Zwei Drittel weniger Lohn sind nicht rechtens

Vorsicht bei Dumpinglöhnen



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Eine ausgesprochen interessante Entscheidung hat das Arbeitsgericht Eberswalde am 10.9.2013 zum Aktenzeichen 2 Ca 428/13 getroffen. Stefan Engelhardt stellt das Urteil vor.

Geklagt hatte ein Jobcenter, das im Rahmen der Grundsicherung als Hilfe zum Lebensunterhalt Aufstockungsleistungen an acht Arbeitnehmer des beklagten Betriebes gezahlt hatte.

Der Beklagte betreibt einen Pizzaservice mit zwei Filialen und hatte den acht betroffenen Mitarbeitern, die als Pizzabäcker, Küchenhilfen und Fahrer eingesetzt waren, Stundenlöhne zwischen 1,59 und 3,46 Euro brutto gezahlt.

Der Gesetzgeber schützt mit seinem Dumping-Verbot Arbeitnehmer vor der Ausbeutung.
Der Gesetzgeber schützt mit seinem Dumping-Verbot Arbeitnehmer vor der Ausbeutung.
Foto: ferkelraggae - Fotolia.com

Eingeklagt war die Erstattung von Aufstockungsleistungen in Höhe von insgesamt 10.726,11 Euro aus übergegangenem Recht. Das Arbeitsgericht gab der Klage bereits im September 2013 statt. Die zunächst eingelegte Berufung nahm der Beklagte jedoch zurück, sodass diese Entscheidung nunmehr rechtskräftig ist.

Lebensunterhalt muss gesichert sein

Nach Auffassung des Gerichtes hat der Kläger gegen den Beklagten aus § 115 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 612 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Erstattung der erbrachten Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Gemäß § 115 Abs. 1 SGB X geht der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt gegen seinen Arbeitgeber auf den Leistungsträger über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch nicht erfüllt und deswegen ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Im entschiedenen Fall hat der Beklagte den Anspruch seiner Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt deswegen nicht erfüllt, weil er ein sittenwidrig niedriges Entgelt gezahlt hat.

Der Kläger hat hier die im Hotel- und Gaststättengewerbe in der betreffenden Wirtschaftsregion üblicherweise an gering Qualifizierte gezahlte Vergütung zugrunde gelegt und seine aus den Arbeitsvermittlungen erworbenen Kenntnisse berücksichtigt. Der übliche Stundenlohn wäre somit ein Satz von 6,78 Euro.

Wucherlohn

Der vom Beklagten gezahlte Lohn liegt jedoch mehr als zwei Drittel unter der üblichen Vergütung, sodass es sich um einen Wucherlohn im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB handelt.

Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass das Arbeitsentgelt der Fahrer des Beklagten möglicherweise durch Trinkgelder erhöht wurde. Der Beklagte hat keine konkreten Summen angegeben, sodass nicht geprüft werden konnte, ob ein solcher Fall vorliegt.

Weitere Infos: Stefan Engelhardt ist Rechtsanwalt und Landesregionalleiter "Hamburg" der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V., www.mittelstands-anwaelte.de
Kontakt: Stefan Engelhardt, Roggelin & Partner, Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwälte Partnerschaft, Alte Rabenstraße 32, 20148 Hamburg, Tel.: 040 769999-31, E-Mail: stefan.engelhardt@roggelin.de, Internet: www.roggelin.de

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