Fast täglich hören wir von Unternehmen, die Opfer von Cyberattacken werden. Als erfahrener, auf Security-Themen spezialisierter IT-Dienstleister sind Ihr Know-how und Ihre Security-Experten heiß begehrt, neue Fachkräfte allerdings kaum zu finden. Wie schaffen Sie es bei Thinking Objects, die große Nachfrage zu bedienen?
Markus Klingspor: Auf der einen Seite liefern wir mit unseren Managed Security Services sozusagen eine Maßkonfektion für unsere Kunden. Wir setzen dabei stark auf Standardisierung auf Basis von Best Practices. Die Standardisierung reduziert die manuellen Aufwände und damit den Ressourcenbedarf. Statt vieles immer wieder von Hand zu erledigen, automatisieren wir Abläufe, wo immer es geht. Das senkt die Wahrscheinlichkeit von Fehlern, die oft mit viel Aufwand gesucht und behoben werden müssen.
Die gleichzeitig erreichte Reduktion der Komplexität führt auch zu mehr Sicherheit.
Adrian Woizik: Dann haben wir in den letzten Jahren unser Recruiting breiter aufgestellt und eine eigene Recruiterin eingestellt. Das Gehalt dafür rechnet sich schnell durch die gesparten Headhunter Kosten. Wir betreiben aktives Hochschulmarketing, um Talente möglichst früh an uns binden zu können.
Dabei arbeiten wir eng mit Hochschulen in unserem Umfeld zusammen und bieten Praktika, betreute Abschlussarbeiten und Arbeitsplätze für Werksstudenten. Unsere Mitarbeiter übernehmen auch immer wieder Vorlesungen an der Hochschule.
"Unsere Beraterin für Security Awareness ist eine Pädagogin"
Welche Maßnahmen nutzen Sie, um die Aus- und Weiterbildung in Ihrem Unternehmen zu fördern?
Woizik: Wir haben vor zwei Jahren eine eigene Ausbildungsleiterin eingestellt um mehr Auszubildende betreuen zu können, da wir mit der Dualen Ausbildung sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Wir bilden seit 2006 aus und haben inzwischen neben vielen guten Fachkräften sogar zwei Führungskräfte, die Ihren Berufsweg mit einer Ausbildung bei uns begonnen haben.
Last but not Least suchen wir nicht immer nur die eierlegende Wollmilchsau mit 10 Jahren Berufserfahrung, sondern junge Talente, die gut zu uns und unserer Kultur passen und mit uns wachsen können. Wir haben dabei sehr gute Erfahrungen mit dem Blick über den Tellerrand hinaus gemacht. Unsere Beraterin für Security Awareness ist zum Beispiel keine Informatikerin sondern studierte Pädagogin.
Wenn es trotzdem einmal eng wird können wir uns oft durch Kooperation mit Firmen in unserem Netzwerk behelfen. Man muss auch nicht alles selbst machen, wenn die Lösung am Ende für den Kunden passt.
Auf Ihrer Homepage fällt eines sofort auf: Ihre fachlichen Kernthemen sind kurz dargestellt, weit mehr erfährt man über Ihr Verständnis von sozialem Engagement, der Zusammenarbeit mit Menschen und dem unternehmerischen Leitbild, der Verpflichtung zur Vielfalt und vielem mehr. Weshalb haben Sie sich für diese ungewöhnliche Gewichtung entschieden?
Klingspor: Wie schon gesagt stehen bei uns die Werte und die Kultur im Vordergrund. Wir stehen im Arbeitsmarkt im Raum Stuttgart gegen viele Großunternehmen, die einen großen Bedarf an Fachkräften haben und teilweise über das Gehalt rekrutieren.
