Die Anbieter kommerzieller Linux-Server nutzen Microsofts Produktpolitik im Hinblick auf die Einstellung des Small Business Server 2011 als willkommenen Anlass, den Absatz Ihrer Produkte anzukurbeln. Die Chancen dafür stehen gar nicht schlecht: Nach Jahren mühevoller Arbeit liegt die Open-Source-Implementation von Microsofts Domänen- und Netzwerk-Diensten "Samba" endlich in der stabilen Version 4.0 vor. Mit Samba 4 erfüllt Linux alle Voraussetzungen, eine komplette Windows-Domäne mit Datei-, Druck und Authentifizierungs-Diensten zu versorgen - und das ganz ohne Microsoft-Technologie. Dass also gerade jetzt kommerzielle Linux-Server unter der Flagge "SBS-Alternative" auf sich aufmerksam machen ist kein Zufall, sondern zielt unmittelbar auf Microsofts Aufgabe des Small Business Servers.
Sackgasse Windows Server 2012 Essentials
Die ist nämlich für ehemalige SBS-Nutzer aus finanzieller Sicht prekär: Der von Microsoft geschickt als SBS-Alternative aus dem eigenen Haus positionierte "Windows Server 2012 Essentials" enthält kein Exchange und kein Sharepoint; zudem hat der Konzern den "Freibetrag" für nicht berechnete Client Access Lizenzen (CALs) auf 25 reduziert. Unterm Strich spekulieren die Redmonder darauf, dass Nutzer von "Windows Server 2012 Essentials" benötigte Services wie etwa Groupware (Exchange) in der Microsoft-Cloud (Office 365) dazu buchen, was Microsoft zusätzliche Einnahmen aus der Wolke bescheren würde. Die Alternativen aus Redmond, entweder zusätzliche Exchange- beziehungsweise Sharepoint-Lizenzen zur lokalen Installation zu erwerben oder auf die nächstgrößere Server-Version hochzurüsten könnten je nach Unternehmensgröße zu einer Kostenvervielfachung gegenüber der Situation beim Small Business Server 2011 führen, erst recht wenn mehr als 25 CALs anfallen.
Schlüsseltechnik: Active Directory via Samba
Linux-Distributionen gibt es wie Sand am Meer. Die meisten davon können den Microsoft SBS theoretisch ersetzen. Dazu ist es erforderlich, proprietäre Netzwerk- und Authentifizierungs-Dienste von Microsoft transparent durch Open-Source-Werkzeuge "emulieren zu lassen", sodass Windows-Arbeitsplatzsysteme "den Unterschied nicht bemerken". Samba gehört hierbei zu den Schlüsseltechnologien und exportiert in Version 3.x seit Jahrzehnten zuverlässig Datei- und Druckdienste auf einem Linux-Server über das CIFS/SMB-Protokoll. In Version 4 ist Samba seit Kurzem in der Lage, ein Active Directory auf einem Linux-Server anzubieten und damit die Rolle eines Domänen-Controllers in einer Windows-Domäne zu übernehmen. Um ein zentrales Authentifizieren an einer Windows-Domäne kümmert sich die freie Kerberos-Implementation Heimdal. Stellt der Linux-Server via Samba 4 selbst den Microsoft-Verzeichnisdienst zur Verfügung, kommt dazu die in Samba 4 enthaltene Kerberos-Implementation in Zusammenarbeit mit OpenLDAP zum Einsatz. Wahlweise kann beispielsweise der Univention Corporate Server (UCS) mit seinem Active Directory Connector die von ihm angebotene Dienste auch zum Authentifizieren an einen existenten Windows Domänen-Controller weiterreichen. Ein Sonderfall stellt das Ersetzen von Exchange-Services dar, was derzeit am besten mit dem vom deutsch-niederländischen Unternehmen Zarafa entwickelten Groupware-Server funktioniert. Er ist in der Lage, MAPI-Services auf einem Linux-Server anzubieten, womit auf den Arbeitsplätzen weiterhin MS-Outlook als Grouware-Client verwendet werden kann.
