(NEU: Aussagen des Vorstandes, Details, Hintergrund, Aktienkurs) Von Olaf Ridder und Kirsten Bienk DOW JONES NEWSWIRES
HAMBURG (Dow Jones)--Gegen den Widerstand ihrer Hauptaktionäre übernimmt die freenet AG die Stuttgarter debitel-Gruppe vom Finanzinvestor Permira. Am Sonntag einigten sich beide Seiten auf eine 1,63 Mrd EUR schwere Transaktion, aus der mit 19 Millionen Kunden der drittgrößte Mobilfunkanbieter auf dem deutschen Markt hervorgeht. An der Börse wurde die Ankündigung mit anfangs deutlichen Abschlägen bei der freenet-Notierung quittiert.
Deren Vorstandsvorsitzender Eckhard Spoerr sprach während einer Pressekonferenz am Vormittag von einem "Meilenstein in der lang diskutierten Konsolidierung im deutschen Telekommunikationsmarkt". Nach seiner Darstellung kommt freenet damit auf 20% Marktanteil im deutschen Mobilfunkgeschäft. Bis zum Jahr 2010 will der Vorstand pro Jahr 50 Mio EUR Synergien heben. Was dies für Mitarbeiter und Standorte bedeutet, soll sich im Laufe des Jahres zeigen.
Die freenet-Großaktionärin United Internet hatte bis zuletzt versucht, die Übernahme der mit gut 1,1 Mrd EUR verschuldeten debitel-Gruppe zu verhindern, die im vergangenen Jahr auf etwa 3,37 Mrd EUR Umsatz kam. Noch am Sonntag wurde ein Brief öffentlich, in dem United-Internet-Vorstandsvorsitzender Ralph Dommermuth den Hamburgern 16 EUR je freenet-Aktie bot. Spoerr nannte auch diesen Preis "zu niedrig". Im Übrigen habe es nie ein konkretes Übernahmeangebot gegeben, spielte er die Bedeutung des Vorschlags herunter.
United Internet wollte freenet gemeinsam mit Drillisch selbst übernehmen und dann aufteilen. Beide zusammen halten über die MSP Holding bereits gut 25% an freenet. Nach Darstellung von Dommermuth haben beide Unternehmen Zusagen für weitere 32,6% freenet-Anteile. Dagegen erklärte Spoerr am Montag, die debitel-Übernahme sei nicht mehr zu verhindern. Da sie den Wert des Unternehmens erhöhe, dürften die bisherigen Hauptaktionäre sie am Ende auch billigen. Deswegen rechnet er auch nicht mit "Störfeuern" seiner beiden Großaktionäre.
Spoerr bekommt im Zuge der Transaktion einen neuen Hauptaktionär. Die Private-Equity-Gesellschaft Permira, bislang vollständiger Eigentümer der debitel-Gruppe, erhält als Kaufpreis neben einem Darlehen von 132,5 Mio EUR auch 32 Mio freenet-Aktien und besitzt damit künftig knapp ein Viertel des freenet-Kapitals. Der Anteil des Konsortiums aus United Internet und Drillisch wird so auf 18,93% verwässert.
Probleme mit Permira als Großaktionärin sieht Spoerr nicht. Er rechne nicht damit, dass der Finanzinvestor bei einem späteren Verkauf seiner Beteiligung eine hohe Sonderdividende fordern wird. Ohnehin seien kreditfinanzierte Sonderdividenden nicht mit ihm zu machen, sagte Spoerr. Im laufenden Jahr soll wegen der Übernahme keinerlei Dividende gezahlt werden. Mittelfristig sind Ausschüttungen jedoch wieder vorgesehen.
Nach der Vereinbarung mit Permira übernimmt freenet die debitel Group, die im Wesentlichen aus debitel AG, Talkline GmbH und dug telecom AG besteht, ohne Barmittel aber mit 1,135 Mrd EUR Schulden. Um die Verschuldung zu senken, will sich freenet von ihren Internetaktivitäten trennen, die nicht mehr Kerngeschäft sind.
Bis Ende 2009 dürfte der Verkauf des breitbandigen Internet-Zugangsgeschäftes abgeschlossen sein, sagte Spoerr am Montag. Analysten haben den Verkaufserlös auf 400 Mio bis 600 Mio EUR geschätzt. Die debitel-Übernahme soll die Ertragssituation bei freenet verbessern. Für das Jahr 2009 plant der Vorstand mit einem EBITDA von mindestens 450 Mio EUR. Nicht eingeschlossen in diese Prognose sind das DSL-Geschäft und Einmalkosten.
Die Verkaufsverhandlungen zwischen freenet und Permira hatten Ende März begonnen. Parallel dazu bemühten sich ihrerseits United Internet und Drillisch um den Kauf von freenet, bislang jedoch ohne Erfolg. Diese Option scheint sich mit der gestrigen Entscheidung erledigt zu haben, da der United-Internet-Vorstand wiederholt ausgeschlossen hat, freenet inklusive debitel zu übernehmen. United Internet wollte sich zur jüngsten Entwicklung bei freenet bisher nicht äußern, kündigte zu einem späteren Zeitpunkt aber eine Stellungnahme an.
Für das DSL-Geschäft von freenet dürfte es einige Interessenten geben. Jüngst hatte sich auch die Versatel AG dahingehend geäußert. Nach Darstellung von Spoerr war ein Verkauf bislang nicht möglich. Am Markt habe der Eindruck geherrscht, dass United Internet als freenet-Aktionärin ohnehin Sonderkonditionen bekomme. Jetzt sei wieder richtiger Wettbewerb möglich.
Analysten nannten die Transaktion am Montag absehbar. Nach Meinung der Beobachter von UniCredit entsprechen auch die Details den bereits in der Presse kolportierten Bedingungen. Von der LBBW hieß es, die erwarteten Synergien rechtfertigten den hohen Preis.
Die freenet-Aktie kam vor allem im frühen Handel deutlich unter Druck. Das Papier eröffnete mit einem Minus von 7,5%. Bis 14.37 Uhr erholte sich die Aktie und notierte mit 3,7% im Minus bei 10,84 EUR. Anleger, die auf eine Übernahme von freenet durch United Internet und Drillisch gehofften hatten, hätten sich von ihren Aktien getrennt, schätzten Beobachter.
Sal. Oppenheim kündigte an, ihre Kaufempfehlung für die freenet-Aktie zu überprüfen. Das Management habe mit der debitel-Übernahme gegen die Interessen der Mehrheit entschieden, wenngleich sich der Deal langfristig als wertschaffend erweisen könne. Den fairen Wert sehen die Analysten von Sal. Oppenheim bei 14 EUR.
Webseiten: http://www.freenet.ag/ http://www.debitel.ag/ http://www.united-internet.de/ -Von Olaf Ridder und Kirsten Bienk, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 29725 111, unternehmen.de@dojones.com DJG/rio/kib/jhe
Copyright (c) 2008 Dow Jones & Company, Inc.