Parallel zum Verabschiedungsprozess für den Standard 802.11ax durch die IEEE wurde für die unterschiedlichen WLAN-Standards auch eine einfacher nachvollziehbare Bezeichnung eingeführt. 802.11ax wird daher nun auch als Wi-Fi 6 bezeichnet, der bisher aktuelle Standard 801.11ac als Wi-Fi 5 und dessen Vorgänger 802.11n als Wi-Fi 4. So soll es insbesondere Verbrauchern leichter fallen zu erkennen, ob ein Produkt den jeweils aktuellen Standard unterstützt.
Da jeder Standard mit einer höheren Bezeichnung auch "besser" ist - also mehr Datendurchsatz und mehr Funktionen bietet -, ist das bei Smartphones, Tablets und Notebooks durchaus sinnvoll. Auch für privat genutzte WLAN-Router gilt das. Bei WLAN-Produkten für Unternehmen ist die Sachlage aber komplizierter. Zwar bringt auch hier Wi-Fi 6 deutlich mehr Datendurchsatz, mindestens ebenso wichtig sind aber die weiteren Neuerungen, die auf Grundlage des höheren Datendurchsatzes ermöglicht werden.
"Während bei doch sehr kryptischen Namen wie IEEE 802.11a, IEEE 802.11b, IEEE 802.11ac und IEEE 802.11ax eigentlich nur Experten ad hoc sagen konnten, welcher Standard der neueste ist, sind Wi-Fi 4, Wi-Fi 5 und Wi-Fi 6 erstmals selbsterklärend. Auch und gerade in der Abgrenzung zum Mobilfunk und zu 5G ist das in meinen Augen von immenser Bedeutung", erklärt Michael Müller, Vice President WLAN & Switches bei Lancom Systems.
Fahrplan der Wi-Fi-6-Einführung
Access Points mit Wi-Fi 6 werden schon länger angeboten, auch wenn der Standard 802.11ax erst jetzt endgültig verabschiedet wird. Wie bei früheren WLAN-Standards werden aber keine wesentlichen Änderungen mehr erwartet und können Anpassungen in der Software vorgenommen werden. Da im September die Wi-Fi Alliance mit der Zertifizierung von Produkten begonnen hat, denen dann das Siegel "Wi-Fi 6 Certified" verleihen wird, ist davon auszugehen, dass in den kommenden Monaten eine Vielzahl neuer Produkte auf den Markt gebracht wird.
Webcast-Aufzeichnung: Der optimale Einstieg in WiFi-6
Huawei, Cisco Systems, Commscope, Extreme Networks, Fortinet und HPE Aruba haben bereits Wi-Fi-6-Produkte im Portfolio. Lancom will noch in diesem Jahr erste Wi-Fi 6 Access Points auf den Markt bringen und im ersten Quartal 2020 mit weiteren Geräten nachlegen. Zyxel hat seine ersten Wi-Fi-Geräte für Januar 2020 angekündigt.
AVM hatte zur IFA drei Fritzbox-Modelle für den neuen WLAN-Standard vorgestellt: die Fritzbox 5550 und Fritzbox 5530 sind für den Glasfaseranschluss gedacht und kommen 2020 über Netzbetreiber und den Handel auf den Markt, die Fritzbox 6660 Cable ist für den Kabelanschluss konzipiert.
Vorteile von Wi-Fi 6 für Firmen
Insbesondere in Umgebungen mit einer großen Zahl von WLAN-Nutzern, etwa Flughäfen, Universitäten, Konferenz- und Veranstaltungzentren oder auch Sportstadien, bieten bisherige WLAN-Standards zu wenig Bandbreite und haben Access Points Probleme, allen Nutzern gleichzeitig eine gute Dienstqualität zur Verfügung zu stellen.
Erste Projekte mit Wi-Fi-6-Geräten wurden daher auch dort betrieben. Commscope und Wire & Wireless Co. (Wi2) haben zudem vor Kurzem die ersten Feldtests mit Wi-Fi 6 im Einzelhandel in Japan gestartet. Zyxel-Manager Patrick Hirscher erwartet ferner im Bereich Education große Nachfrage - auch durch den Digitalisierungspakt.
Falko Binder, Head of Enterprise Networking Architecture bei Cisco Deutschland, hält "Wi-Fi 6 als maßgeblich für die Abdeckung des Innenbereichs. Zusammen mit 5G für den Außenbereich ist es essenziell für die digitale Vernetzung der Zukunft."
Das sieht auch Axel Simon, Chief Technologist bei HPE Aruba, so. Er ergänzt: "Wi-Fi 6 ist nicht nur Bindeglied zwischen der 5G-Welt außerhalb des Campus und der Netzwerkinfrastruktur am Campus, sondern auch Schnitt-stelle in den IoT-Bereich. Deswegen beherrschen unsere Access Points neben Wi-Fi 6 auch die Fähigkeit, Geräte über Bluetooth, Zigbee und Funktechniken für digitale Displays anzusprechen."
Wo zuerst auf Wi-Fi 6 gesetzt wird
Diesen Aspekt betont auch Cisco-Sprecher Binder: "Mit der Catalyst-9100-Serie sowie Meraki MR45 und 55 vertreiben wir Access Points, die im IoT-Bereich eingesetzte Protokolle wie BLE, Zigbee und Thread von der Thread-Group-Allianz unterstützen." Hier befinde man sich mittlerweile "längst in der Rollout-Phase".
