EuGH stärkt Verbraucherrechte

Ware kaputt – Anspruch auf Gewährleistung



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Wer zahlt für den Aus- und Einbau beim Austausch defekter Ware? Ein leidiges Streitthema zwischen Verkäufer und Käufer, zu dem auch der EuGH einst Stellung genommen hat.

Dem Verbraucher stehen umfangreiche Rechte zu, wenn er mangelhafte Ware geliefert bekommt. Aber wer trägt eigentlich die Kosten für den Ausbau von mangelhafter Ware und die Kosten für den Wiedereinbau der neu gelieferten? Diese Frage hatte einst der Europäische Gerichtshof (EuGH) in zwei Vorabentscheidungsverfahren von deutschen Gerichten zu beantworten (Rs. C-65/09 und Rs. C-87/09).

Wer trägt eigentlich die Kosten? Zwei Prozesse über mangelhafte Ware waren beim Europäischen Gerichtshof gelandet.
Wer trägt eigentlich die Kosten? Zwei Prozesse über mangelhafte Ware waren beim Europäischen Gerichtshof gelandet.

Das erste Vorabentscheidungsverfahren wurde durch den BGH initiiert. Ein Verbraucher kaufte bei einem Händler polierte Bodenfliesen. Nachdem der Verbraucher ca. zwei Drittel der Fliesen verlegt hatte, stellte er Schattierungen auf der Oberfläche fest, die mit bloßem Auge zu erkennen waren.

Daraufhin rügte er den Mangel beim Händler, welcher die Rüge aber nach Rücksprache mit dem Hersteller zurückwies. Ein vom Verbraucher eingeschalteter Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Schattierungen um Mikroschleifspuren handelte, die nicht beseitigt werden können und daher Abhilfe nur durch einen Austausch der Fliesen möglich sei. Die Kosten hierfür veranschlagte der Gutachter mit knapp 6.000 Euro.

Letztlich verklagte der Verbraucher den Händler auf Lieferung von mangelfreien Fliesen sowie zur Zahlung für den Aus- und Wiedereinbau in Höhe von 5.830,57 Euro.

Das LG Kassel wies die Klage weitestgehend ab. In der Berufung verurteilte das OLG Frankfurt am Main den Händler zur Lieferung neuer, mangelfreier Fliesen sowie zur Zahlung von 2.122,37 Euro für den Ausbau und die Entsorgung der alten Fliesen. Im Übrigen (also in Bezug auf die Erstattung der Kosten für den Wiedereinbau) wies es die Klage ab.

In der Revision legte der BGH dem EuGH folgende Frage vor:

"1. Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 der Richtlinie dahin auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, wonach der Verkäufer im Fall der Vertragswidrigkeit des gelieferten Verbrauchsguts die vom Verbraucher verlangte Art der Abhilfe auch dann verweigern kann, wenn sie ihm Kosten verursachen würde, die verglichen mit dem Wert, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit unzumutbar (absolut unverhältnismäßig) wären?

2. Falls die erste Frage zu bejahen ist: Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie dahin auszulegen, dass der Verkäufer im Fall der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch Ersatzlieferung die Kosten des Ausbaus des vertragswidrigen Verbrauchsguts aus einer Sache, in die der Verbraucher das Verbrauchsgut gemäß dessen Art und Verwendungszweck eingebaut hat, tragen muss?”

Richtlinie über Verbrauchsgüterkauf

Diese Vorschriften stehen in der Richtlinie zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (RL 1999/44/EG). In Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie heißt es: "Bei Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6.”

Der Begriff der Unentgeltlichkeit wird später noch näher definiert: "Der Begriff ‚unentgeltlich‘ in den Absätzen 2 und 3 umfasst die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes notwendigen Kosten, insbesondere Versand-, Arbeits- und Materialkosten.”

Überlegungen des BGH

Im deutschen Recht findet sich kein direkter Anspruch für die Kostenerstattung des Aus- und Wiedereinbaus. Daher hänge die Frage von der Auslegung des europäischen Rechts ab.

Der BGH führte hierzu aus, dass der in der Richtlinie gewählte Begriff "Ersatzlieferung” darauf schließen lasse, dass nicht nur ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut zu liefern sei, sondern darüber hinaus auch das mangelhafte Verbrauchsgut zu ersetzen und damit zu entfernen sei. "Zudem könnte die nach Art. 3 Abs. 3 gebotene Berücksichtigung der Art und des Verwendungszwecks des Verbrauchsguts im Zusammenhang mit der Pflicht zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands dafür sprechen, dass der Verkäufer im Zuge der Ersatzlieferung mehr als nur die Lieferung des vertragsgemäßen Verbrauchsguts, nämlich auch die Beseitigung des mangelhaften Verbrauchsguts schulde, um die art- und zweckentsprechende Verwendung des Ersatzes zu ermöglichen.”

Zur Startseite