Seit Ende August ist es offiziell: Um einer Entscheidung der EU-Wettbewerbshüter in einem seit Juli laufenden Verfahren zuvorzukommen entkoppelt Microsoft wie schon länger erwartet seine Software-Pakete und seinen Kommunikationsdienst Microsoft Teams. Die Wettbewerbshüter in Brüsseler hatten den Verdacht, dass Teams gegenüber anderen Diensten bevorteilt werden könnte. Gestreut hatte den Verdacht durch eine Beschwerde im Sommer 2020 der inzwischen zu Salesforce gehörende Dienst Slack. Er fühlte sich durch die Einbindung von Teams in Office 365 und Microsoft 365 benachteiligt.
Ab Oktober wird Microsoft Geschäftskunden in der EU und der Schweiz, die Teams nicht nutzen wollen, Microsoft 365 und Office 365 für zwei Euro weniger im Monat berechnen. Bestandskunden können entscheiden, ob sie in ihren bisherigen Verträgen bleiben oder in die Version ohne Teams wechseln. Außerdem soll das Zusammenspiel von Microsoft-Software mit Teams-Konkurrenten verbessert werden.
Microsoft Teams bekommt einen Preis
Neukunden, die nur Teams erwerben wollen, berechnet Microsoft künftig 5 Euro pro Monat (respektive 60 Euro pro Jahr). Auch wenn dieses Szenario nicht besonders häufig sein dürfte, könnte sich damit der Preis von 5 Euro für einen Kommunikationsdienst als Richtwert durchsetzen. Gleichzeitig sorgt die Differenz zum Nachlass für Microsoft-Kunden, die nur auf Teams verzichten wollen dafür, dass der Microsoft-Vertrieb immer noch das Argument eines günstigeren Preises für sich hat: Statt dem Listenpreis von 5 Euro müssen Nutzer der anderen Microsoft-Produkte nur 2 Euro bezahlen.
Wie wirkt sich das auf das Wettbewerbsumfeld aus? Viele Anbieter sind ja sowohl Mitbewerber als auch Technologiepartner von Microsoft. Auf Anfrage von ChannelPartner gaben sich deshalb insbesondere die US-Anbieter schweigsam: Sie wollten sich zu der Entwicklung nicht äußern. Eine ganz klare Meinung hat dagegen Andrea Wörrlein, Geschäftsführerin von VNC in Berlin und Verwaltungsrätin der VNC AG in Zug: "Wir erwarten keine Auswirkungen auf unser Geschäft und das unserer Partner", "Wer Microsoft möchte, kauft Microsoft - ob im Bundle oder einzeln."
Kunden dürfen und müssen wählen
Mahmud Awad, Country Manager Deutschland und Österreich bei Wildix, sieht etwas mehr Potenzial für die Mitbewerber: "Für den Endkunden bedeutet dieser Schritt auch eine Wahlmöglichkeit: Ist Teams wirklich die passende UC- und Telefonielösung oder bietet ein anderer Anbieter mit seinem spezifischen Funktionsumfang mehr Vorteile?"
Marktteilnehmer wie Wildix könnten so ihre eigenen Mehrwerte - etwa flexible Anpassbarkeit oder integrierte Sicherheit - in die Waagschale werfen, "so dass jeder Endanwender für sich entscheiden kann, was die perfekte Lösung für seine speziellen Bedürfnisse ist", erklärt Awad.
Bart Scheffer, EMEA Marketing Director Cloud & Collaboration bei Westcon, nimmt die Perspektive der Kunden ein: "Dass Microsoft Teams künftig als eigene Lösung verfügbar sein wird, bedeutet für Kunden in erster Linie ein willkommenes Plus an Agilität. Gerade Kunden, die Microsoft Teams als vorrangiges Collaboration-Tool einführen wollen, profitieren auf diese Weise von mehr Flexibilität und Wahlfreiheit. Für Kunden, die ohnehin schon die gesamte Microsoft-365-Suite im Einsatz haben, dürfte sich durch die Neuerungen nicht viel ändern."
Grundsätzlich glaubt Scheffer, dass Kunden und Marktbegeleiter auch künftig nicht um Teams herumkommen werden. "Anbieter unterstützen heute die eine oder andere Form von Integration. Selbst Cisco bietet inzwischen Microsoft Teams-zertifizierte Lösungen an - ein guter Beleg für den hohen Stellenwert, den die Lösung im Markt hat."
Starface und Nfon sehen Potenzial für Partner
"Wie genau sich die Auskoppelung von Microsoft Teams aus dem Gesamtportfolio auswirken wird, bleibt abzuwarten", äußert sich Florian Buzin, CEO des deutschen Anbieters Starface, vorsichtig. Er sieht aber durchaus Chancen: "Im Zuge dieser Entwicklung werden auf jeden Fall die Karten im gesamten Collaboration-Bereich neu gemischt, denn die Abtrennung von MS-Teams bringt eine neue Transparenz in die Kosten der einzelnen - bisher im Bundle verfügbaren - UCC-Lösungen wie etwa Videomeetings. Dadurch kommt Bewegung in den Markt."
Auf diese Bewegung sieht sich Starface gut vorbereitet: "Wir haben als deutscher Hersteller ein sehr attraktives Angebot im Bereich Videomeeting und sehen in dem neu entstehenden Wettbewerb gute Chancen. Gerade im KMU-Bereich sind die Unternehmen derzeit äußerst preissensitiv." Die Starface-Lösungen müssten sich da im direkten Vergleich "überhaupt nicht verstecken", betont Buzin. "Wir bieten unseren Kunden Komplettlösungen - von der UCC-App über das Softphone bis hin zum SIP-Trunk Starface Connect - zu preislich sehr attraktiven Angeboten an."
Markus Krammer, seit Juli Chief Product Officer der Nfon AG, denkt ähnlich wie Buzin, ist aber möglicherweise noch etwas zuversichtlicher: "Bei einer finalen Entkopplung von Microsoft Teams ergeben sich fu¨r UC-Player neue Gescha¨ftsmo¨glichkeiten. Anbieter mit einem hohen Maß an Integrationsfa¨higkeit werden dabei ihre Vorteile sicher ausspielen und spezifische Kundenlo¨sungen zusammenstellen ko¨nnen."
Krammer nennt einen weiteren Punkt, der mittelfristig bedeutsam werden könnte: "Kunden wird damit bewusst, dass sichere und qualitative Businesskommunikation nicht zum Null-Tarif zu haben ist und somit findet eine noch bewusstere Entscheidung fu¨r eine Kommunikationslo¨sung statt." Dafür sieht er sein Unternehmen auch dank der Partner gut aufgestellt; "Mit unserer starken europa¨ischen Partnerlandschaft ko¨nnen wir Kunden eine individuelle End-to-End- Dienstleistung aus der Cloud anbieten. Wir erwarten, dass der EuGH die Interessen der europa¨ischen UCaaS-Player bei dieser tiefgreifenden Entscheidung unterstu¨tzt.
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