Das Thema Business Transformation ist in der Geschäftswelt schon ein alter Schuh. Mit Recht kann man sich daher die Frage stellen, inwiefern der digitale Wandel etwas Neues darstellt. In der Vergangenheit gab es in der Tat einige wesentliche Entwicklungen, die global verändernde Geschäftsmodelle mit sich gebracht haben - jedes Mal allerdings auf Grundlage physischer Produkte. Das ist der große Unterschied zu dem, was wir in letzter Zeit beobachten können und was wir als digitalen Wandel bezeichnen: Wir haben es mit einer Informationsrevolution zu tun.
Geschäftsmodelle verändern sich, weil sie durch Informationen dazu getrieben werden. Uber und Airbnb sind häufig genannte, aber treffende Beispiele. Der Faktor Information hat seine vormals unterstützende Rolle verlassen und sich in ein maßgebliches Handels- und Produktionsgut verwandelt. Das ganze Paradigma des Business-IT-Alignments hat sich hierdurch verändert. Die IT wird nicht mehr dem Geschäftsmodell untergeordnet, sondern ein Verhältnis "Business ist IT" entsteht.
Einfluss der Informationsrevolution auf Unternehmen
Die wohl gravierendste Auswirkung des digitalen Wandel ist die Tatsache, dass die Wertschöpfungskette für alle Beteiligten wesentlich transparenter und dadurch auch kürzer geworden ist. In der Vergangenheit war der Austausch von Informationen innerhalb einer Wertschöpfungskette an gewisse ‚Entkopplungspunkte‘ gebunden, also an konkrete Interaktionsschnittstellen zwischen den Beteiligten.
Die Digitalisierung hat dieses starre Modell aufgebrochen und ermöglicht es jedem ‚Kettenakteur‘, vorhandene Informationen zu erhalten und zu nutzen. Somit kann eine Entscheidungsfindung stattfinden, bevor ein Produkt die komplette Kette durchlaufen hat. Das beschleunigt den Gesamtprozess erheblich und ermöglicht Unternehmen die Optimierung ihrer Wertschöpfung sowie Outsourcing und andere Maßnahmen zur Kosteneinsparung.
Digitale Transformation: Wo wir stehen
Die vollständige Transformation der bestehenden Geschäftswelt steckt meiner Meinung nach noch in den Kinderschuhen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Jedoch: Das vollständige Potential der digitalen Transformation ist noch längst nicht ausgeschöpft.
Was wir aktuell viel eher beobachten können, sind neue Player auf verschiedenen Märkten. Neue Geschäftsmodelle erschließen neue Märkte, in denen die zeitlichen und strukturellen Hemmschwellen deutlich niedriger liegen als in traditionellen Absatzgebieten.
Ein gutes Beispiel ist der Musikvertrieb: Ein klassisches Unternehmen benötigt eine lokale Geschäftsstelle mit Ladenmiete, Mitarbeitern, Lieferanten und anderen Faktoren. Geschäftsmodelle wie das von Spotify ermöglichen den vollständig digitalen Vertrieb und stellen die Branche auf den Kopf. Durch die geringeren Einstiegshürden können diese Marktteilnehmer volatiler agieren, sind aber auch kurzlebiger.
In diesem Zusammenhang betonen bestehende Unternehmen beinahe schon instinktiv nachdrücklich ihre traditionellen Kernkompetenzen. Da sich ein neues Geschäftsmodell nicht von heute auf morgen verwirklichen lässt, ist diese Reaktion zumindest kurzfristig auch die einfachste und beste Alternative.
Digital komplett neu erfinden?
Etablierte Unternehmen sollten zunächst prüfen, wie sie ihre Kernkompetenzen durch die Nutzung der Digitalisierung stärken können:
Wo bin ich besonders stark,
was kann ich der Flexibilität Anderer entgegensetzen?
Der Mehrwert und das Unterscheidungsvermögen dieser Unternehmen liegen im angesammelten Wissen, was sich in ihren Produkten und Dienstleistungen widerspiegeln sollte. Wissen als Wettbewerbsfaktor ist das Kriterium, das über Erfolg und Nichterfolg entscheidet. Denn eines muss man sich vor Augen halten: Will sich ein bestehendes Unternehmen neu erfinden, ist es in der Regel langsamer und weniger konkurrenzfähig als ein neuer Marktteilnehmer, der erst durch die Digitalisierung entstanden ist.
Geschäftsmodelle unter dem Mikroskop
Wie lässt sich denn nun feststellen, dass das eigene Geschäftsmodell in der gegenwärtigen Form nicht mehr zukunftsfähig ist? Natürlich gibt es stets mehrere Indikatoren, aber: Wann immer ein Unternehmen in seiner Kundenzahl nicht weiter wächst oder wachsen kann, tritt Stagnation ein. Stillstand ist hier Rückschritt und ein eindeutiges Zeichen dafür, dass das Geschäftsmodell nicht mehr zukunftssicher ist.
Diese Entwicklung lässt sich häufig bei komplex organisierten Unternehmen und der damit verbundenen Lieferung von Produkten und Dienstleistungen beobachten und deutet oftmals auf eine sinkende Konkurrenzfähigkeit hin. Es ist ein Indiz dafür, dass diese Unternehmen große Mühe damit haben, neue und wettbewerbsfähige Angebote auf den Markt zu bringen, die den veränderten Ansprüchen der Gesellschaft genügen. Die größte Gefahr sehe ich in einer falschen Wahrnehmung eines bestimmten, sich verändernden Marktes. Provokant gesagt: So wie sich ein Unternehmen den Markt vorstellt, existiert dieser überhaupt nicht. Das kann zu fehlgeleiteten Entscheidungen führen, die schwerwiegende Auswirkungen auf die eigene Existenz haben.
Wohin geht die digitale Reise?
Sich wandelnden Geschäftsmodellen wohnen stets auch veränderte Unternehmenstypen inne. Das erfordert Flexibilität und wird dazu führen, dass sich Unternehmen immer mehr zu zeitlich begrenzten Interessens- und Kooperationsverbänden reformieren müssen. Die Beziehung zwischen diesen Verbänden wird maßgeblich durch ihre Handelsware bestimmt: Informationen. Die gesamte Wertschöpfungskette wird bald verstärkt einen dezentralen Anteil zum Produkt selbst beitragen, was wiederum äußerst dynamische und kurzzyklische Auswirkungen hat.
Künftige Gesetze und Verordnungen müssen dem angepasst werden, stehen sie doch vor der Herausforderung, den virtuellen Informationshandel mit der physischen Wirklichkeit in Einklang zu bringen. Die entscheidende Frage wird sein, ob traditionell organisierte Entitäten wie Regierungen, Institutionen und Aufsichtsbehörden zum zeitnahen Wandel imstande sind – und ob sie die Notwendigkeit zur digitalen Transformation überhaupt vor Augen haben.