ChannelPartner Kongress 2023 - die Nachlese

Zwischen War for Talents und Künstlicher Intelligenz

Folker Lück ist freier Autor aus Düsseldorf.


tellyou ist das im Jahr 1999 gegründete Redaktionsbüro der freien Journalisten Elke von Rekowski und Folker Lück. Seitdem haben wir – grob überschlagen – fast 12.000 Artikel verfasst.

Unsere Artikel sind im Handelsblatt und in der FAZ, in renommierten Fachzeitschriften wie ChannelPartner und Computerwoche, in den VDI-Nachrichten und auf Focus online erschienen. Das ist nicht Quantität, sondern Qualität in der deutschen Medienlandschaft. Auch gut gemachte Kundenmagazine sind weit entfernt von langweiligen Werbebotschaften. Deshalb schreiben wir auch für namhafte Unternehmen und für die Mitgliederzeitschriften bekannter Verbände.

Nicht zuletzt: Im Frühjahr 2016 haben wir erfolgreich unser Digitalhealth-Newsportal mednic.de gestartet! Werfen Sie doch einmal einen Blick darauf!
Der ChannelPartner Kongress 2023 war eine Fachveranstaltung, wie sie im Buche steht. Sie war nicht nur sehr gut besucht, sondern es wurde angeregt zugehört und kontrovers diskutiert. Das erlebt man nicht alle Tage.

Vorweggeschickt: Die Autoren dieses Artikels wurden von ChannelPartner bezahlt und bekanntlich sägt man nicht den Ast ab, auf dem man sitzt. Der Auftrag aber lautete: Schaut Euch unsere Veranstaltung an und schreibt als neutrale Beobachter eine Nachlese darüber, was ihr gut oder interessant fandet. Und auch darüber, was Euch negativ aufgefallen ist." Die Autoren haben in ihrem Berufsleben schon hunderte Channel-Veranstaltungen - Messen, Kongresse und Workshops - besucht. Alte Hasen, sozusagen. Gesehen haben wir richtig spannende Events, aber auch ziemliche Reinfälle.

Klares Fazit zuerst: Der ChannelPartner Kongress 2023 gehört definitiv nicht in die Kategorie "Reinfall". Die Kritikpunkte sind ziemlich schnell abgehandelt: Ein paar Besucher vermissten einen schillernden Keynote-Speaker. Wenn schon nicht Elon Musk, dann vielleicht zumindest Richard David Precht? Der wohnt in Düsseldorf und hätte mit dem Fahrrad kommen können.

Projektmanagerin Live & Digital Maria Kornhoff begründet den fehlenden Promi-Vortrag ganz offen: "Bei einem prominenten Keynote-Speaker wird am Ende zwar vielleicht gelacht und applaudiert, aber es bringt die Teilnehmer nicht weiter!" Klare Ansage! Nutzwert soll geboten werden, kein Entertainment. Punkt zwei auf unserer kurzen Negativ-Liste: Es war uns zu warm! Auch wenn man sich kennt und duzt: man mag ja nicht in Badeshorts und T-Shirt herumlaufen. Doch dieses Manko lag weder am Hotel - die Klimatisierung funktionierte tadellos - noch an ChannelPartner. Es war schlicht recht warm. Kann passieren Anfang September.

Zu den positiven Fakten: Der Kongress war sichtlich gut besucht - fast 300 Teilnehmende waren vor Ort. Ein großes Auditorium! Geboten wurden an den zwei Tagen 34 Vorträge und interaktive Sessions, die niemand allesamt besuchen konnte. Was wir sagen können: Es war kein Programmpunkt dabei, den wir nicht ohne neue Erkenntnisse verlassen haben. Das kann man wahrlich nicht von jeder Veranstaltung behaupten.

Branchen-Optimismus

ChannelPartner-Chefredakteur Ronald Wiltscheck machte den Anfang und begrüßte das Podium gleich mit einer guten Nachricht: Während die deutsche Wirtschaft insgesamt alles andere als rund läuft, gehe es der ITK-Branche gut - sie wächst deutlich stärker als das deutsche Bruttoinlandsprodukt. Eine ermutigende Botschaft! Die zentralen Technik-Themen sind IT-Security, die Digitalisierung von Geschäftsprozessen, Netzwerk- und Cloud-Lösungen, Managed Services und - erstmals auf der Hitliste - künstliche Intelligenz.