Im Consumer-Bereich wird erwartet, dass besonders ambitionierte Nutzer Hardware austauschen und auf Wi-Fi 6 umstellen - einfach, weil sie dadurch mehr Bandbreite bekommen. Für Michael Sadranowski, Vice President Channel Sales bei AVM, ist Wi-Fi 6 aber auch ein wichtiger Meilenstein und ein Kaufimpuls, weil es mit der Stromspartechnik Target Wake Time (TWT) deutlich längere Akkulaufzeiten ermöglicht und wegen der geringeren Latenz gut für Videokonferenzen oder Gaming ist. Attraktiv ist das aber natürlich nur da, wo auch die entsprechenden Internet-Anschlüsse zur Verfügung stehen. Nutzer von Kabel, Glasfaser oder Supervectoring sind prädestiniert.
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"Wir gehen davon aus, dass es zunächst überwiegend neue Projekte sein werden, die Wi-Fi 6 nutzen. Später wird in Bestands-szenarien ein Austausch der AP-Generation stattfinden", prognostiziert Zyxel-Mitarbeiter Hirscher aufgrund der Erfahrungen mit dem Umstieg der Kunden auf 802.11ac.
Wi-Fi 6 im Geschäftskundenumfeld
Im Geschäftskundenumfeld erwartet Michael Müller von Lancom ebenfalls keine große Migrationswelle bei bestehenden WLANs. Ganz anders verhalte es sich mit dem Interesse bei neuen Netzen: "Hier wird sicherlich vielerorts gleich auf Wi-Fi 6 gesetzt, allein schon aufgrund der Zukunftssicherheit."
Diese Einschätzung teilt Josef Meier, Director Sales Engineering bei Fortinet. Sein Unternehmen begann Mitte 2019 mit der Vermarktung von Wi-Fi-6-Produkten. Zwar stecke man immer noch in einer frühen Phase, sehe aber besonders bei Projekten, wo die Verantwortlichen "nur einen Schuss frei haben", erhöhtes Interesse an Wi-Fi 6, um sich Zukunftssicherheit zu sichern.
Falko Binder von Cisco Systems sieht etwas mehr Schwung im Markt: "Manche Firmen stellen für Einzelbereiche oder -projekte so schnell wie möglich auf den neuen Wi-Fi-6-Standard um. Andere werden einen vollumfänglichen Wechsel zu einem späteren Zeitpunkt bevorzugen." Ähnlich sieht das Axel Simon von HPE Aruba. Auch er rechnet damit, dass sowohl neue Projekte als auch Aufrüstungen betrieben werden.
Olaf Hagemann, Director of Systems Engineering DACH bei Extreme Networks, geht sogar von einer "insgesamt zügigen Migration aus, da sich die Unternehmen damit zukunftsfähig aufstellen, selbst dann, wenn ihre Clients - Stand heute - noch nicht Wi-Fi-6-fit sind".
Nicht jeder braucht sofort Wi-Fi 6
"Gibt es nur wenige WLAN-Nutzer, die noch dazu keine hohe Bandbreite benötigen, eignet sich Wi-Fi 5 ideal. Das gilt beispiels-weise für die Logistik und den Handel, aber auch für das Gesundheitswesen und die klassische Bürovernetzung", schränkt Lancom-Manager Müller die Erwartungen etwas ein.
Andere Hersteller teilen diese Auffassung, manche geben aber zusätzlich zu bedenken, dass durch die zunehmende Verbreitung von Wi-Fi-6-fähigen Netzgeräten vermutlich auch deren Kosten sinken werden - und bei einem geringen Unterschied von Modellen mit altem und neuem Standard wahrscheinlich die mit dem neuen bevorzugt würden. Grundsätzlich erwarten sich aber alle von ChannelPartner befragten Anbieter für 2020 durch Wi-Fi 6 einen deutlichen Schub für ihr Geschäft.
Der dürfte sich nicht nur auf die WLAN-Produkte beschränken, wie Lancom-Manager Müller anmerkt. "Der WLAN-Generationswechsel wird erstmals auch Auswirkungen auf die verkabelte Infrastruktur haben. Insbesondere bei (Ultra-)High-Density beziehungsweise oder bei IoT-Anwendungen führt Wi-Fi 6 zu einer deutlichen Leistungssteigerung. Bedenkt man zudem, dass theoretisch ein einzelner Access Point nahezu 10 Gbit/s Daten zeitgleich übertragen kann, wird deutlich, dass Wi-Fi 6 auch die Entwicklung im Bereich der LAN-Infrastruktur zu leistungsstarken Multi-Gigabit-Ethernet-Netzwerken forcieren wird."
Heißt: Damit das LAN für das WLAN nicht zum Flaschenhals wird, müssen Switches, die 1 Gbit/s pro Port bieten, durch Modelle mit 2,5- beziehungsweise 5-Gbit-Ports ersetzt werden. Hier bieten sich also auch gute Möglichkeiten, nach vielen Jahren wieder einmal eine Aufrüstung der LAN-Infrastruktur in Angriff zu nehmen.