Zum Markteintritt in Deutschland vor knapp zehn Jahren hatte Veeam ein Produkt, das ein damals weit verbreitetes Problem gut lösen konnte: Das Backup in virtualisierten Umgebungen. Die waren damals gerade der letzte Schrei, VMware konnte sich vor Aufträgen kaum retten, die ersten Hardware-Hersteller hatten es aufgegeben, sich gegen den vermeintlichen Umsatzkiller im Server-Markt zu wehren. Erst Hewlett-Packard, dann auch die anderen sahen allmählich ein, dass es sich nicht lohnt, sich gegen den Fortschritt zu stemmen, sondern sie ihre Kunden besser bedienen, wenn sie auf der Welle mitreiten.
Heute profitiert Veeam unter etwas geänderten Vorzeichen von einer ähnlichen Situation. Einerseits zahlt es sich aus, dass das Unternehmen in der Vergangenheit sein Portfolio stetig erweitert hat. Statt nur Backup bietet man heute eine breite und immer nach dem Kundenbedarf weiterentwickelte Palette an Software, die alle dem Ziel dient, die Verfügbarkeit von Systemen, Anwendungen und Daten zu gewährleisten
"Wir sprechen heute eigentlich selber nicht mehr von Backup" erklärt Gerald Hofmann, Vice President Central EMEA, bei Veeam. Stattdessen schreibe man bei Veeam nun Verfügbarkeit groß. Damit meint der Hersteller Verfügbarkeit über diverse Plattformen und Technologien hinweg, also auch in der Cloud - und zwar in jeder Cloud. Traditionell ein enger Microsoft-Partner, hat sich Veeam mit dem Kauf des Spezialisten N2WS nun auch Know-how für AWS gekauft und baut damit sein Portfolio aus.
Die Rechnung geht bisher auf: 2017 konnte das Unternehmen in Deutschland gegenüber dem Vorjahr um 45 Prozent wachsen. Im eher neuen Großkundensegment legte es um 30 Prozent zu. Anfang 2018 hatte es fast 55.000 zahlende Kunden. Die wurden von rund 5600 Partnern betreut.
Hofmann will keine Prognosen abgeben, das internationale Management des Unternehmens ist da weniger zurückhaltend. Ratmir Timoshev, Präsident und Mitgründer von bei Veeam, peilte in einem Interview die Marke von einer Milliarde Dollar Umsatz für 2019 an. Peter McKay, Co-CEO bei Veeam, gab das Ziel anlässlich der Bekanntgabe der Zahlen für 2017 sogar schon für 2018 aus. 2017 erwirtschaftete Veeam weltweit einen Umsatz von 827 Millionen Dollar (rund 691 Millionen Euro).
Bei dem zuletzt vorgelegten Tempo ist das nun ausgegebene Ziel sogar realistisch. Damit stößt der einstige Spezialist dann in die Liga der weltweit 30 umsatzstärksten Software-Unternehmen vor.
Prominente Veeam-Fans: HPE, Dell EMC, NetApp und Cisco
Für das erhoffte Wachstum 2018 wurden bereits 2017 einige wichtige Weichen gestellt. Zu nennen sind vor allem die Technologiepartnerschaften mit wichtigen Storage-Anbietern. HPE schließt mit Veeam nicht nur die Lücke, die durch den Verkauf der eigenen Software Data Protector entstanden ist. Das Unternehmen hat die Veeam-Produkte sogar in seine Preisliste aufgenommen. Dadurch können sie nicht nur vom eigenen Vertrieb, sondern auch den HPE-Partnern als integraler Bestandteil strategisch in Projekten angeboten werden.
Damit eröffnet sich für Veeam auch der Zugang zu großen, treuen HPE-Kunden-einem Bereich, in dem der Newcomer sich alleine schwer tut. Einem ähnlichen Ziel diente im November 2017 die Unterstützung für IBM AIX und Oracle Solaris, die Veeam zunächst durch eine Lizenz von Cristie Software bieten kann. Eine Eigenentwicklung ist für 2018 angekündigt. Auch damit sollen dann die ganz großen Unternehmen abgeholt werden.
Nicht zu unterschätzen sind aber auch die im Jahr 2017 geschlossenen Partnerschaften, unter anderem mit Cisco, HPE und NetApp. Durch sie bekommt der Hersteller Zugang zur Partnerbasis dieser Firmen und hofft integraler Bestandteil in deren Projekten zu werden.
Zudem will Veeam durch die Integration in Storage-System wie die HPE-Produktfamilien Lefthand, 3Par oder Nimble, Produkte von NetApp, Dell EMC, Cisco und auch IBM sowie Lenovo auch Backups für Systeme bieten können, für die es die klassischen Backup-Fenster gar nicht mehr gibt oder bei denen sie schon längst nicht mehr ausreichen. Bereits geplant ist eine Storage-API. Über die sollen dann auch weitere Hersteller für ihre System mittels eines Plug-ins Veeam unterstützen können.
Engere Bindung mit Vertriebspartnern angestrebt
Mit rund 53.000 Pro-Partnern weltweit und über 5600 in Deutschland sieht sich das Unternehmen im Vertrieb schon gut aufgestellt. Mit der Anzahl der Partner ist Vertriebsleiter Michael Gerich durchaus zufrieden. Investieren will der Director Channels CEMEA 2018 aber, um bei den Partnern als Hersteller wichtiger zu werden.