Friedrich Pollert von der Synaxon Akademie und Georg Schiedel, Partner Manager bei der iTeam-Kooperation verdeutlichten, dass es nach wie vor Licht und Schatten in der Branche gibt. So leiden die deutschen Marktteilnehmer weiterhin unter West-Ost- und Süd-Nord-Gefälle. Bundesweit kämpft die Branche mit dem Fachkräftemangel, wodurch immer wieder Aufträge verloren gehen. Georg Schiedel zeigte sich angesichts dieser Herausforderung dennoch optimistisch, denn der Mangel forciere das "Helfersyndrom", wie es beispielsweise in der iTeam-Kooperation gelebt werde.

Bechtle-Bereichsvorstand Frank Giers fokussierte in seiner branchennahen Keynote zum Wandel im IT-Dienstleistermarkt insbesondere die Themen Nachhaltigkeit, IT-Resilienz und Cybersecurity. Seine dringende Botschaft an die Zuhörer: Mehr Branchenorientierung! Nur wer seine Kunden und deren Abläufe gut kennt, kann deren Probleme zufriedenstellend lösen. Und das sollte unbedingt das Ziel sein: "Der Erfolg meines Kunden muss mein Ziel sein!"

CIOs reden Tacheles

Mucksmäuschenstill wurde es im Plenum, als mit Thomas Schott (RAPA), Zafer Nalbant (Gerresheimer AG) und Christian Niederhagemann (GEA Group) gleich drei leibhaftige IT-Verantwortliche von namhaften, deutschen Unternehmen auf dem Podium saßen und aus dem Nähkästchen plauderten. Eines dieser Unternehmen als treuen Kunden zu gewinnen, wäre für viele Systemhäuser sicherlich ein echter Gewinn. Doch gar nicht so einfach! Wie kommt man mit einem CIO überhaupt ins Gespräch? Zafer Nalbant nahm kein Blatt vor den Mund: "IT-Dienstleister sollen uns erst einmal zuhören und sich nicht sofort wie auf einem Pitch verhalten", lautete seine Forderung. Keine Powerpoint-Vorträge aus der Schublade ziehen, sondern Hausaufgaben machen!

Das Zuhören fällt allerdings schwer, wenn sich der Zuhörer rar macht. "Wir gehen auf die meisten IT-Anbieter aktiv zu. Per Mail oder LinkedIn-Botschaft werden sie mich nicht erreichen", raubte Nalbant so manchem Zuhörer jegliche Fantasien. Grundsätzlich beanstandeten die IT-Verantwortlichen das, was zuvor schon Bechtle-Vorstand Giers bemängelt hatte: Zu wenig Kenntnis vom potenziellen Neukunden. "Lesen Sie unsere Geschäftsberichte. Lesen sie, was wir auf LinkedIn veröffentlichen!" Aber auch gute Vorbereitung könne aufs Abstellgleis führen, ergänzte GEA CIO Christian Hagemann: Wer ihm eine E-Mail schreibe und die Rechtschreibung nicht beherrsche, "der vergeigt es auf der letzten Meile!" Klare Worte!

Mitarbeiter und neue Werte

Die Mitarbeitergewinnung war eines der zentralen Themen im Rahmen der interaktiven Sessions. Wie erscheint man einer Fachkraft gegenüber als attraktiver Arbeitgeber? Mit Pascal Kube (Geschäftsführer Mahr EDV) und Monique Schaumann (Lead People Experience, teccle group) saßen sich zwei ganz unterschiedliche Vortragende gegenüber. Schaumann lehnte es ab, von einem "War for Talents" zu sprechen - vielmehr gehe es um einen Wertewandel, der keineswegs über Nacht hereingebrochen ist: "In den letzten 20 Jahren hat es wahnsinnige Veränderungen gegeben!" Klar ist: Potenzielle Fachkräfte sind heute in einer weitaus stärkeren Verhandlungsposition als vor zwei Jahrzehnten.

