Zehn Sessions in drei Wochen - es war ein strammes Programm, welches der Systemhauskongress 2020 den Teilnehmern bot. Und sie nahmen das Angebot dankbar an, durch die zeitliche Entzerrung der Veranstaltung war es ihnen möglich, an mehr Workshops teilzunehmen, als es bei einem physischen Event mit bis zu vier parallelen Sessions gleichzeitig möglich gewesen wäre. Und so war die kumulierte Zahl der Teilnehmer mit über 500 so hoch wie an keinem anderem Systemhauskongress je zuvor.
Eröffnet wurde der Systemhauskongress 2020 wie in den vergangenen Jahren mit dem Pre-Event. Und weil alle Teilnehmer an ihren Rechnern saßen, konnten wir sie dieses Mal digital zur Abstimmung bitten. Wir fragten die Systemhausbetreiber nach den für Sie aktuell größten Herausforderungen.
Und dieses Mal stellte nicht - wie in den Jahren zuvor - der Fachkräftemangel für die Systemhausbetreiber die größte Herausforderung - sondern es waren die durch die Covid-19-Pandemie verursachten völlig neue Begebenheiten. Seit März 2020 galt es, möglichst rasch neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen, etwa in der Zusammenarbeit mit den Kunden aber auch in der internen Kommunikation. Deswegen haben wir auch das "New Normal" zum Motto des diesjährigen Systemhauskongresses erkoren.
Die Corona-Krise sorgte auch dafür, dass plötzlich bei Kunden Digitalisierungsprojekte angestoßen wurden, die eigentlich noch in ferner Zukunft lagen - die Ausstattung vieler Anwender mit Homeoffice-Equipment war nur das sichtbarste Symptom dieses Digitalisierungsschubs. "Es musste erst ein Virus her, damit Kunden die Notwendigkeit der Digitalen Transformation wirklich bewusst wurde," betonte Stefan Mende von Busymouse in seiner Impulskeynote, "kein CIO, kein CEO und auch kein MSP hat das geschafft."
Nun gelte es aber, für gehärtete IT-Infrastrukturen bei Kunden zu sorgen, denn: "Mit dem Umzug in die Homeoffices wurden viele Provisorien geschaffen", so der Busymouse-Manager. Laut Maria Kornhoff von der iTeam-Systemhauskooperation sind die ihr bekannten Systemhäuser bereits fleißig dabei, neue Digitalisierungsprojekte anzustoßen und sie umzusetzen. "Hier gibt es aber noch viel ungenutztes Potential", ergänzte Friedrich Pollert von der Synaxon Akademie.
Im Anschluss an den Vortrag schloss sich eine rege Diskussion unter den Teilnehmern an. Michael Krämer, Inhaber des saarländischen Systemhauses Krämer IT merkte etwa an, dass man derzeit noch von US-amerikanischen Cloud-Anbietern abhängig sei, diese Abhängigkeit aber Schritt für Schritt verringern könne.
Die Frage, ob man als Systemhauschef ausgerechnet während der Krise seine Firma in Richtung "Managed Services" trimmen soll, beantwortete Wolfgang Ebermann von Insight Technologies mit einem griffigen Appell: "Transform while you perform!" Treffender hätte man es nicht ausdrücken können.
Covid-19 als Digitalisierungsbeschleuniger
Der Eröffnungskeynote der Systemhauskongress Sessions 2020 hielt dann am nächsten Tag Reiner Louis, Sprecher der Geschäftsführung bei Computacenter. Für ihn sei es demnach noch zu früh, sich auf das "New Normal" festzulegen: "Dazu ändert sich derzeit noch zu viel." Eine Erfahrung, die Louis gemacht hat, und die von anderen Systemhauschefs, etwa von Michael Krämer bestätigt wird, ist die auf etwa 80 Prozent des Vorjahresniveaus reduzierte Produktivität der Systemhäuser. Hauptursache dafür ist das veränderte Kommunikationsverhalten der Mitarbeiter aus dem Homeoffice heraus.
Hier braucht es nach Ansicht des Computacenter-Chefs völlig neue Konzepte für die interne und externe Kommunikation sowie für die Zusammenarbeit. Da traf es sich gut, dass es in einigen der späteren Sessions tatsächlich um Unified Communication & Collaboration (UCC) ging. So hat zum Beispiel Sebastian Knaack vom LogMeIn-Partner Vistafon, ausführlich erläutert, worauf es vor allem bei UCC-Projekten ankommt.
"Um das Thema 'Videokonferenzen' kommt man nicht herum", so Knaack. Und er schilderte, welches Sammelsurium an verschiedene Videokonferenz-Plattformen er zum Teil bei Neukunden vorfindet: "Manchmal ist es das reinste Chaos". Kunde setzen zu viele nicht miteinander kompatible Module ein, es fehle dort oft eine einheitliche Strategie.
"Die Lösung aus einer Hand vereinfacht das komplette Handling", argumentierte Knaack und plädierte im gleichen Atemzug für das Videokonferenz-System aus der Cloud. Nur auf diese Weise würde nämlich der Kunde die neueste Technologie erhalten. "Das will keiner bei sich im Hause betreiben", da war sich der Vistafon-Chef ganz sicher.
