Arbeitgeber darf Unterlassung verlangen

Kein Streikaufruf im Intranet



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Ein Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, einen vom Arbeitgeber für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellten personenbezogenen E-Mail-Account für die betriebsinterne Verbreitung eines Streikaufrufs seiner Gewerkschaft an die Belegschaft zu nutzen. Michael Henn nennt Einzelheiten.
Klärungen nötig: Viele Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber landen vor Gericht.
Klärungen nötig: Viele Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber landen vor Gericht.
Foto: h_lunke - Fotolia.com

Der Fall: Die Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus mit 870 Beschäftigten. Der an dem Verfahren beteiligte Arbeitnehmer ist Betriebsratsvorsitzender und Mitglied von ver.di. Nach einer Anordnung der Arbeitgeberin ist die Nutzung ihres Intranets ausschließlich dienstlichen Zwecken vorbehalten. Für den 13. April 2011 rief ver.di zu einem Warnstreik bei der Arbeitgeberin auf. Diesen Aufruf leitete der Arbeitnehmer über das Intranet der Arbeitgeberin an alle Mitarbeiter weiter und rief die Beschäftigten auf, sich an dem Streik zu beteiligen. Er signierte die E-Mail mit den Worten: "Für die ver.di-Betriebsgruppe" und fügte seinen Namen an.

Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht, ihr stehe wegen der Verletzung des arbeitskampfrechtlichen Neutralitätsgebots aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ein Unterlassungsanspruch zu. Der Arbeitnehmer hat sich darauf berufen, nicht als Betriebsratsvorsitzender, sondern als Mitglied der ver.di-Betriebsgruppe gehandelt zu haben. Die Arbeitgeberin habe zum Schutze seiner individuellen Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG die Nutzung ihres Intranets für die Verbreitung des Streikaufrufs zu dulden.

Die Vorinstanzen haben dem Antrag der Arbeitgeberin entsprochen. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitnehmers blieb vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ohne Erfolg (Mitteilung des BAG vom 15.10.2013 zu seinem Beschluss vom selben Tag, Az. 1 ABR 31/12). Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ergibt sich zwar aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kein Unterlassungsanspruch der Arbeitgeberin. Dieser folgt jedoch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach kann der Eigentümer vom Störer die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen seines Eigentums verlangen.

Eigentum darf nicht beeinträchtigt werden

Hierfür ist unerheblich, ob dem Arbeitnehmer der dienstlichen Zwecken vorbehaltene Intranetzugang oder der personenbezogenen E-Mail-Account (Vorname.Name@Arbeitgeber.de) in seiner Funktion als Amtsträger oder unabhängig davon zur Verfügung gestellt wurde. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, die Verbreitung von Streikaufrufen über ihr Intranet gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden. Von ihr kann nicht verlangt werden, durch eigene Betriebsmittel die koalitionsspezifische Betätigung eines Arbeitnehmers in einem gegen sie gerichteten Arbeitskampf zu unterstützen.

Weitere Informationen: Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart (www.vdaa.de).
Kontakt: Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll, Theodor-Heuss-Str. 11, 70174 Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de

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