Sie sollen nicht mehr nur zur Lösung bestimmter Probleme auf einzelne Produkte von Veeam zurückgreifen. Vielmehr will Veeam einer der strategischen Hersteller im Portfolio einer größeren Zahl seiner Partner werden. "Wenn es darum geht, Daten im Unternehmen wirklich verfügbar zu halten, sind wir einer der besten der Welt", so Gerich selbstbewusst auf einer Veranstaltung im Vorfeld des diesjährigen Partner-Summits im Februar vor Journalisten in München.
Da aber "Verfügbarkeit die Basis der digitalen Transformation ist", wie Zentraleuropa-Chef Hofmann dort erklärte, biete sich den Partnern die Gelegenheit, mit ihren Kunden ganz andere Gespräche zu führen. Es gehe dann nicht mehr um die Lizenz für eine Backup-Software. Es gehe vielmehr darum, gemeinsam die Basis für die überall laufenden Digitalisierungsbemühungen zu legen. Die Projekte in dem Zusammenhang seien an sich schon komplex genug. Da biete es sich an, die Prozesse im Hintergrund soweit wie möglich zu vereinfachen. Und Argumente, wie Veeam dazu beitragen kann, sollen die Partner dieses Jahr verstärkt an die Hand bekommen.
AWS rückt in den Fokus
Traditionell ist Veeam ein enger Partner von Microsoft. Das will das Unternehmen auch bleiben. Jüngster Beleg dafür ist Veeam Recovery to Microsoft Azure. Mit dem Angebot können Firmen, die sich keinen zweiten Rechenzentrumsstandort leisten wollen oder können, Microsoft Azure zu günstigen Konditionen als Desaster-Recovery-Standort nutzen.
Außerdem wird das Veeam-Angebot im Umfeld von Office 365 erweitert. Bislang war lediglich eine Veeam-Verfügbarkeitslösung für Exchange erhältlich. Die kam am Markt gut an. Daher wird nun mit Erweiterungen für SharePoint und OneDrive nachgelegt.
Daneben will Veeam aber auch de zunehmenden Bedeutung von AWS im Enterprise-Umfeld Rechnung tragen. Bereits im August 2017 hatten Veeam und VMware dazu die Unterstützung von VMware Cloud auf AWS angekündigt. Um schnell weitere Angebote vorweisen zu können, wurde im Januar 2018 der israelische Spezialanbieter N2SW übernommen. Der Kauf ist die erste größere Übernahme von Veeam. Beteiligt war Veeam an dem Unternehmen schon seit einem Jahr.
Ziele der Übernahme von N2WS durch Veeam
Auf Basis der damit erworbenen Technologie soll das Portfolio schon bald durch ein Veeam Availabilty für AWS genanntes Produkt erweitert werden. Zumindest in Deutschland gibt es für die Integration des N2WS-Angebotes im Bereich Datensicherung für Infrastructure as a Service (IaaS) keine personellen Hürden zu überwinden. Hierzulande war das Unternehmen noch nicht wirklich aktiv, die wenigen Kunden wurden aus dem Büro in Großbritannien betreut.
N2WS, das Firmen wie Cisco, Coca-Cola, Dyson und Oracle als Referenzkunden vorweisen kann, bringt in das Veeam-Portfolio eine cloud-native Backup-Lösung ein, die speziell für AWS-Workloads entwickelt wurde. Damit lassen sich Daten und Anwendungen so oft wie erforderlich sichern und laut Anbieter im Bedarfsfall "innerhalb von Sekunden" wieder herstellen. Damit soll der Bedarf erfüllt werden, der sich aus dem Amazon-Modell der gemeinsamen Verantwortungergibt. Demnach "übernimmt der Kunde Verantwortung für das Gastbetriebssystem und dessen Verwaltung", was vielen Kunden nicht immer bewusst sein dürfte.
Ziel von Veeam ist es letztlich, "Anbieter für intelligentes Datenmanagement zu sein", wie es Hofmann formuliert. Was darunter dann genau verstanden werden soll, können die Kunden durch ihre Anforderungen mitbestimmen. Eine grobe Richtung der künftigen Entwicklung sei jedoch schon durch die bisherige Unternehmensgeschichte vorgegeben.
Zukunftspläne
Nachdem Backup und Replizierung um die Aggregation von Daten und Monitoring ergänzt wurden, stößt Veeam mit dem Veeam Availability Orchestrator nun in den nächsten, übergeordneten Bereich vor. Damit lassen sich Daten lokalisieren, lässt sich planen, wo Daten hinwandern und können Anwender die Bewegung der Daten aber auch einschränken. Das wird vor allem mit dem Ende der Übergangsfrist für die DSGVO im Mai relevant.
Künftig könnten die Fähigkeiten von Veeam für das Datenmanagement mit Analytics-Funktionen angereichert werden. Für die würde das Unternehmen aber dann auf etablierte Hersteller in dem Bereich zurückgreifen, eine eigene Analytics-Komponente will es nicht entwickeln.
Daneben sieht Hofmann im Gespräch mit ChannelPartner auch Automatisierung als wichtigen Bereich, in dem sich Veeam noch weiterentwickeln kann. "Wir wollen es dem Kunden einfach machen, gleichzeitig muss die Software handhabbar bleiben", so Hofmann zur grundsätzlichen Produkt-Philosophie. Einen Appliance-basierenden Ansatz, wie ihn derzeit einige neue Mitbewerber erfolgreich verfolgen, schließt er aber aus.