"Normale" Linux-Distributionen zu komplex für den Mittelstand
Wer das alles mit einer "gewöhnlichen" Linux-Distribution erreichen möchte, braucht fundiertes Knowhow zum Installieren und Konfigurieren der dazu benötigten Open-Source-Komponenten. Kleine und mittlere Unternehmen, die einen Umstieg vom Windows Small Business Server auf ein Linux-System erwägen, verfügen allerdings in der Regel nur über begrenztes IT-Know-How und bringen oft überhaupt keine Linux-Kenntnisse mit. Damit reduziert sich das Angebot geeigneter Linux-Server auf wenige kommerziell vermarktete Produkte, die sich weitgehend ohne tiefe Linux-Kenntnisse installieren, konfigurieren und administrieren lassen und deren Anbieter technisch und wirtschaftlich in der Lage sind, Support und Maintenance auf dem von KMUs erwarteten Niveau zu liefern. Der Corporate Server der Bremer Univention GmbH, der Zentyal Small Business Server des spanischen Unternehmens eBox Technologies S.L. und das von der amerikanischen ClearCenter Corp. entwickelte ClearOS Professional sind kommerziell entwickelte Linux-Server mit dem Anspruch, sich nahezu ohne Linux-Kenntnisse installieren und mithilfe eines Webinterface verwalten zu lassen. Alle drei Hersteller vertreiben Ihre Produkte über ein Subskriptionsmodell mit unterschiedlich abgestuften Leveln für Support und Maintenance. Das Attribut "Small-Business-Server-Alternative" wurde den Probanden mit Ausnahme von eBox-Technologies nicht vom jeweiligen Hersteller selbst verpasst. Die Produkte sind allesamt bereits einige Jahre am Markt und adressieren mit Ihren Funktionsumfängen neben kleinen auch mittelständische Unternehmen, die einen auf Open-Source-Technologien basierenden Server suchen. Neben dem Ersetzen von Microsoft-Technologien können die drei Kandidaten beispielsweise auch als Virtualisierungsplattform, Gateway, Router, VPN oder Intrusion-Detection-System dienen. Durch das Installieren zusätzlicher Software verwandeln sie sich auf Wunsch in eine Cloud-Plattform, arbeiten als Groupware-Server oder als Dokumentenmanagement-System (DMS). Univentions Corporate Server wird mit Open-Xchange sogar zu einer Plattform für soziale Netze und Unified Communications.
Auf den folgenden Seiten finden Sie detaillierte Besprechungen der drei SBS-Pakete. Einen schnellen Überblick gibt unsere Bilderstrecke.
- Univentions Corporate-Server (UCS)
Univentions Corporate-Server (UCS) unterstützt ein durchdachtes Rollen-Konzept und ist in der Lage, verschiedenste Client-Systeme in seiner Domäne zu verwalten. - Univentions Corporate-Server (UCS)
Der UCS kann out-of-the-box die Rolle eines Windows-Domänen-Controllers übernehmen. - Univentions Corporate-Server (UCS)
Der UCS lässt sich vollständig über ein modernes AJAX-Webinterface administrieren. - Univentions Corporate-Server (UCS)
SMB-Freigaben gehören zur einfachsten Disziplin eines Linux-SBS. - Univentions Corporate-Server (UCS)
Per App-Center lassen sich beim UCS Partnerlösungen komfortabel installieren. - Univentions Corporate-Server (UCS)
Dank LDAP-Integration lassen sich auch Zarafa-Nutzer in der Benutzerverwaltung des UCS anlegen. - Univentions Corporate-Server (UCS)
Für die Zarafa-Groupware fallen gegebenenfalls weitere Client-Lizenzen an. - ClearOS
Der App-Store von ClearOS ist weitaus umfangreicher bestückt, als der von Univention. - ClearOS
Das Dashboard ist Teil der modernen und intuitiv nutzbaren Web-Oberfläche von ClearOS. - ClearOS
Auch ClearOS bringt einen Active Directory Connector mit. - Zentyal
Zentyal bietet das mit Abstand größte Angebot an Software aus dem Canonical-Universum. - Zentyal
Auch Zentyal bietet mit wenig Aufwand die Möglichkeit zum Einsatz der Zarafa-Groupware. - Zentyal
Zahlreiche weitere Tools und Komponenten lassen sich rasch nachinstallieren.