Powerline galt, nachdem die Kinderkrankheiten überwunden waren, insbesondere in privaten Haushalten lange als gute Alternative zu einer aufwändigen Netzwerkverkabelung, wenn es mit dem WLAN Schwierigkeiten gab. Typisches und oft zitiertes Einsatzszenario ist die Anbindung des Arbeitszimmers unter dem Dach an den Internetzugang, der sich natürlich im Keller befindet: Zwei oder drei Decken mit Stahlbeton bremsen fast jedes WLAN gründlich aus.
Durch die rasante Entwicklung der Standards und der Optimierungsmöglichkeiten bei WLAN-Produkten scheint sich das zu ändern: Reichweite, Datendurchsatz sowie die Möglichkeiten, eine Vielzahl von Geräten gleichzeitig zu bedienen, haben WLAN auch in solchen Szenarien konkurrenzfähiger gemacht. Mit dem kommenden Standard 802.11ax ist eine weitere, deutliche Verbesserung zu erwarten.
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Hat WLAN Powerline damit ins Abseits gedrängt? Netgear und Zyxel sehen das so. Sie gehen davon aus, dass das Produktsegment Powerline mit dem Aufkommen von WLAN-Mesh-Produkten, die sich auch für kleine Netze eigenen, keine große Zukunft mehr hat. Beide Hersteller bieten zwar noch eine Auswahl an Powerline-Adaptern an, wollen das Segment aber nicht mehr vorantreiben. Die entsprechenden Produkte genießen in den Unternehmen keine strategische Aufmerksamkeit mehr.
Das schließt aber nicht aus, dass sie nicht doch noch kleinere Updates erfahren, der Schwerpunkt wandert aber eben zur Weiterentwicklung und zur Vermarktung von WLAN-Mesh-Produkten. Zyxel hat hier in der ersten Jahreshälfte 2019 mit Multy Plus eine Mesh-WLAN-Lösung für KMUs und mit Multy U eine durch das Design vor allem an junge (Privat-)Käufer gerichtete Produktreihe vorgestellt. Bei Netgear wurde die für KMUs konzipierte Reihe Orbi Pro erweitert.
Entwicklung der Absatzzahlen für Powerline-Produkte
Andere Anbieter teilen den Pessimismus von Netgear und Zyxel in Bezug auf Powerline nicht. Sie begründen ihre positivere Einstellung unter anderem mit den zumindest in Deutschland überwiegend erfreulichen Verkaufszahlen.
Bei D-Link hatten 2018 alle Powerlin-Modelle stabile Verkaufszahlen mit geringen Abweichungen nach oben oder unten. TP-Link berichtet von seit 2011 stetig steigenden Absatzzahlen der eigenen Powerline-Adapter. Allerdings merke man nun, dass die Nachfrage nach diesen Produkten nun geringer werde. "Das liegt zum einen an einer gewissen Sättigung im Markt und zum anderen natürlich auch an der Tatsache, dass neue WLAN-Technologien wie Mesh-Systeme in privaten Haushalten Einzug halten", erklärt Markus Kohlstock, Senior PR & Marketing Manager bei TP-Link Deutschland. Dennoch tragen Powerline-Adapter noch signifikant zum Gesamtumsatz von TP-Link in Deutschland bei, so der Manager im Gespräch mit ChannelPartner.
Bei AVM sieht es noch positiver aus. "Der Powerline-Markt ist für uns ein wichtiger Markt, in dem wir uns über eine steigende Nachfrage nach unseren Produkten freuen", erklärt das Berliner Unternehmen gegenüber ChannelPartner. Das ist auch aus Sicht des stationären Handels erfreulich. Denn während die anderen Hersteller den Großteil ihrer Powerline-Produkte online, über die großen Retailer oder gar in Elektro- und Baumärkten verkaufen, sieht AVM den qualifizierten Fachhandel als besten Absatzkanal.
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"Das Fritz-Powerline-1260E-WLAN-Set ist aktuell das meistverkaufte Powerline-Produkt in Deutschland. Beim Vertrieb dieses Produkts spielen vor allem eine hohe Service-Qualität und eine ausgeprägte technische Expertise der Verkäufer eine wichtige Rolle. Beides sind besondere Stärken des Fachhandels. Daher verkaufen sich Fritz-Powerline-Produkte mit WLAN dort auch besonders gut."
Kombination aus Powerline und WLAN als Erfolgsrezept
"Powerline und WLAN sind keine Gegensätze, im Gegenteil: PLC (Powerline Communication: Anm. d. Red.) ist der beste Backbone für leistungsstarkes WLAN überall in Haus und Wohnung. Es geht also nicht so sehr um die Frage, Powerline versus WLAN, sondern um die Frage, ob eine PLC/WLAN-Kombination oder reine WLAN-Lösungen zum Einsatz kommen", betont Heiko Harbers, CEO bei Devolo.
Bei dem deutschen Unternehmen tragen Powerline- und PLC/WiFi-Produkte nach wie vor entscheidend zu den Umsätzen bei und ist der Powerline-Absatz stabil auf hohem Niveau. "Technologie-seitig ist natürlich Mesh ein großes Thema, das vielfach nur mit reinen WLAN-Produkten in Verbindung gebracht wird. Dabei ist gerade die Kombination aus Powerline der neuesten Generation und Mesh-Features ideal für den Kunden", glaubt Harbers.
