Viele Menschen verbinden mit dem Begriff Cloud Computing in erster Linie Speicherdienste wie Dropbox oder große, skalierbare Infrastrukturen aus dem Datacenter. Cloud Computing kann aber auch mehr - das hat der Best-in-Cloud-Wettbewerb in der Vergangenheit schon vielfach bewiesen. Vom Cloud-Traktor bis zum hochflexiblen Datawarehouse konnten wir bereits sehr vielfältige Projekte sehen. In diesem Jahr beteiligen sich Siemens Healthcare GmbH, SYNGO und Microsoft Deutschland mit dem Azure-Projekt "teamplay" an Best in Cloud. Mit "teamplay" etabliert der Hersteller von bildgebenden Diagnosegeräten ein vollkommen neues Geschäftsmodell aus den Daten seiner Geräte und ermöglicht so die bessere Vernetzung von Experten.
Projekt-Steckbrief
Finalist: Siemens Healthcare GmbH, SYNGO gemeinsam mit Microsoft Deutschland GmbH
Referenzkunde: Siemens Healthcare GmbH
Kategorie: Software as a Service (SaaS), Public-Cloud-Projekt
Projekttitel: "teamplay"
Eingesetzte Produkte: Microsoft Azure
Zeitraum des Projekts: April 2014 bis ongoing
Projekt-Phase: Run
Größe des Projektteams: 60 Personen
Zusammenfassung: Siemens Health Care, SYNGO hat gemeinsam mit Microsoft Deutschland eine auf Azure-PaaS basierende Health-Cloud aufgebaut, die den Siemens-Kunden die Etablierung eines vollkommen neuen Geschäftsmodells aus den Diagnosedaten von bildgebenden Geräten ermöglicht. So lassen sich für Kliniken nicht nur die Auslastung der teuren Maschinen optimieren, sondern auch die Kollaboration von Radiologen und Spezialisten rund um den Globus verbessern. Daneben tragen die anonym erhobenen Daten auch zur Verbesserung der Behandlungsqualität bei, in dem Strahlendosen in der Diagnostik optimiert werden.
Das Einsatzszenario
Siemens Health Care ist einer der weltweit größten Hersteller für Medizintechnik. Durch den Einsatz dieser medizintechnischen Geräte rund um den Globus laufen gigantische Mengen an Diagnosedaten auf. Das sieht auch Arthur Kaindl, CEO der Business Unit SYNGO bei Siemens Healthcare: "Mit Siemens Healthcare-Produkten werden weltweit rund 200.000 Menschen pro Stunde diagnostiziert oder behandelt. Dabei generieren unsere Kunden eine Vielzahl an Daten, von denen sie derzeit nur einen Bruchteil nutzen können."
Gerade diese Daten sind es, um die sich immer wieder auch in Deutschland Diskussionen drehen, egal ob es um Patientenrechte oder Datenschutz geht. Vor dem Hintergrund dieser Veränderungsprozesse sollen Siemens-Kunden künftig auch bei der Nutzung der durch die weit verbreiteten Diagnose- und Behandlungswerkzeuge generierten Daten unterstützt werden - unter anderem durch die Cloud-Lösung "teamplay". Diese Lösung soll primär die Vernetzung von Kliniken und Healthcare-Experten vereinfachen und Wissenstransfer ermöglichen. "teamplay", so Kaindl weiter, "soll ihnen helfen, diese Daten zusammenzuführen, auszuwerten, mit anderen Experten auszutauschen - und bildet so die Grundlage für schnelle, gut informierte Entscheidungen." Und so funktioniert die teamplay-Azure-Cloud: Innerhalb der Kliniken ermöglicht es die Cloud-Plattform, die vielen Daten auszuwerten, die in der bildgebenden Diagnostik erzeugt werden - beispielsweise handelt es sich um Scanner-Auslastung, Untersuchungszeiten oder die benutzte Strahlendosis.
Dafür lässt sich eine DICOM-Anwendung (DICOM; zu Deutsch: Digitale Bildverarbeitung und -kommunikation in der Medizin) für das medizinische Gerät mit dem "teamplay"- Netzwerk verbinden. Diejenigen Daten, die für die Auswertung relevant sind, werden anonymisiert und verschlüsselt an die "teamplay"-Cloud übertragen und sind bei entsprechender Berechtigung jederzeit abrufbar. Die gewonnenen Werte werden dann mit den internen und externen Richtwerten abgeglichen. So können radiologische Einrichtungen nahezu in Echtzeit analysiert, überwacht und am Ende auch optimiert werden. Die Aggregation der gewonnenen Einblicke kann auf allen gängigen Endgeräten wie Tablets, Smartphones, PCs oder Laptops über das User Interface erfolgen. Hier kann es beispielsweise darum gehen, die Auslastung der Scanner selbst zu optimieren, indem man die Patientenzahl und die Dauer der Untersuchungen auswertet.
