Wachsender Widerstand

Die amerikanische Internet-Wirtschaft leidet unter dem NSA-Skandal

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Mit ihren ungezügelten Spionageaktivitäten schaden die amerikanischen Geheimdienste auch ihrer eigenen Internet-Wirtschaft. Der Widerstand wächst.

von Heinrich Vaske (Chefredakteur der CP-Schwesterpublikation Computerwoche)
Nachdem bekannt wurde, dass im Rahmen des Prism-Programms der National Security Agency (NSA) auch US-Konzerne wie Apple, Google, Facebook und Yahoo ausspioniert wurden, wächst die Nervosität im Silicon Valley. Dabei fallen die Prognosen zu den voraussichtlichen Schäden für die Unternehmen aus der Bay Area unterschiedlich aus: Die Analysten des amerikanischen IT-Verbands Information Technology & Innovation Foundation (ITIF) fürchten, dass sich der Schaden für amerikanische Cloud-Provider bis 2016 auf rund 35 Milliarden Dollar beläuft.

Das halten die Marktforscher von Forrester Research sogar für eine äußerst optimistische Einschätzung. Der Analyst James Staten, der sich mit wirtschaftlichen Trends beschäftigt, erwartet Kosten von 180 Milliarden Dollar, die auf die amerikanische Internet-Wirtschaft zukommen könnten. Dabei handele es sich nicht nur um entgangene Umsätze aus Übersee, sondern auch aus dem eigenen Land.

Skandal ohne Ende

Angesichts des nicht enden wollenden Stroms an Enthüllungen scheinen beide Prognosen gewagt. Niemand wird für sich in Anspruch nehmen können, ernsthaft zu prognostizieren, in welchem Ausmaß Geschäfte aufgrund des Skandals verhindert werden. So ist es nur folgerichtig, dass Unternehmen wie Google, Oracle, Salesforce.com oder Yahoo dazu nicht ins Detail gehen.

Interessanter sind daher die Erfahrungsberichte einzelner Unternehmen aus dem Silicon Valley, die derzeit international Geschäfte machen wollen. Die US-Website Siliconvalley.com zitiert beispielsweise Andreas Baumhof, den Chief Technology Officer (CTO) von ThreatMetrix aus San Jose, Kalifornien. "In Europa ist die Stimmung so, dass die Leute sich fragen: ‚Kann ichwirklich noch Cloud-Geschäfte mit einem US-Unternehmen machen?‘" Wie der Cheftechniker des Security-Anbieters behauptet, denken das "derzeit wirklich alle".

Eine Untersuchung der Cloud Security Alliance unter ihren Mitgliedern gibt Baumhof recht: Von 207 befragten Unternehmen, die nicht aus den USA stammen, gaben zehn Prozent an, sie hätten ein Cloud-Projekt mit amerikanischen Providern gecancelt. Sogar 56 Prozent gaben zu Protokoll, es sei "weniger wahrscheinlich", dass sie einen US-Provider für Cloud-Vorhaben heranziehen würden. Auch das Information Technology Industry Council warnte, dass "die Datensammlungs- und Überwachungsprogramme der US-Regierung die innovative Dynamik der digitalen Wirtschaft" bedrohten. Viele US-Unternehmen bekämen negatives Feedback von den globalen Marktplätzen.

Security-Branche profitiert

Immerhin gibt es auch einen Wirtschaftszweig, der von den Übergriffen der US-Geheimdienste profitiert: die IT-Sicherheitsindustrie. "Unsere Geschäfte wachsen rasant", freut sich Jeff Hudson, CEO von Venafi, einem US-Anbieter von Sicherheitslösungen. "Die Menschen wachen auf, weil diese Vorfälle immer und immer wieder passieren."

Zudem hat Googles Ankündigung, größere Teile seines Netzwerks zu verschlüsseln, das Sicherheitsbewusstsein geschärft. Zuvor war bekannt geworden, dass die NSA auch Glasfasernetze angezapft hatte, die von Google und Yahoo benutzt werden. In den Staaten ist der Netzwerkverkehr oftmals nicht verschlüsselt, was Sicherheitsexperten seit langem ein Dorn im Auge ist.
(rb)

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