Digitalisierung

Von der digitalen Vision zur Umsetzung



Gregor Stöckler ist geschäftsführender Gesellschafter von DataVard. Davor war er 15 Jahre lang in Führungs- und Linienfunktionen bei der SAP beschäftigt. Er ist Mitglied der Schmalenbachgesellschaft und Referent auf Fach- und Führungstagungen zu Business Intelligence und Datenmanagement.
Bei dem Thema Digitalisierung geht es jetzt darum, welche Use Cases sich für das eigene Unternehmen lohnen und wie deren Umsetzung aussieht. Häufig fehlen im Führungskreis jedoch die Kompetenzen und Fähigkeiten, um zu erkennen, ob Innovationen in der Realität bestehen und wie sie das Unternehmen wirklich vorwärtsbringen.

Welche Herausforderungen die Digitalisierung an die IT-Organisation von Unternehmen stellt und wie diese damit umgehen untersuchten A.T. Kearney und das Fraunhofer FIT (Institut für Angewandte Informationstechnik) in der Studie "Designing IT Setups in the Digital Age". Dafür befragten sie branchenübergreifend 140 Topmanager von Unternehmen aus der ganzen Welt mit Schwerpunkt auf dem deutschsprachigen Raum. Die Ergebnisse bestätigen unsere Erfahrungen aus vielen Gesprächen und Kundentrainings.

Am Anfang steht eine Vision. Die praktische Umsetzung der Digitalisierung folgt danach.
Am Anfang steht eine Vision. Die praktische Umsetzung der Digitalisierung folgt danach.
Foto: Sunny studio - shutterstock.com

Digitalisierung ist ein Management-Thema

So sehen die befragten Manager ausgegründete Denkschmieden, die auf der grünen Wiese ohne den Konzernballast neue Ideen produzieren, nicht als Lösung. Stattdessen liege der Schlüssel zum Erfolg für drei von vier Befragten in der Zusammenführung von Business-und IT-Verantwortung. Ich sehe Digitalisierung sogar in erster Linie als Managementthema, denn viele für die anstehenden Veränderungen notwendigen Kompetenzen liegen im Managementbereich.

Beispielsweise Veränderungsbereitschaft, die Bereitschaft, Dinge auszuprobieren und auch zu scheitern, und die Bereitschaft, bisherige Geschäftsmodelle zu verändern und zu skalieren. Hier sind innovatives Denken und die dazu passenden Methoden gefragt. Führungskräfte müssen verstehen, wieviel Digitalisierung im eigenen Unternehmen Sinn macht und wo diese sogar ein echter Game Changer sein kann. Diese Fragen können nicht delegiert werden, denn die Veränderungen sind zu weitreichend und das Risiko ist groß.

Lesetipp: Scheitern erlaubt!

Realitätsnah statt auf der grünen Wiese

Digitale Champions wie Netflix oder Amazon sind mit anderen Voraussetzungen gestartet als etablierte Unternehmen, die ihre bisherigen Geschäftsmodelle anpassen müssen. Sie konnten das Geschäftsmodell auf der grünen Wiese entwickeln, die Prozesse komplett neu aufsetzen und sich entsprechend qualifizierte und veränderungswillige Mitarbeiter suchen.

Aber etablierte Unternehmen haben diese Freiheit nicht, sie müssen mit den gegebenen Voraussetzungen arbeiten. Das mag nach Ballast klingen, aber Jeder sollte sich bewusst machen, dass diese Voraussetzungen auch im Zeitalter der Digitalisierung Stärken sein können. Beispiele dafür sind Kunden- und Marktzugang, Lieferstrukturen oder Logistikketten. Vieles, was bisher gut funktioniert hat, kann im Zuge der Digitalisierung zum Beschleuniger werden.

IT als Business Enabler

98 Prozent der Befragten glauben, dass der digitale Wandel Unternehmen über alle Abteilungsgrenzen hinweg fordert und ohne C-Level-Unterstützung nicht denkbar ist. Von der IT wird eine neue Rolle abverlangt, sie sei nun "Enabler für neue Business-Modelle". 77 Prozent meinen, die systematische Erforschung von möglichen Chancen aus neuen Technologien, sei ein "vitaler Beitrag" der IT-Abteilungen.
68 Prozent erwarten, dass die Ideen für digitale Geschäftsmodelle aus den IT-Organisationen kommen. Das Verständnis für die technologischen Möglichkeiten ist grundlegend für die digitale Transformation eines Unternehmens.

Allerdings sind zusätzlich Kompetenzen aus der Fachabteilung und dem Management gefragt. Ich sehe daher die wichtigsten Aufgaben auf dem Weg zu einer erfolgreichen Digitalisierungsstrategie darin, zum einen das Know-how der Führungsebene auf einen gleichen Stand zu bringen, zum anderen, die technologische Basis zu schaffen und innovative und kosteneffiziente Lösungen für die Digitalisierung bereitzustellen.

Managementkompetenz und Technologie-Know-how verknüpfen

Dieses aus meiner Sicht notwendige Know-how umfasst nicht nur technologische Themen sondern auch Methodenkompetenz sowie grundlegende Management-Kompetenzen. Interessanterweise sehen die Studienteilnehmer den dringendsten Nachholbedarf im Bereich Menschen und Kultur. 61 Prozent der Befragten möchten lernen

  • Wandel und Innovation als Dauerzustand zu akzeptieren,

  • ertragen zu können, wenn Projekte scheitern und

  • Kunden in Innovations- und Entwicklungsprozesse einzubinden.

