Grundregel für den Vertriebsberater Jürgen Frey ist deshalb: "Holen Sie Ihre Kunden emotional ab." Denn ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht: Der Kunde ist zunächst verärgert und möchte gehört werden, so der Buchautor ("Mein Freund, der Kunde"). Neben dem sachlichen Problem ist nämlich zusätzlich die Beziehungsebene gestört.
Im ersten Moment kann es deshalb hilfreich sein, psychologisch gemeinsame Sache mit dem Kunden zu machen: Wir werden das Problem lösen. Dadurch bauen Mitarbeiter keine Front gegenüber Kunden oder Geschäftspartnern auf, sondern vermitteln, dass die Situation für beide Seiten unangenehm ist. Und dass sie bereit sind, das Missverständnis zu klären und eine sinnvolle Lösung zu finden. Gleich, ob der Gegenüber ein End- oder Geschäftskunde ist - Betriebe sollten an langfristigen Geschäftsbeziehungen interessiert sein. Denn es ist viel schwieriger, neue Kunden zu gewinnen als alte zu halten, die grundsätzlich von der Produktqualität und den Dienstleistungen überzeugt sind.
Auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Jede Reklamation, die erfolgreich abgewickelt wird, stärkt die Kundenbeziehung und ist indirekt Werbung für das eigene Unternehmen. Wenn es schon Ärger gibt, dann sollen Kunden zumindest weitererzählen, dass ein Kompromiss gefunden wurde. Deshalb sollte jede Beschwerde selbstverständlich ernst genommen werden. Auch weil das die eigenen Mitarbeiter wach hält gegenüber alltäglicher Nachlässigkeit in der Abwicklung von Projekten. Und jede Beschwerde ist eine kleine Unternehmensberatung: Was können wir tun, damit diese Situation nicht nochmals eintritt?
"Jeder Kunde, jede Situation ist unterschiedlich. Deshalb gibt es kein standardisiertes Verfahren, wie man mit schwierigen Kunden umgeht", weiß Frey. Es gibt Momente, da muss schnell reagieren werden. Ist der Kundenbetreuer nicht pünktlich beim Kunden oder sind PCs nicht geliefert, muss sofort eine Lösung gefunden werden. Wer jetzt über das wie und warum diskutiert, gießt nur zusätzliches Öl ins Feuer. Die schnelle Reaktion hat zwei Vorteile: Später kann beruhigter eine abschließende Lösung gefunden werden und die Ursache des Problems kann wahrscheinlich nur nach interner Rücksprache geklärt werden.
"Nichts ist so entwaffnend wie einen Fehler zuzugeben", sagt Wirtschaftsingenieur Frey. Oft laufen Schuldzuweisungen ins Leere, wenn der Kunde hört: "Da ist mir ein Fehler passiert. Das geht auf mein Konto." Ebenso kann ein Kundenberater viel Spannung aus dem Gespräch nehmen, wenn er fragt: "Was schlagen Sie vor?" Das muss nicht bedeuten, immer nachzugeben und dem Kunden mit Preisen entgegenzukommen. Um beim oben genannten Beispiel zu bleiben: Bei der Klärung des Missverständnisses kann sich herausstellen, dass etwa eine Mail mit der Terminänderung rechtzeitig versandt wurde, aber die neue Assistentin des Kunden sie intern nicht weitergeleitet hat. Kein Wunder, dass der Kundenbetreuer erst am Nach- statt am Vormittag kommt.
Schon kleine Zugeständnisse können erboste Kunden befriedigen, weiß Frey aus Erfahrung. Allerdings mahnt er die richtigen Prioritäten zu setzen: Der Kunde, der am lautesten schreit, muss nicht der Wichtigste sein. Und es gelte immer zu prüfen, ob es sich lohnt, um den in Frage stehenden Betrag zu streiten. In manchen Fällen könnte die Arbeitszeit vielleicht produktiver genutzt werden, als um kleine Geldbeträge zu zanken. Oder: Der Imageschaden ist größer als die zusätzlichen Kosten. Da gilt es kühl abzuwägen, als unbedingt recht zu behalten. Für eine vernünftige Lösung benötigen die verantwortlichen Mitarbeiter Fingerspitzengefühl: Jeder Kunde, jede Reklamation, jede Situation ist anders. Ein standardisiertes Verhalten gegenüber schwierigen Kunden gibt es nicht.
Zehn Tipps zum Umgang mit schwierigen Kunden:
1. Entschuldigung
Einen Kunden um Entschuldigung bitten ist immer gut. Aber sagen Sie: Ich bitte um Entschuldigung, nicht: Ich entschuldige mich!
2. Erklärung
Oft hilft es, verärgerten Kunden den größeren Rahmen aufzuzeigen: Warum haben wir uns für folgendes Vorgehen entschieden? Warum können wir ihm preislich nicht entgegenkommen? Welche Überlegungen stecken hinter der Entscheidung?
3. Fehler zugeben
Nichts ist so entwaffnend wie einen Fehler zuzugeben und auf sich persönlich zu nehmen.
4. Entschädigung
Die Erfahrung zeigt, selbst sehr erboste Kunden sind mit kleinen Zugeständnissen oft zufrieden.
5. Wiederholungen
In schwierigen Kundengesprächen fällt es Gesprächspartnern schwer zuzuhören. Es ist deshalb sinnvoll, den eigenen Standpunkt in unterschiedlichen Worten zu wiederholen.
6. Wir-Gefühl
Manchmal hilft es, sich auf die Seite des Kunden zu schlagen: Wir lösen das Problem.
7. Zeitfaktor
Manchmal ist es ganz gut, Zeit zu gewinnen und Dampf raus zu lassen.
8. Ball zurückspielen
Eine starke Frage ist immer: "Was schlagen Sie vor?"
9. Rücksprache
Wenn Sie mit Ihrem Latein am Ende sind und das Gespräch fest sitzt, bitten Sie Ihren Gesprächspartner um eine Unterbrechung. "Geben Sie mir die Chance, um darüber noch einmal nachdenken. Ist es in Ordnung, wenn ich Sie heute Mittag anrufe?"
10. Prioritäten
Sind die Kunden, die am lautesten schreien, auch die wichtigsten? Lohnt es sich, um diesen Betrag zu streiten? (bw)