Social Media kann krank machen – und zwar den Daumen: Weil sich Kommunikationswege immer mehr auf mobile Geräte und Chat-Apps wie WhatsApp, Signal und Co. verlagern, ist in den letzten Jahren ein merkwürdiges Phänomen entstanden: Vielschreiber und Speed-Tipper klagen über Schmerzen im Daumen, die mitunter bis in den Ellbogen ausstrahlen. Die immer häufigere Diagnose: Der sogenannte „Handydaumen“.
Dabei handelt es sich um eine Verschleißerscheinung, die sich bis zur Sehnenscheidenentzündung im langen Daumenbeuger verschlimmern kann und auf einseitige Belastungsmuster zurückgeht. Im Extremfall kann es mit Verdickungen von Sehnen und Nerven sogar zu anatomischen Veränderungen der Hand kommen. Aus evolutionärer Sicht ist die menschliche Anatomie auf das Smartphone-Zeitalter nämlich ganz schlecht vorbereitet.
Steine und Mammuts statt Smartphones
Schuld sind eigentlich unsere Ur-Ur-Ahnen: Denen diente der Daumen vor allem als Greif-Unterstützung ihrer Finger, wenn sie auf Steine klopften oder Wollhaarmammuts mit Speeren traktierten. Hätte sich Homo Erectus damals schon auf Whatsapp über die Vor- und Nachteile von Impfungen ausgetauscht, hätten wir heute manche Probleme nicht – darunter wohl auch den Handydaumen.
Während das Greifen und Zupacken für uns also ganz natürlich funktioniert, sieht es mit dem einhändigen Touchscreen-Hämmern ganz anders aus: Die ständigen Abspreizbewegungen und das Überstrecken des Daumens in Richtung des kleinen Fingers führen dort zu einseitigen Überlastungserscheinungen, die dem ergonomischen Prinzip der menschlichen Hand schlicht widersprechen.
Je größer das Display, desto größer das Risiko
Für Nutzer großer Smartphones ist das Verletzungsrisiko beim Marathon-Tippen besonders hoch: Je mehr Display-Strecke der Daumen übergreifen muss, desto weiter wird er gedehnt und überstreckt. In Verbindung mit schnellen Schreibmustern stellt sich dann bald der Handydaumen oder die „Whatsappitis“ ein - und macht schon den Austausch kurzer Texte zur Pein. Wer dieses Warnzeichen ignoriert, kann sich chronische Verschleißerkrankungen einfangen, mit denen man dann lange zu kämpfen hat. Es gibt aber Maßnahmen zur Vorbeuge und zur Therapie.
Mit diesen Maßnahmen beugen auch Vieltipper dem Handydaumen vor
Wenn Sie auch ein leidenschaftlicher Vieltipper sind, dann können Sie ein paar einfache Regeln beachten, mit denen Sie dem Handydaumen effektiv vorbeugen können. Besonders auf größeren Displays sollten Sie sich angewöhnen, Texte mit beiden Daumen zu schreiben: So herrscht Arbeitsteilung, der strapazierte Daumen muss nur noch die Hälfte leisten. Auch das Überstrecken entfällt im nun halbierten Radius. Kurze Pausen beim Schreiben langer Texte zahlen sich ebenfalls aus. Besonders, wenn Sie diese mit ein paar einfachen Lockerungsübungen für Daumen, Arm und Handgelenk füllen. Sie können aufs Tippen auch öfter mal ganz verzichten: Schließlich gibt es Sprachnachrichten und den klassischen Telefonanruf.
Ob der Daumen erste Ermüdungserscheinungen entwickelt oder überstrapaziert ist, lässt sich übrigens leicht herausfinden: Legen Sie den Daumen in die Faust, drehen Sie den Handrücken nach oben und bewegen Sie die Hand nun vorsichtig nach außen, ohne den Arm zu bewegen. Spüren Sie jetzt bereits Schmerzen, ist Handeln angesagt.
Was Betroffene bei Beschwerden tun können
Sobald Sie erste Schmerzen im Bereich des Daumengelenks feststellen, gilt es zu handeln. Kommt es nämlich erst zu ernsten Verschleißerscheinungen, können Erkrankte oft nicht nur das Smartphone kaum noch nutzen: Selbst das Zuknüpfen einer Hose oder das Zähneputzen wird dann mitunter zur tränentreibenden Herausforderung.
Als allererstes ist jetzt Schonung angesagt, die überlasteten Sehnen müssen sich erholen, bevor sich Schmerzen noch weiter ausbreiten oder chronisch werden. Vermeiden Sie es, am Smartphone lange Texte zu tippen, Sprachnachrichten oder Anrufe sind jetzt das Mittel der Wahl – bei längeren Mitteilungen geht das ja ohnehin viel schneller. Die eingesparte Zeit können Sie dann sinnvoll nutzen: Massagen im Daumenbereich und vorsichtige Dehnübungen unterstützen den ramponierten Pollex bei der Heilung, Sehnen und Gelenke werden so sanft gelockert.
Bei schlimmen Schmerzen, oder wenn die Massage-Therapie nichts nützt, dann haben Sie sich womöglich bereits eine Sehnenscheidenentzündung eingefangen und sollten einen Arzt, bzw. einen Physiotherapeuten aufsuchen. Dort kann Ihnen mit entsprechenden Übungen, stützendem Tape oder mit speziellen Daumen-Workouts geholfen werden. Die gute Nachricht: Chirurgische Eingriffe sind meist nicht nötig – wohl auch, weil die meisten Handydaumen-Patienten gerade einmal 15-25 Jahre alt sind. Oft geben Mediziner auch ganz einfachen einen Rat, der vielen aber bitter schmecken dürfte: Pausieren Sie das Tippen am Smartphone für mindestens eine Woche.
Fazit
So albern es vielleicht klingt: Der Handydaumen ist ein weit verbreitetes und mitunter äußerst schmerzhaftes Phänomen, das Betroffene nicht nur vom emsigen Chatten abhält. Auch viele alltägliche Aufgaben kann man mit einem lädierten Daumen nicht mehr schmerzfrei ausführen. Das Syndrom reiht sich damit in eine lange Liste von Smartphone-Beschwerden ein, die auch Kopf, Nacken, Schulter und die Augen betreffen können. Dem Handydaumen lässt sich aber sehr gut vorbeugen: Vielschreiber sollten Pausen und Dehnübungen einbauen oder statt zu schreiben, einfach mal Sprachnachrichten schicken. Wer am eignen Daumen erste Beeinträchtigungen feststellt, sollte rasch handeln und aufs Tippen am besten zunächst verzichten. Kommt es nämlich erst einmal zur Sehnenscheidenentzündung, müssen Sie einen Arzt kontaktieren – aber bitte telefonisch. (PC-Welt)