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Denn aktuell seien wirklich leistungsfähige Mesh-Systeme, die nur auf WLAN setzen, alles sogenannte Tri-Band-Systeme - und die sind nach wie vor noch recht teuer. Ein weiterer Nachteil ist aus Sicht von Harbers, dass sie einen dedizierten dritten Kanal als Backbone zum Austausch zwischen den verschiedenen Access Points auf dem 5-GHz-Band nutzen. "In Zeiten, in denen neben dem 2,4-GHz-Band auch das 5-GHz-Band zunehmend verstopft ist, ist es aber sinnvoll, dieses Frequenzspektrum effizienter zu verwenden und eben PLC im Backbone zu nutzen", so der Devolo-Chef.
Das sieht man bei TP-Link ähnlich. "Powerline wird seine Daseinsberechtigung nicht verlieren, weil WLAN schlicht seine physischen Grenzen erreicht hat. Daran werden auch neue Standards wie WiFi 6 nichts ändern", so Firmensprecher Markus Kohlstock. Diese Auffassung untermauert der Hersteller auch mit Produkten, jüngst dem Powerline WLAN-Mesh-System Deco P7, das WLAN-Mesh und Powerline kombiniert.
Powerline hat noch Ambitionen
WLAN-Technik hat in den vergangenen Jahren rasante Verbesserungen erfahren. Bei Powerline verlief diese Entwicklung langsamer. Ein Grund dafür ist, dass - stark vereinfacht gesagt - Luft als Übertragungsmedium weltweit immer von gleichbleibender Qualität ist, Stromleitungen sich dagegen von Ort zu Ort stark voneinander unterscheiden und die Signale unterschiedlich gut weiterleiten.
Dennoch gab es auch bei Powerline Verbesserungen. Zwar reicht in einem großen Teil der Haushalte auch heute noch eine Powerline-Verbindung mit AV500 (500 Mbit/s) oder AV600 (600 Mbit/s) gut aus, es gibt mit AV1200 (1.200 Mbit/s) aber schon länger eine deutlich leistungsfähigere Technik.
Sie wird sich wohl langfristig auch durchsetzen. Noch existieren aber beide nahezu gleichberechtigt. So war zum Beispiel bei D-Link 2018 das meistverkaufte Powerline-Produkt das Kit DHP-P601AV/E mit eingebauter Steckdose und 1.000 MBit/s Bandbreite, das Kit DHP-W311AV/E mit Wireless N und 500 MBit/s schneller Powerline-Verbindung lag knapp dahinter an zweiter Stelle.
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TP-Link-Sprecher Markus Kohlstock sieht aber auch Potenzial im Business-Umfeld, beispielsweise bei Automaten in Einkaufszentren, die flexibel eingesetzt werden müssen. "Nicht überall im Markt liegt ein Netzwerkanschluss - hier können wir unsere ganze Flexibilität ausspielen", so Kohlstock. Auch das Ablesen von Verbrauchszählern für Strom und Gas könnte Powerline erleichtern, indem es die Verbrauchsdaten aus dem WLAN-unfreundlichen Keller bis an die Haustür transportiert, wo sie dann kabellos ausgelesen werden können. An Kooperationen mit Stromanbietern arbeitet TP-Link aktuell noch und sieht Potenzial für ein Wachstum dieses speziellen Marktsegmentes.
G.hn ist die Zukunft von Powerline
Devolo setzt seit Ende 2018 als einer der ersten Anbieter in seinen neuen Produkten Chips ein, die den Standard G.hn unterstützen. Die Geräte werden unter der Bezeichnung Devolo Magic vermarktet. Ein weiterer Anbieter solcher Produkte auf dem deutschen Markt ist Allnet. Beide sehen für Produkte mit G.hn erhebliches Potenzial in der Heimvernetzung über bestehende Verkabelungen - konkret Stromleitungen und Koaxialkabel. Hier bringt G.hn eine deutlich höhere Reichweite von bis zu 500 Metern, eine größere Stabilität der Verbindungen und mit bis zu 2.400 MBit/s auch eine erhebliche Geschwindigkeitssteigerung.
"Wichtig ist dabei nicht nur Spitzengeschwindigkeit, sondern auch die Garantie, dass der Kunden die Leistung, die er erwartet und beim Internet Service Provider gebucht hat, möglichst auch überall nutzen kann", betont Devolo-Chef Harbers: "Hier zeigen unsere Tests, dass 90 Prozent der Powerline-Verbindungen Geschwindigkeiten erreichen, die für 4K-VR-Anwendungen nötig sind." Damit schaffe G.hn schon heute eine zukunftssichere Basis für künftige Multimediaanwendungen.
Darüber hinaus bietet G.hn noch Potenzial für Performance-Steigerungen und neue Einsatzbereiche neben der Heimvernetzung. Bei Devolo beschäftigt sich etwa schon jetzt ein eigener Geschäftsbereich mit Technologien für die künftige Energieinfrastruktur. Der Umbau der Stromnetze, weg von wenigen zentralen Energieerzeugern hin zu einer dezentralen, erneuerbaren Erzeugung, macht es erforderlich, Erzeugung und Verbrauch in Echtzeit zu überwachen und zu steuern - und da bietet sich die Stromleitung als Übertragungsmedium geradezu an. Wie sie genutzt werden kann, untersuchen Devolo, die RWTH Aachen, die Schleswig-Holstein Netz AG, die Universität Duisburg-Essen sowie die Regionetz GmbH derzeit in einem durch das BMWi geförderten Forschungsprojekt.
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"Wir bieten die entsprechende Komponenten, die zum Beispiel die PLC-Standards G.hn oder G3-PLC nutzen, je nach gewünschtem Einsatzbereich für das Mittel- und Niederspannungsnetz an. Durch eine Kombination aus schneller Datenübertragung und starker Verschlüsselung sehen wir im Smart-Grid-Bereich sehr gute Marktchancen für uns", da zeigt sich Devolo-Chef Harbers ganz zuversichtlich.