Mitarbeiter suchen aber zunehmend nach Sinn, einem attraktiven Arbeitsumfeld und einer zu Ihnen passenden Unternehmenskultur. Wir laden Bewerber nach den ersten Gesprächen oft zum Probearbeiten ein, um die Kollegen kennenzulernen und sich ein Bild vom Unternehmen machen zu können. Dabei merken wir auch schnell, ob der Kollege zu uns passen würde.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Bewerber unser Leitbild sehr positiv bewerten. Nach dem Probearbeiten würden die meisten am liebsten gleich bleiben.
Weshalb hat für Sie das Thema "Vielfalt" einen so hohen Stellenwert?
Woizik: Die Boston Consulting Group hat in einer Studie mit der TU München einen deutlich positiven Zusammenhang zwischen der Vielfalt und dem Innovationserfolg von Unternehmen festgestellt.
Gerade bei der Lösung komplexer Probleme, wie sie in der Cyber Sicherheit häufig sind, ist es wichtig, nichts zu übersehen und das Problem von möglichst vielen Seiten zu betrachten, bevor man sich an die Lösung macht. Dabei hilft ein möglichst vielfältig besetztes Team.
Experten neigen dazu, ihren eigenen Lösungsraum einzugrenzen, weil sie sich zu schnell auf nur eine von vielen möglichen Lösungen konzentrieren.
Der AEG-Vorstand Walter Rathenau hat einmal gesagt: "Die Erfindung des Problems ist wichtiger, als die Erfindung der Lösung; in der Frage liegt mehr, als in der Antwort."
Systemhauskongress CHANCEN (digital) - hier geht's zur Agenda
"Fachkräftemangel wird oft zu eingleisig betrachtet"
Sie beschäftigen aktuell mehr als 100 Systemingenieure und IT-Consultants. 10 Prozent davon haben Sie selbst ausgebildet. Ist die branchenweite Klage über den Fachkräftemangel also teilweise unbegründet?
Klingspor: Nein. Gerade im MINT-Bereich macht sich der fehlende Nachwuchs immer stärker bemerkbar.
In den nächsten Jahren werden viele Fachkräfte aus den Geburtenstarken Jahrgängen in Rente gehen. Das wird den Fachkräftemangel noch verstärken. Gleichzeitig wird unser Leben immer mehr von Technik bestimmt. Alles wird "digitalisiert". Der Bedarf an Fachkräften wird dadurch stetig weiter steigen.
Wir denken beim Fachkräftemangel oft zu eingleisig - mit einem verengten Blick auf reine Fachkompetenz! Uns hat es sehr geholfen, die Aufmerksamkeit bei der Akquise neuen Personals auf Fähigkeiten jenseits des Fachlichen zu richten. Gewisse Grundlagen sind natürlich wichtig, aber vieles kann man darauf aufbauend lernen.
Die Passung zum Unternehmen und die persönlichen Skills sind inzwischen sogar oft wichtiger als die reinen fachlichen Skills. Komplexe Probleme können oft nur im Team zusammen mit dem Kunden gelöst werden. Dabei stehen Empathie und Kommunikationsfähigkeiten zunehmen im Vordergrund.
Bei der Förderung unserer Nachwuchsführungskräfte ist es deshalb für uns immer wichtig, zwischen fachlicher und disziplinarischer Kompetenz zu unterscheiden. Eine gute Fachkraft ist nicht automatisch eine gute Führungskraft.
"Wir machen Hochschul-Professoren zu Unternehmens-Fans"
Offensichtlich machen Sie bei Ausbildung und Recruiting neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vieles anders als andere Unternehmen, und das sehr erfolgreich. Auf dem Systemhauskongress CHANCEN am 9. September werden Sie einige Ihrer ungewöhnlichen Maßnahmen schildern, mit denen Sie Ausbildung und Karriere in Ihrem Unternehmen fördern. Könnten Sie uns 3 Aspekte nennen, auf die wir am 9. September in der Diskussion näher eingehen werden?
