Während sich die Stadt langsam in eine Melange aus bunten Lichtern und Neon verwandelt, schlendere ich zum Kino und genieße diese wunderbare Einstimmung auf den Film, mit dem ich mich nach einem Shopping-Tag belohnen werde: Batman, der Held im Fledermauskostüm, der sich maskiert auf Verbrecher stürzt und ihnen mit einer Kombination aus Hightech-Geräten, Nahkampftechniken und Psychologie das Handwerk legt. Ich mag diese Sorte von Helden, die tagsüber ganz andere Menschen sind und in ihrer Freizeit für das Gute kämpfen. Meistens getarnt in einem aufwändigen Kostüm, weil die gesetzestreue Welt sie ohne Maske nicht ertragen könnte und Selbstjustiz in einer zivilisierten Gesellschaft nun mal verboten ist.
Schnell noch ein Wasser am Verkaufsstand und los geht's. Die Gummibärchen bringe ich meistens selbst mit, weil das vorhandene Angebot überteuert und austauschbar ist. Und bei austauschbaren Dingen orientieren sich Kunden ja bekanntlich am Preis.
Während des Werbeblocks lasse ich den Tag gern noch einmal in Ruhe an mir vorbeiziehen. Und erinnere mich an die vielen maskierten Helden und Antihelden, die ich heute schon gesehen habe.
Superhelden mit Maske
Da war diese junge hübsche Verkäuferin im Supermarkt. Bevor ich bezahlen durfte, fragte sie mich mit einem strahlenden Lächeln und ihrer doch etwas aufgesetzten Stimme nach einer Reihe von Klebepunkten und Plastikkarten. War das eine neue Superheldin? Die "fürsorgliche" Krankenschwester mit der Maske? Als ich sie nach Feierabend mal auf der Straße sah, wirkte sie eigentlich sehr natürlich. Ich hätte sie fast nicht erkannt. Genauso wenig wie ich Bruce Wayne erkannt hätte, das Alter Ego von Batman, der gleich über die Leinwand schweben würde.
Und dann war da auch noch der nette junge Mann im Elektronikmarkt mit der Fähigkeit des Gedankenlesens. Auf meine Frage nach einer digitalen Videokamera zeigte er sofort das nächste günstige Sonderangebot eines Smartphone, nicht ohne mich zu belehren, dass Videokameras ja kaum noch nachgefragt würden, weil die meisten Kunden mit ihrem Telefon filmen. Ob der "telepathische Lehrer" so auch seinen besten Freund bedient hätte? Richtig gut wurde es aber, als der junge Held im roten Poloshirt seine tatsächlich beneidenswerte Qualifikation des "Vorlesens von einer Packung" vorführte und mir einen tiefen Einblick in die Merkmale des Sonderangebotes vermittelte.
- Die Katze im Sack verkaufen
Der Anbieter belegt die Qualität seines Produkts mithilfe vorgeblich neutraler Tests. Was der potenzielle Käufer jedoch nicht weiß: Die Fabelwerte wurden unter irregulären und praxisuntauglichen Bedingungen ermittelt. - "Veredeln" von IT-Produkten
Angeblich unabhängige Tests von Beratungsfirmen und Testlabors zeigen, dasss die Produkte des Anbieters besonders gut abschneiden. In Wirklichkeit handelt es sich um Tests, die im Auftrag des Herstellers erstellt wurden und alles andere als neutral sind. - "Alte Krücken" als neuwertige Produkte deklarieren
Alte beziehungsweise bereits abgekündigte Produkte werden als "neu" angeboten. Ein Vertriebsmitarbeiter will dem Käufer also ohne dessen Wissen statt eines Neugeräts ein überholtes Produkt "unterjubeln". - Klassische Lockvogel-Angebote
Bei diesem Trick bietet der Verkäufer ein Produkt zu einem höchst attraktiven Preis an. Doch wenn ein Interessent zuschlagen möchte, erfährt er, dass das Sonderangebot bereits ausverkauft sei. Stattdessen könne er ein besseres, allerdings teureres Produkt ordern.
Wer authentisch ist, kann punkten
Vielleicht gibt es im wirklichen Leben ja doch ein paar Typen wie Batman, der jetzt endlich die Bühne betritt und mit ein paar gezielten Tritten, raschen Bewegungen seines Umhangs und diversen Wurfgeschossen für das Gute in der Welt kämpft. Natürlich habe ich heute auch ein paar tolle Verkäufer und Verkäuferinnen erlebt, die zwar wenig von einem Superhelden hatten, aber bei denen ich mich als Mensch – nicht nur als Kunde – gut aufgehoben fühlte. Wie die Frau, die mir auf die Frage nach einem neuen Anzug nicht gleich das nächste verfügbare Kleidungsstück unter die Nase hielt, sondern erst einmal fragte, was ich denn beruflich mache und wie ich wirken möchte. Sie kam irgendwie unmaskiert und authentisch rüber. Ich denke, dass ich das Geschäft gerne wieder besuchen werde, wenn ich einen Anzug oder ein Sakko brauche.
Auf Augenhöhe kommunizieren
Und langsam wird mir klar, warum es im wirklichen Leben keine Superhelden wie Batman gibt: Es funktioniert einfach nicht. Wir wollen als Menschen authentisch behandelt werden. Nicht als König von unten herauf und schon gar nicht als Opfer von oben herab. Ganz normal eben, auf Augenhöhe. Ich brauche keine Tricks, keine Verkleidung und keine einstudierte Rolle, um als Verkäufer im wirklichen Leben erfolgreich zu sein. Neben den Grundregeln des menschlichen Anstands habe ich alles, was ich benötige, um Geschäftspartner zu finden und mit ihnen so zusammen zu arbeiten, dass die Kooperation zu unserer beider Vorteil gereicht. Natürlich muss ich mein Batmobil – äh, mein Produkt – beherrschen und wissen, wie ich es richtig einsetze, aber ich darf dabei authentisch bleiben.
Übrigens, der Film war klasse. Das Böse wurde mal wieder besiegt, der Held thront einsam und erhaben über Gotham City und ich gehe gut unterhalten nach Hause. Vor allem aber habe ich heute wieder einiges gelernt, was ich perfekt in meine Verkaufstrainings einfließen lassen kann. (bw)