Die Machtverhältnisse haben sich verschoben. "Der Obstkorb ist definitiv veraltet. Man muss mehr machen", unterstrich Pascal Kube. Nachfragen und zuhören zum Beispiel. Oder nach einem guten Projektabschluss feiern gehen, so Kube. Das ging Schaumann persönlich dann doch zu weit. Aber wie heißt es im Rheinland so schön? "Jeder Jeck ist anders".

Bildungsmarkt und Bürokratie

Doch es ging nicht nur um Abstraktes oder gar philosophische Fragen auf dem ChannelPartner Kongress, sondern auch um ganz konkrete Möglichkeiten, das eigene Geschäft vorwärts zu bringen. Zum Beispiel, indem man Bildungseinrichtungen kontaktiert und hier oftmals überforderte Lehrer als ehrenamtliche Netzwerkadministratoren unterstützt oder ablöst. Wie das geht, schilderte Account Manager Dennis Klune von TP Link, der mit Stephanie Grube von K&K Multimedia gleich eine Partnerin dabeihatte, deren Systemhaus sich in Rheinland-Pfalz fest in diesem Markt etabliert hat. Beinahe unglaublich ist das finanzielle Potenzial, das primär aufgrund bürokratischer Hürden nur sparsam abgerufen wird: So stellt der Digitalpakt IV zur Digitalisierung von Bildungsreinrichtungen bis 2024 rund 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung - bislang aufgebraucht sind erst rund 1,5 Milliarden.

Abendveranstaltung

Bei bestem Wetter ließen die Kongressbesucherinnen und -besucher den ersten Tag ausklingen. Es wurde gegrillt und die Teilnehmenden nutzten die Abendveranstaltung zum Austausch. Ein guter Ort zum Netzwerken, befindet iTeam-Partnermanager Georg Schiedel. Er lobt die gute Atmosphäre. Das "Du", das während des Kongresses für die Teilnehmenden galt, habe sicherlich auch dazu beigetragen. Für Friedrich Pollert, Leiter Synaxon Akademie der Synaxon AG, ist die gute Atmosphäre und die Verbundenheit der Besucher auch das Resultat einer Entwicklung. "Das Vertrauen ist im Laufe der Jahre gewachsen." Viele Besucher sind schon seit vielen Jahren beim Channelpartner Kongress dabei. Man kenne und vertraue sich.

Beirat angekündigt

Die Ankündigung von ChannelPartner-Chefredakteur Ronald Wiltscheck, einen Beirat zu gründen, stieß auf große Zustimmung. "Eine gute Idee", lautet auch die Einschätzung von Schiedel und Pollert. Acht bis zehn Co-Creators für die ChannelPartner Events sollen an Bord kommen, einige sind bereits gefunden, andere werden noch gesucht. Der Beirat soll sich aus Vertretern von Systemhäusern unterschiedlicher Größe zusammensetzen. Langjährige Sparringspartner sollen ebenso vertreten sein wie Premium-Kooperationspartner und Vertreter von Start-ups.

KI und Führungskräfte

Von einer großen Herausforderung durch künstliche Intelligenz sprach Alexander Eggers, Geschäftsführer NextVideo GmbH. Es werde einen großen Umbruch geben, betonte der Experte und verwies auf eine Erhebung von Goldman Sachs, nach der bis 2030 alle Bereiche von KI wie ChatGPT betroffen sein werden. Die Berater gehen davon aus, dass sich 66 Prozent aller Jobs verändern werden und Prozent aller Jobs durch KI ersetzt werden. Eggers rief die Kongressbesucher eindringlich dazu auf, jetzt mit der Einführung von KI zu starten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

"Wir brauche ein anderes Mindset", ist Eggers überzeugt. Jeder Beginn einer digitalen Disruption erfordere eine Vision. Hier seien alle gefordert, aber insbesondere die Führungskräfte. Ihnen komme eine Vorbildfunktion in dem Prozess zu, denn immerhin müssten alle ins Boot geholt werden. Abteilungsleiter müssten die anstehenden Veränderungen umsetzen und auch die Mitarbeitenden müssten mitgenommen werden. Zum Ende seines Vortrags wird Eggers eindringlich: Wer jetzt nicht handele, verliere seine Kunden.

