für Updates von Navigationsgeräten oder Mobilitätsgarantien.

Eine weitere Veränderung dürfte ebenfalls viele Firmen treffen: "Variable Preisbestandteile müssen aufgrund einer Schätzung im Umsatz realisiert werden", erklärt Schurbohm. Vorher wurde unter Umständen erst Umsatz angezeigt, wenn der Betrag endgültig feststand.

SAP-Controller Christoph Hütten sieht das als Vorteil: Der Softwarekonzern hat bislang nach strengeren Regeln bilanziert und profitiert nun teilweise von den Änderungen. Hütten hat die Erarbeitung des Standards aktiv begleitet. Er und seine Mitarbeiter haben sich mehrmals pro Jahr mit den zuständigen Stellen getroffen.

"Nach den aktuellen Regeln verschiebt SAP die gesamte Umsatzrealisierung für ein Geschäft, wenn konkrete zugesagte Softwarefunktionalitäten noch nicht geliefert sind", erklärt Hütten. War das ein Vertrag für sechs Millionen Euro und eine Funktionalität von einem Drittanbieter für 20.000 Euro wurde nicht geliefert, waren am Ende auch die sechs Millionen Euro für SAP futsch. "Künftig kann in vielen Fällen der größte Teil des Umsatzes früher realisiert werden."

Pellens ist überzeugt: Die Idee ist gut. Man gehe jetzt stärker nach ökonomischen Kriterien vor. "Über die Verbesserung der Kosten-Nutzen-Relation lässt sich aber sicherlich streiten." (dpa/tc)

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