Ich sehe fünf Kompetenzfelder, die entscheidend für erfolgreiche digitale Innovationsprojekte sind.

  1. Das erste ist ein grundsätzliches Verständnis der neuen technologischen Möglichkeiten, zum Beispiel Big Data, Machine Learning, IoT. Erst mit diesem Verständnis kann der kreative Denkprozess beginnen.

  2. Das zweite Kompetenzfeld ist die Kenntnis der richtigen Methoden, um diese Technologien in ihrer Schnelllebigkeit nutzbar zu machen, beispielsweise Design Thinking, Value Proposition Canvas oder Agile, um nur einige zu nennen.

  3. Das dritte Kompetenzfeld ist Change Management. Dazu gehört auch, die Sorgen und Widerstände der Mitarbeiter ernst zu nehmen und Gespräche zu führen.

  4. Eine weitere entscheidende Fähigkeit ist, die eigenen Potenziale zu erkennen. Was bedeutet das für mein Unternehmen, welche Möglichkeiten habe ich? Das ist ein sehr schwieriger Punkt, an dem die Initiativen oft scheitern.

  5. Als fünftes Kompetenzfeld sehe ich, die ethischen und rechtlichen Aspekte zu betrachten und einen digitalen Wertekompass zu entwickeln. Wie weit gehen wir? Nutzen wir alle Spielräume oder setzen wir Grenzen, beispielsweise wenn es um das Sammeln von Daten geht?

Es hapert an der Umsetzung

Die Studie von A.T. Kearney und Fraunhofer FIT zeigt: Viele Firmen haben eine digitale Agenda, setzen sie jedoch nicht um, obwohl sie wissen, dass Ihre IT Landschaft nicht den Anforderungen der digitalen Wirtschaft genügen. 40 Prozent der Unternehmen werten die Analysten als "digitale Anfänger" und 27 Prozent sogar als "digitale Verweigerer".

Alarmierend: 87 Prozent legten keinen Wert darauf, aggressive Newcomer professionell zu beobachten. 77 Prozent kämpfen mit der gewachsenen Legacy-IT, 66 Prozent sehen komplexe und heterogene Strukturen als Hindernis. 79 Prozent sind der Meinung, die digitale Transformation gleiche einer Fokussierung auf ein bewegliches Ziel.

Meine Erfahrung zeigt, dass ein Vorwärtskommen meist an drei Faktoren scheitert. Zum einen an den verantwortlichen Personen, denen zu wenig Zeit und Ressourcen zur Verfügung stehen. Dazu fehlen oftmals das Empowerment und die nötigen Skills, um voranzukommen. Dabei meine ich nicht nur technologisches Know-how, sondern auch Methodenkompetenz und Change Management.

Zum anderen wird die Veränderungsbereitschaft der Betroffenen oft überschätzt. Nicht alle sehen sich als Gewinner der Digitalisierung, damit muss man proaktiv umgehen. Der Faktor Mensch muss vor allem bei der Digitalisierung ernst genommen werden. Viele Ideen scheitern an der wahrgenommenen Eintrittshürde, bevor sie wirklich ausprobiert wurden. Fakt ist, der Effekt von digitalen Technologien, wie beispielsweise Big Data lässt sich nicht prognostizieren, sondern muss ausgetestet werden.

Lesetipp: Digital ist egal - Mensch bleibt Mensch

Eine weitere Hürde ist die Tatsache, dass die Zielsetzung zu wage formuliert und der wirtschaftliche Mehrwert der Anwendungsfälle unklar ist. Hier sehe ich vor allem Versäumnisse in der Chefetage, sich konstruktiv und fundiert mit dem Thema auseinanderzusetzen und klare Ansagen zu machen.

Daten und Digitalisierung als Wettbewerbsvorteil

Unternehmen sollten die Digitalisierung als Chance nutzen und ausloten, in welchen Bereichen sich neue Geschäftsmodelle auf Basis digitaler Technologien generieren lassen. Die Grundvoraussetzung, um Daten als Mehrwert zu nutzen, ist die umfassende Vernetzung, das automatisierte Sammeln und Auswerten von Erkenntnissen und die schnelle Umsetzung der daraus resultierenden Maßnahmen. Das ist nur mithilfe der Digitalisierung möglich.

Empfehlenswert ist es, zunächst den Ist-Zustand zu überprüfen. Das umfasst die aktuelle IT Landschaft, den Nutzungsgrad der wichtigsten Anwendungen und Daten. Unternehmen sollten sich dazu die folgenden Fragen stellen:

  • Wie kann die digitale Landschaft optimiert werden?

  • Auf welchem Stand sind die digitalen Skills im Unternehmen?

  • Welche Anwendungen sind fit für die Digitalisierung?

  • Welche Investitionen sind notwendig?

Es ist klar absehbar, dass die effektive Nutzung des digitalen Investments eines Unternehmens zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor im 21. Jahrhundert wird. Er wird mehr zum Erfolg einer Unternehmung beitragen als Branchenkenntnis und finanzielle Mittel zusammen.

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