Wie die herkömmliche Telefonie mit UCC-Lösungen wie Microsoft Teams am besten verknüpft werden kann, das erklärten Martin Welz von RoutIT und Patrick Tecklenburg von dessen Partner HSE Computersysteme. Die kamen dabei auch auf die von Reiner Louis in der ersten Session gestellte Forderung nach effizienteren Kommunikationsmethoden. Und wenn ich als Anwender mit Microsoft Teams auch mit beliebigen Teilnehmern telefonieren kann, dann ist ein Teil dieser Forderung sicherlich schon erfüllt.
"Usability ist bei uns Kundenwunsch Nummer 1", meinte Welz. Das bestätigte auch Tecklenburg: "Nur wenn sich dem Kunden der Nutzen einer neuen App sofort erschließt, kauft er diese". Deswegen ist die Beratung das A und O beim Gespräch mit dem Kunden. Die Kombination aus einem Techniker und technisch versierten Vertriebler ist einfach unschlagbar. So lassen sich im Gespräch mit dem Kunden auch neue Projekte "entdecken", in Bereichen, an die man anfangs nie gedacht hätte. Cross- und Up-Selling 4.0 nennt man derartige Vorgehensweise.
Sicherheit an erster Stelle
Bei den vielen provisorisch eingerichteten Homeoffice-Arbeitsplätzen sind die Endpoints oft nicht ausreichend gegen die Attacken aus dem Cyberraum abgesichert. Hier sind laut Michael Schröder, Security Business Strategy Manager DACH bei Eset, die Systemhäuser gefragt.
Es kostet das Unternehmen weniger als fünf Euro pro User und Monat, um alle IT-Arbeitsplätze - auch die in den Homeoffice - sicher zu machen, meinte Schröder. So sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass der Arbeitsplatz-PC sich auch im heimischen Netzwerk via VPN die neuesten Antivirensignaturen holt - das ist in der Enterprise-Version der AV-Lösung inbegriffen.
Hier empfiehlt der Eset-Manager den Systemhäusern, Security nicht mit dem Totschlagargument "Angst" zu verkaufen: "Wenn Du dieses oder jenes nicht installierst, verlierst Du alle Daten!". Besser ist, dem Kunden aufzuzeigen, wie einfach die Security-Suites zu bedienen sind. Eine ehrliche Kosten-Nutzen-Rechnung überzeugt den Kunden viel eher, als jeder noch so gut gemeinte Ratschlag: "Schütze Dich vor diesen Gefahren".
Die Zwei-Faktor-Authentifizierung kann der Vertriebler seinem Kunden ganz einfach vorführen - am eigenen Notebook - das überzeugt ihn am schnellsten. Die etwa durch das Übermitteln eines Einmalcodes an das eigene Handy erhöhte Sicherheit ist offensichtlich.
Gleich mehrere Sessions gab es zu dem Thema Multi-Cloud. Denn dass kein Kunde mehr an der Cloud vorbei kommt, das dürfte nun allen Playern am Markt klar sein. In den von VMware, Ionos und OVHcloud unterstützte Sessions ging es vor allem darum, wie Systemintegratoren die auf die verschiedenen Cloud-Umgebungen verteilten IT-Landschaften am besten managen, zu neudeutsch "orchestrieren" können.
Cloud ist allgegenwärtig
Eine Umfrage unter den Teilnehmern in der VMware-Session ergab, das sich bereits mehr als die Hälfte von Ihnen mit der hybriden Cloud auseinandersetzt, und von denen, die das heute noch nicht tun, wollen über 90 Prozent es kurzfristig nachholen. Und es sind beileibe nicht nur die Konzerne, die heute schon die Vorteile der Multi-Cloud nutzen, der Mittelstand ist hier sehr gut vertreten, wie Philipp Pamminger von VMware und Mattis Richter von dessen Partner Noris Network betonten. Und zunehmend setzen auch Kunden aus dem öffentlichen Dienst auf "vermischte" Cloud-Umgebungen. "Weil sie so flexibel und agil bleiben", ergänzt Pamminger.
Aber wie schwer ist, neue Cloud-Services den Kunden schmackhaft zu machen? "Ganz leicht", meint Khaled Allab von OVHcloud: "PoC (Proof of Concept) ist das neue PPT (PowerPoint)". Es ist viel einfacher, dem Kunde live zu demonstrieren, wie schnell man ihm neue Dienste und Lösungen bereitstellen kann - viel einfacher, als man dies mit einer noch so gut gemachten PowerPoint-Präsentation machen könnte.
In der von Ionos bespielten Session wurden die Teilnehmer danach gefragt, was ihnen bei der Wahl ihres IaaS-Anbieters (Infrastructure as a Service) besonders wichtig ist. Für sie ist die Datensouveränität von großer Bedeutung, noch vor dem inländischen Standort, dem Preis-Leistungs-Verhältnis und der Skalierbarkeit.
Hier kann Ionos offenbar punkten, was der 1&1-Tochter zuletzt viele Kunden aus dem öffentlichen Dienst beschert hat - etwa die Ende März 2020 vom Hasso-Plattner-Institut ins Leben gesetzte Schul-Cloud. Mit im Boot sind hier auch Dataport, Capgemini und Bechtle; Ionos ist der IaaS-Lieferant.
Wir danken den Unternehmen Busymouse, Eset, Ionons Cloud, LogMeIn, OVH Cloud, RoutIT, VMware und Tech Data sowie den Kooperationspartnern iTeam Systemhauskooperation, Synaxon Akademie und Context für ihre Unterstützung. Wir danken auch allen Teilnehmern aus den Systemhäusern für ihre anregenenden Beiträge bei den Systemhauskongress Sessions 2020.