Der einstige Canalys-Frontmann Steve Brazier ist seiner Firma immer noch verbunden. Auch nach dem Verkauf von Canalys an das Marktforschungs- und Analystenunternehmen Informa Tech steht er als "Informa Fellow" beim diesjährigen Canalys Forum auf der Bühne.
In den letzten Jahren gastierte die EMEA-Ausgabe der drei Canalys Foren in Barcelona. Dort findet allerdings gerade das Segelgroßereignis America's Cup statt, welches viele Hotel- und Veranstaltungskapazitäten bindet. Daher zog das Forum für dieses Jahr nach Berlin um.
Doch ob Barcelona oder Berlin, die Marktanalysen der Canalys-Analysten und des Informa Fellows und Co-Founder der Event-Plattform Canapii Brazier wurden vom Auditorium mit Spannung erwartet. So sieht Steve Brazier die Branche am Wendepunkt: "Der Hardware-Markt wächst nicht mehr", stellt er fest. Die Zeiten seien vorbei, dass man sich alleine auf Hardware verlassen kann, um Wachstum zu sichern. Die größten Chancen sieht er derzeit bei Cybersecurity. Er bezeichnet dies als "Geschenk" an den Channel, das es immer wieder gibt.
Ganz schreibt Brazier das Hardware-Geschäft allerdings nicht ab. Immerhin prognostiziert er keinen rückläufigen Markt. Das Replacement-Geschäft wird es weiterhin geben. Und wenn manche IT-Dienstleister sich von der Hardware verabschieden, können andere auch bei der Stagnation des Marktes Anteile hinzugewinnen.
Weltmuseum Nordeuropa
Der allgegenwärtige KI-Hype sieht Brazier als Heilbringer für den Channel zumindest in der derzeitigen Situation kritisch: "Vom KI-Boom profitieren derzeit hauptsächlich die Tech-Konzerne selbst, der Channel hat daran nur wenig Anteil", konstatiert er. Von den Milliardeninvestitionen der Hyperscaler fließt allein die Hälfte zu Nvidia. So treibt ihn die Frage um, ob das nun so weitergeht, oder ob der Channel endlich auch vom Boom partizipieren kann. Doch ein Patenrezept dafür hat auch Brazier nicht.
Trotzdem hält er es für unerlässlich, sich persönlich mit KI zu beschäftigen: "Wer heute keine KI nutzt, sollt langsam über seine Pensionierung nachdenken", ist sein Rat.
Gedanken macht sich Brazier auch über die alternde Gesellschaft in Europa die das Wachstum bremst. "Nordeuropa ist ja mittlerweile ein Weltmuseum", stellt er fest. Mit weiterer Immigration könnte es auch mehr Wachstum geben, doch das sei bei der allgemeinen politischen Lage schwierig.
US-Dienstleister derzeit im Vorteil
So gibt es derzeit auch große Unterschiede zwischen stagnierenden europäischen und wachsenden amerikanischen IT-Dienstleistern und deren Bewertungen an der Börse. Dies könnte den einen oder anderen amerikanischen Player auf die Idee bringen, nun in Europa auf Einkaufstour zu gehen. Man könne natürlich auch in Erwägung ziehen, sich in den USA an der Börse listen zu lassen, da IT-Dienstleister offensichtlich dort besser bewertet werden.
In seiner Keynote appelliert der Channel-Experte außerdem an die rund 1.000 Partner im Auditorium, nicht alles auf eine Karte zu setzen, beispielsweise bei der Wahl des Cloud-Providers. Er hält es für nicht unwahrscheinlich, dass einer der großen Anbieter auch einmal mit einem großen technischen Problem konfrontiert werden. Diejenigen, die auf eine Multi-Cloud-Umgebung setzten, haben dann einen entscheidenden Vorteil. Auch bei den Systemumgebungen sollte man neben Microsoft auch über Apple und Google als Alternativen nachdenken. Gerade die Crowdstrike-Panne habe gezeigt, wie anfällig IT-Systeme sein können. Doch auch hier sieht Brazier einen positiven Effekt für den Channel als Problemlöser: "Danke an Crowdstrike für diese tollen Möglichkeiten!", meint Brazier süffisant.
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