Wer in der Welt der Desktop-Virtualisierung unterwegs ist, weiß, dass sich Microsoft bei diesem Thema bisher eher im Hintergrund gehalten hat. Viel zu gut und zu einfach lief für Microsoft die Vertriebsmaschinerie von Citrix, VMware & Co., und letztendlich braucht jeder Kunde dieser Partner auch noch eine Microsoft-Lizenz. Dass es dadurch manchmal sehr komplex, zuweilen unmöglich wurde, virtuelle Desktops korrekt zu lizenzieren, davon können viele Kunden ein Lied singen.
Doch nun scheinen sich die Zeiten gewandelt zu haben und Microsoft hat Geschmack an den virtuellen Desktops gefunden. Mit dem Windows Virtual Desktop setzt Microsoft nahezu alle Forderungen des Marktes um unter lediglich einer Bedingung: Sie müssen auf Azure laufen.
Alles gut, solange es auf Azure läuft
Doch immer der Reihe nach. Die Idee des Remote Desktops startete vor mehr als zwei Jahrzehnten, als Citrix sein eigentlich auf IBM OS/2 ausgelegtes Multi-User-Betriebssystem dank der passenden Lizenz auf Windows portierte. Doch kurz danach wurde klar, dass Microsoft diese Lizenz beim nächsten Update nicht mehr verlängern möchte. Was mit einer heftigen Krise bei Citrix begann, wurden letztendlich sehr erfolgreiche Jahre einer guten Partnerschaft. Der "Terminal Server" war geboren, oder besser der "Remote Desktop Session Host", wie die Funktion aktuell heißt.
Fast genau ein Jahrzehnt später kamen Kunden von VMware auf die Idee, die Virtualisierungsfunktion zu nutzen, um auf einem Server parallel mehrere Windows-Desktops zu betreiben, denn der Terminal Server war ja letztendlich weiterhin ein Server und kein echtes Desktop-Betriebssystem. Der virtuelle Desktop war geboren.
Es gab fortan zwei grundsätzliche Möglichkeiten, einen Remote Desktop zur Verfügung zu stellen. Als Server, also auf Basis des Remote Desktop Session Hosts, oder als Windows Desktop. Während die Servervariante sich durch ihre Skalierungseffekte empfiehlt, spricht für die Desktopvariante die höhere Kompatibilität. Diese Kompatibilitätslücke zwischen Desktop und Server vergrößert sich noch weiter, da die Releasezyklen von Windows Server und Windows 10 immer weiter auseinanderdriften. Ideal wäre aber eine Kombination von beiden. Und genau das liefert Microsoft jetzt mit dem Windows Virtual Desktop.
Windows 10 Multi-Session
Basis des Windows Virtual Desktop bildet eine neue Version von Windows 10 - Windows 10 Multi-Session oder auch manchmal Windows 10 Multi User genannt. Dieses exklusiv auf Azure verfügbare Betriebssystem kombiniert Microsoft mit einer Technologie, die zuletzt RDMI - Remote Desktop Modern Infrastructure genannt wurde und die die einfache Integration Cloud-gehosteter Desktops in die Infrastruktur der Unternehmen ermöglicht.
Dazu liefert Microsoft die bisherigen Serverrollen RD Web, RD Broker und RD Gateway als Platform-as-a-Service-Dienste. Im Ergebnis kann Anwendern dadurch sehr schnell ein Windows Desktop in der Cloud zur Verfügung gestellt werden. Alles was der Anwender dazu benötigt, ist die passende URL, denn Windows Virtual Desktops lassen sich einfach per Webbrowser nutzen. Aktuell ist Windows Virtual Desktop in einer Preview verfügbar. Wer den Aufwand scheut, selbst einen Windows Virtual Desktop zu erstellen, der kann sich die Einrichtung in einem Youtube-Video anschauen.
Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann
Die Multi-Session-Fähigkeit von Windows 10 wäre allein schon ein ausreichendes Argument für Windows Virtual Desktop, aber Microsoft geht weit darüber hinaus. Die in der Regel komplexe Lizenzierung wird aufgehoben. Sobald Anwender über eine gültige Subscription von Windows 10 Enterprise verfügen, sind alle Lizenzen, selbst der Zugriff von unterschiedlichen Geräten und damit die Remote Desktop Zugriffslizenzen sowie sie Server Zugrifflizenzen, abgedeckt. Lediglich der Azure-Verbrauch wird in Rechnung gestellt. Windows Virtual Desktop ist Office 365 Pro Plus kompatibel und unterstützt den aktuellen Edge-Browser. Außerdem beinhalten die Windows Virtual Desktop kostenlos den Extended Support für Windows 7.
Partnerangebote
Was hier so klingt, als würde Microsoft alles aus einer Hand bieten, ist in Wahrheit eine Plattform, auf der sich viele Partnerlösungen profilieren können. Einerseits vertraut Microsoft auf etablierte Integrationspartner, wenn es um Themen wie Drucken oder Benutzerumgebungsmanagement geht. Andererseits stellt es Microsoft Plattformanbietern frei, Windows 10 Multi-User auch außerhalb des Windows-Virtual-Desktop-Angebotes zu nutzen, solange dies auf Azure läuft. Und so haben Citrix, VMware, Workspot und viele andere bereits ihre Unterstützung angekündigt.
Microsofts Einstieg in den Markt der virtuellen Desktops ist durchaus vergleichbar mit dem Launch von Exchange Online 2006/2007. Damals hatte Microsoft sehr schnell den Markt für sich entschieden. Laut Brad Anderson, Corporate Vice President der Microsoft-365-Plattform, entwickelt sich die Nachfrage nach Windows Virtual Desktop schon jetzt deutlich positiver: Während es damals lediglich einen Kunden, die Firma Energizer, gab, hätten sich für Windows Virtual Desktop Ende Mai schon 4500 Kunden registriert.