Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf Antrag von neun wahlberechtigten Arbeitnehmern die im Frühjahr 2010 durchgeführte Betriebsratswahl im Volkswagen-Werk Hannover für unwirksam erklärt. Darauf verweist der Kieler Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens Klarmann, Vizepräsident des VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die entsprechende Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12.06.2013 zu seinem Beschluss vom selben Tage, Az.: 7 ABR 77/11.
Die Wahl eines Betriebsrats ist anfechtbar, wenn die Zahl der in den Wahlurnen befindlichen Stimmen mit der Zahl der Stimmabgabevermerke in der Wählerliste nicht übereinstimmt und die Differenz so groß ist, dass sie das Wahlergebnis beeinflussen konnte.
Nach § 19 BetrVG kann die Wahl eines Betriebsrats beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist. Das gilt nicht, wenn durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren ist § 12 Abs. 3 der Wahlordnung zum BetrVG (WO).
Der Wahlvorgang
Danach wirft der Wähler bei der Wahl den Wahlumschlag, in den der Stimmzettel eingelegt ist, in die Wahlurne ein, nachdem die Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt worden ist. Durch den in der Wählerliste anzubringenden Stimmabgabevermerk wird verhindert, dass nicht zur Wahl berechtigte Personen eine Stimme abgeben oder Wahlberechtigte mehrfach wählen. Bei elektronisch geführten Wählerlisten kann die Stimmabgabe auch elektronisch vermerkt werden. Eine spätere Ergänzung oder Berichtigung der Stimmabgabevermerke ist nicht zulässig.
Die Stimmabgabe der Wähler kann auch nicht auf andere Weise als durch die Vermerke in der Wählerliste festgestellt oder bewiesen werden. Ergibt sich nach Abschluss der Wahl, dass sich in den Wahlurnen mehr Stimmzettel befinden, als die Wählerliste an abgegebenen Stimmen ausweist, lässt sich der hieraus folgende Verstoß gegen § 12 Abs. 3 WO nicht nachträglich heilen. Insbesondere kann nicht auf andere Weise – etwa durch nachträgliche Auswertung von Protokollierungsdateien oder durch Befragung von Zeugen – der Nachweis geführt werden, dass weitere Wähler als diejenigen, deren Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt ist, ihre Stimme abgegeben haben.
Beeinflussung des Wahlergebnisses möglich
Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts erklärte daher – anders als zuvor das Landesarbeitsgericht - auf Antrag von neun wahlberechtigten Arbeitnehmern die im Frühjahr 2010 durchgeführte Betriebsratswahl im Volkswagen-Werk Hannover für unwirksam, so Klarmann. Bei der Wahl befanden sich 105 mehr Stimmzettel in den Wahlurnen als Stimmabgabevermerke in der elektronischen Wählerliste. Hierdurch konnte das Wahlergebnis beeinflusst werden. Der später unternommene Versuch, durch Auswertung von Protokollierungsdateien und Befragung von Arbeitnehmern die Differenz zu erklären, war nicht zulässig.
Klarmann empfiehlt, dies beachten sowie in Zweifelsfällen um Rechtsrat nachzusuchen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (www.vdaa.de) verweist.
Weitere Informationen und Kontakt:
Jens Klarmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und VDAA-Vizepräsident, c/o Passau, Niemeyer & Kollegen, Walkerdamm 1, 24103 Kiel, Tel.: 0431 974300, E-Mail: j.klarmann@pani-c.de, Internet:
www.pani-c.de
- Ware kaputt – Anspruch auf Gewährleistung
Wer zahlt für den Aus- und Einbau beim Austausch defekter Ware? Ein leidiges Streitthema zwischen Verkäufer und Käufer, zu dem der EuGH Stellung genommen hat. - Keine Einsicht in Bewerbungsunterlagen anderer
Arbeitgeber müssen keine Informationen aus dem Bewerbungsprozess herausgeben und nicht offenlegen, ob und nach welchen Gesichtspunkten sie Bewerber eingestellt oder abgelehnt haben. Details von Eva Wißler. - Im Kassenbereich gestürzt – Betreiber trägt Mitschuld
Der Betreiber eines Baumarkts muss die Fußböden insbesondere im Kassenbereich seiner Geschäftsräume regelmäßig kontrollieren und die eine Rutschgefahr begründenden Verunreinigungen sofort beseitigen. - Ferienhausvermietung übers Internet
Ein Vermieter von Ferienwohnungen muss in seiner Internetwerbung im Preis für die Wohnungen auch die zwingend anfallenden Kosten für die Endreinigung einrechnen. - "Sie können gehen – aber Ihr Xing-Account bleibt hier"
Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Xing sind aus dem Berufsalltag von vielen Angestellten nicht mehr wegzudenken. Aber wem "gehören" die dort beruflich veranlassten Kontakte? - Abkehrwille rechtfertigt keine Kündigung
Grundsätzlich können sich Arbeitsunfähigkeit und die Teilnahme an einem Vorstellungstermin ausschließen. Doch es gibt Ausnahmen. - Streit über Angaben des Autoverkäufers
Immer wieder ist strittig, ob der Käufer eines Autos Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer wegen Nichterteilung der Umweltplakette in Anspruch nehmen kann. - Betriebsratswahl wegen Stimmabgabe unwirksam
Die Wahl eines Betriebsrats ist anfechtbar, wenn die Zahl der abgegebenen Stimmen mit der Zahl der Stimmabgabevermerke in der Wählerliste nicht übereinstimmt und die Differenz so groß ist, dass sie das Wahlergebnis beeinflussen könnte. - Fahrradunfall ohne Helm – Mitschuld
Eine Fahrradfahrerin trifft bei einem Unfall ein Mitverschulden, weil sie keinen Helm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen hat (sogenanntes Verschulden gegen sich selbst). - Zweifel an der Radarmessung
Hans-Georg Herrmann befasst sich mit der Frage, ob der Verteidiger ein Recht auf Einsicht in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes hat. - Bilder im Internet gestohlen – und was nun?
Fotos haben im Internet eine herausragende Bedeutung – und sorgen häufig für Streitfälle zwischen dem Urheber oder Rechteinhaber und demjenigen, der die Bilder unerlaubt verwendet hat. Wir geben Antworten zu rechtlichen Fragen.