Bedingungen sind unübersichtlich

So sponsert der Fiskus die Berufsausbildung



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Viele Berufseinsteiger und Karrierewillige können sich freuen. Laut aktueller Rechtsprechung sind möglicherweise alle Kosten einer Berufsausbildung von der Steuer absetzbar. Was zu beachten ist, sagt Dr. Stephanie Thomas.
Kosten der Berufsausbildung lassen sich manchmal vollständig von der Steuer absetzen. Bei der Geltendmachung achtet das Finanzamt darauf, ob eine Erst- oder eine Zweitausbildung vorliegt.
Kosten der Berufsausbildung lassen sich manchmal vollständig von der Steuer absetzen. Bei der Geltendmachung achtet das Finanzamt darauf, ob eine Erst- oder eine Zweitausbildung vorliegt.
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Eine gute Berufsausbildung hat ihren Preis. Für Schul- oder Studiengebühren, Arbeitsmittel, auswärtige Unterbringung und Fahrten zwischen Wohnung und Ausbildungsort fallen schnell hohe Summen an. Kosten der Berufsausbildung lassen sich manchmal vollständig von der Steuer absetzen. Doch die steuerlichen Bedingungen sind komplex und für Steuerzahler nur schwer zu überblicken.

Erst- oder Zweitausbildung

Die Finanzbehörden achten genau darauf, ob es sich eine Erst- oder Zweitausbildung handelt. Diese Einstufung entscheidet darüber, in welchem Umfang Kosten geltend gemacht werden können. Die Differenzierung zwischen Erst- oder Zweitausbildung ist in der Praxis oft schwierig. Wer Streit mit den Finanzbehörden aus dem Weg gehen möchte, sollte frühzeitig steuerlichen Rat einholen. So lassen sich viele Auseinandersetzungen von vornherein vermeiden.

Bei Kosten für die erste Berufsausbildung oder das erste Studium zeigt sich der Fiskus prinzipiell knauserig. Die Aufwendungen sind nur eingeschränkt als Sonderausgaben abziehbar, es sei denn die Ausbildung oder das Studium findet im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt. Diese Regelung ist für viele Steuerzahler nachteilig ist, denn für diese Sonderausgaben gilt eine Obergrenze von 6.000 Euro jährlich. Vielfach sind die tatsächlichen Kosten deutlich höher und Steuerzahler müssen den Großteil der Kosten alleine schultern. Obendrein droht der Verlust von Sonderausgaben, wenn im gleichen Kalenderjahr keine Einkünfte erzielt werden. Gegebenenfalls sollten Eltern Vermögen mit Erträgen auf ihr Kind übertragen, um den Sonderausgabenabzug zu nutzen.

Vorweggenommene Werbungskosten

Beginnen Steuerzahler indes nach einer abgeschlossenen Erstausbildung noch eine zweite Berufsausbildung oder ein zweites Studium, sind die Aufwendungen vollständig abzugsfähig. Es handelt sich dann um vorweggenommene Werbungskosten. Sie entstehen regelmäßig in Jahren ohne Einkünfte und werden mit späteren Einkünften verrechnet. Voraussetzung ist allerdings, dass sie im Zusammenhang mit dem künftig ausgeübten Beruf stehen. Übernimmt der Arbeitgeber die Fortbildungskosten, kann er diese unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehen.

Der Bundesfinanzhof legt in einem jüngeren Urteil (BFH, Az. VI R 6/12) den Begriff "erste Berufsausbildung" sehr weit aus. Nach dem Verständnis der Münchener Richter zählen dazu alle Maßnahmen, die der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen. Maßgeblich ist, ob die Ausbildung dazu befähigt, aus der angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen. Demzufolge wertet der BFH eine innerbetriebliche Schulung zur Flugbegleiterin als erste Berufsausbildung. Wird zusätzlich noch eine Ausbildung zur Verkehrsflugzeugführerin durchlaufen, handelt es sich um eine zweite Berufsausbildung.

Die aktuelle Rechtsprechung erweitert die Chancen, den Fiskus nicht nur an den Berufsausbildungskosten zu beteiligen, sondern sie möglicherweise sogar komplett geltend zu machen. Steuerzahler sollten allerdings mit guten Argumenten vorbauen, da seitens der Finanzbehörden mit Widerstand zu rechnen ist. Gerade wenn Ausbildungen ohne staatliche Prüfung enden, werden viele Finanzämter mauern. Gegebenenfalls müssen Steuerzahler ihre Ansprüche im Klageverfahren durchsetzen. Grundsätzlich gilt: Eine Berufsausbildung vermittelt Kenntnisse und Fertigkeiten für einen neuen Beruf. Die Erlangung einer höheren Qualifikation ist keine Berufsausbildung sondern eine Fortbildung.

Tipp:

Steuerzahler sollten ihre Berufsausbildungskosten auch dann in der Steuererklärung ansetzen, wenn unsicher ist, ob schon eine abgeschlossene Ausbildung oder Studiengang vorliegt. Es ist ratsam, die weitere Rechtsprechung aufmerksam zu verfolgen. Denn wer die steuerlichen Spielregeln kennt, hat unter Umständen mehr finanziellen Spielraum für eine qualifizierte Ausbildung.

Weitere Informationen: Dr. Stephanie Thomas, Rechtsanwältin und Steuerberaterin bei der Mönchengladbacher Wirtschaftskanzlei WWS Wirtz, Walter, Schmitz GmbH, www.wws-gruppe.de

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