Woizik: Wir haben schon seit dem letzten Jahrtausend eine eigene Fachkraft für Personalentwicklung an Bord. Vor drei Jahren haben wir eine Recruiterin eingestellt, die sehr gute Erfolge erzielt. Vor zwei Jahren haben wir dann eine eigene Ausbildungsleitung eingestellt um mehr Ausbildungsplätze anbieten zu können. Ich kann jedem nur empfehlen, in Ausbildung zu investieren.
Denn das ist ein sehr guter Weg um für Nachwuchs an Fachkräften zu sorgen. Es lohnt sich dabei eng mit der IHK und den Berufsschulen zusammen zu arbeiten. Für kleine Unternehmen gibt es oft die Möglichkeit über Netzwerke wie CyberForum oder iTeam Unterstützung für die Ausbildung zu bekommen.
Klingspor: Um möglichst früh in Kontakt mit interessanten Kandidaten zu kommen, engagieren wir uns mit unserem Hochschulmarketing an Hochschulen in unserem Umfeld. Wichtig ist dabei der Kontakt zu den Professoren, die gute Betreuung der Studenten und spannende Themen. Einer unserer Bacheloranden konnte die Ergebnisse seiner Arbeit beispielsweise sogar im Expertenkreis der Allianz für Cybersicherheit einbringen. Wir übernehmen auch Vorlesungen im Bereich Cyber-Sicherheit.
So werden Professoren zu Fans unseres Unternehmens, was uns schon die eine oder andere Empfehlung beschert hat. Das ganze ist natürlich kein Selbstläufer, sondern erfordert aktiven Einsatz. So haben wir mehr oder weniger zufällig über eine Hochschulmesse eine Pädagogin gefunden, die inzwischen erfolgreich die Awareness bei unseren Kunden vorantreibt und auch im Forschungsprojekt ALARM der TH Wildau mitwirkt.
Woizik: Darüber hinaus arbeiten wir in der Personalentwicklung insbesondere bei Führungskräften seit 20 Jahren mit einem Beratungsunternehmen zusammen. Dieses erstellt für uns Potentialanalysen zur Feststellung der Eignung und übernimmt die Schulungen für unsere Führungskräfte.
Wir haben festgestellt, dass die Besetzung von Führungspositionen von extern immer mit einem gewissen Risiko verbunden ist. Deswegen sind wir dazu übergegangen, Führungskräfte nach Möglichkeit aus den eigenen Reihen zu besetzen.
Wenn wir einen geeigneten Kandidaten oder eine Kandidatin im Auge haben, lassen wir eine Potentialanalyse machen um die Eignung zu prüfen. Das kann auch mit der Empfehlung enden sich doch lieber auf eine Fachkarriere zu konzentrieren.
Die meisten unserer Führungspositionen haben wir so erfolgreich aus den eigenen Reihen besetzen können. Darüber hinaus nutzen wir auch das Entwicklungsprogramm zur Führungskräfteentwicklung der Synaxon AG. In der letzten Runde haben wir erfolgreich drei Mitarbeiter dort ausgebildet.
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"Unsere Anfangserfahrungen mit ersten eigenen Assessmentversuchen waren fatal"
Warum haben Sie das Assessment für Nachwuchskräfte outgesourct?
Klingspor: Wir haben uns für externe Experten entschieden, weil unsere Anfangserfahrungen mit den ersten eigenen internen Assessmentversuchen offen gesagt fatal waren: Einerseits haben wir die Kandidaten überfordert, andererseits Erwartungen geweckt, die wir nicht erfüllen konnten: jeder wollte "Häuptling" werden.
Deshalb arbeiten wir heute in diesem Bereich mit externen Experten zusammen. Das ist ein großes Investment, aber es erspart uns mittel- und langfristig potenzielle Fehlentscheidungen, die noch viel teurer wären! Durch die langjährige Zusammenarbeit mit einem Partner, kennt dieser unser Unternehmen und die Führungskräfte sehr gut und kann damit stets sehr gute Empfehlungen geben, die uns schon oft sehr geholfen haben.