Informationssicherheit geht uns alle an

In seinem Vortrag betont Christian Schneider, Geschäftsführer ITQ GmbH Institut für Technologiequalität, wie wichtig es ist, das Organisationssicherheit im Kontext von Informationssicherheit zu beachten. Schneider stellte die ITQ-Basisprüfung als Einstieg für Systemhäuser, Datenschützer und MSPs in das komplexe Thema Informationssicherheit vor. Viele Unternehmen wüssten nicht, wo sie stehen. "Wir scannen keine Systeme", so der Geschäftsführer.

Im Rahmen eines Auditverfahrens inklusive Fragen aus dem BSI Grundschutz werden die Prozesse unter die Lupe genommen, um zu ermitteln, in welchen Bereichen ein Unternehmen gut aufgestellt ist und in welchen Bereichen Nachbesserungsbedarf besteht. In den meisten Fällen liegt der Reifegrad zwischen 50 und 55 Prozent, wobei 100 Prozent das Optimum wäre. Problembereiche seien oft die Dokumentation, aber auch mobile Endgeräte oder die Notfallvorsorge. "Wir machen eine Bestandsaufnahme, der Kunde kann dann selbst entscheiden, wie er mit den Ergebnissen verfährt."

Denn nicht alle Bereiche seien für jedes Unternehmen gleichermaßen wichtig. Im Rahmen des Vortrags berichteten auch zwei Systemhäuser über ihre Erfahrung. Beide setzen auf ITQ. Damit sei die strategische und technische Bestandsaufnahme in nur einem Tool und als Saas-Lösung möglich. Zudem sei die Bestandsaufnahme förderfähig. Eine Win-win-Situation für alle.

KI in aller Munde

Auf den Boden der Tatsachen zurück brachte Ingo Lücker, Inhaber von ITleague GmbH, die Teilnehmer seiner Session zum Thema Künstliche Intelligenz. Zwar seien unendlich viele KI-Tools auf dem Markt, die wenigsten funktionierten jedoch auf Deutsch. Wer diese kleine Hürde überwindet, kann durch den Einsatz von KI-Tools jedoch kräftig gewinnen, so der Diplom Betriebswirt und KI-Experte. Allein im Marketing und Verkauf seien Effektivitätssteigerungen zwischen 80 und 90 Prozent möglich. Um die Möglichkeiten zu beleuchten, zeigt er einige Beispiele, etwa, wie sich Stellenausschreibungen mithilfe von ChatGPT deutlich vereinfachen und beschleunigen lassen.

Auch die Möglichkeit, Meeting-Aufzeichnungen mit Unterstützung von KI transkribieren und zusammenfassen zu lassen, seien hilfreich. Mithilfe von KI-Tools lassen sich mittlerweile auch Avatare der eigenen Person erstellen, die mit verblüffend realitätsnaher Stimme sprechen und sogar gestikulieren können. Beängstigend? Nicht, wenn man den richtigen Einsatzbereich wählt. Eine echte Hilfe für alle, die zum Beispiel Schulungsvideos erstellen wollen. Auch Lücker rät den Kongressteilnehmern dringend dazu, sich mit dem Thema KI zu beschäftigen.

Werden wir nun alle arbeitslos? Nein, meint Arnulf Koch, Vorstand K&K Software AG. Die Bereiche werden sich seiner Einschätzung nach aber verschieben. Es fallen Arbeitsplätze weg, aber gleichzeitig werden auch neue Jobs entstehen. Koch rechnet mit weniger, aber dafür hoch spezialisierten Personen, die künftig am Arbeitsmarkt gesucht werden. Für ihn ist KI ein wichtiges, aber eben auch ein zusätzliches Thema. Es wird weitere Spezialisierungen geben.

Denn nicht jeder könnte sich im geschäftlichen Alltag mit allem beschäftigen. Kooperationen könnten hier helfen. Auch Informationsplattformen wie Kongresse hält Koch für wichtig. Da sind wir ganz bei ihm. Der ChannelPartner Kongress 2023 war so ein Fall. "Hier treffe ich Kollegen aus der Branche und erfahre Dinge, die mich in meinem Geschäft nach vorne bringen", so das Fazit von Christian Färber, Inhaber des Systemhauses Synitech Informationstechnologie aus Gröbenzell bei München. So soll es sein!

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