Am Beispiel des Lungenkrebs-Screenings, das in den USA seit kurzer Zeit eine empfohlene Vorsorgeuntersuchung ist, zeigt SYNGO, dass "teamplay" sehr gut die Auslastung der Computertomographen einer Klinik steuern kann. Und auch die Strahlendosis gehört zu den Einsatzfeldern von "teamplay": Wie bei den meisten Strahlenuntersuchungen ist es wichtig, so wenig Strahlung wie möglich, aber so viel wie nötig einzusetzen. Hier kann "teamplay" die angewendete Dosis beispielsweise aufgeschlüsselt nach Körperregionen kontrollieren. Hinzu kommt, dass Radiologen über die Plattform nicht nur zur Optimierung der Strahlendosis beitragen können, sondern auch gleich Bilder und Befunde anonymisiert in die Cloud laden können - so können Health-Experten und Diagnostiker rund um den Globus zu Diagnosen und Konsultationen beitragen und sich problemlos austauschen.
Die Cloud-Lösung
Nachdem die Idee zu "teamplay" in einem Bostoner Schneesturm geboren wurde, entschied sich SYNGO, die Idee in ein Projekt zu überführen. Dafür wurden im Technologie- und Innovationslabor der SYNGO Vorentwicklungen und Untersuchungen angestellt, bevor man sich schließlich für die Nutzung von Microsofts Azure-Plattform entschied. So sollten die wichtigen Anforderungen der SYNGO an Skalierbarkeit und kurze Rollouts adressiert werden. Innerhalb von 9 Monaten ab Projektstart wurde durch ein multi-disziplinäres, internes Expertenteam das erste Release von "teamplay" entwickelt. Die Netzwerkarchitektur besteht aus mehreren Standorten: Beim Kunden läuft der "teamplay"-Empfänger auf selbst-gesteuerter Hardware, während die Azure-Cloud als vollständig verwaltbare PaaS mit angeschlossenen Services (Speicherkonten wie BLOB-Speicher, Tabellenspeicher, Websites, SQL-Datenbank, Service Bus, Traffic Manager, Redis Cache, Visual Studio, Verschlüsselung) fungiert.
Die Benutzerverwaltung von "teamplay" wird über .NET Identity Framework basierend auf der SQL Datenbank abgewickelt, während jede Kommunikation mit der teamplay-Cloud per TLS und Serverauthentifizierung gesichert wird. Die größte Herausforderung im Projektverlauf war die Migration der Entwicklungs-, Test-, und Produktionsumgebung von der klassischen "on premise"-Umgebung in die Azure-Cloud. Das bedeutete zum Beispiel, dass die bestehenden InfoSec-Anforderungen, die üblicherweise in der internen IT eines Unternehmens wirken, nunmehr in die "fremde Umgebung" umgesetzt werden mussten. Hier war ein generelles, grundlegendes Umdenken bei den CIO-Abteilungen notwendig.
Der vielleicht wichtigste Punkt, den es rund um teamplay zu klären gilt, ist der bei Gesundheits- und Patientendaten besonders sensible Aspekt Datenschutz - vor allem dann, wenn die Daten in der Public Cloud liegen. Eine Vorkehrung, die Microsoft und Siemens/ SYNGO im Rahmen des teamplay-Rollouts getroffen haben, ist die Nutzung von Regionen. So werden die Daten, die von Kunden innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (EG) gesammelt werden, innerhalb der Microsoft Datacenter in Irland und den Niederlanden verarbeitet. Auf die europäische "teamplay"-Cloud-Plattform kann ausschließlich von Kunden mit Sitz in der EG/EWR zugegriffen werden. Service und Wartung für diese Dienste wird von Microsoft-Standorten innerhalb der EU angeboten. Zudem implementiert "teamplay" die grundlegenden Datenschutzprinzipien "Minimum necessary" (Notwendiges Minimum) und "Data reduction and avoidance" (Datenreduzierung und Datenvermeidung).
Der Business-Nutzen
Microsoft ermöglicht der Siemens-Tochter SYNGO die Etablierung eines völlig neuen Geschäftsmodells. Statt wie bisher "nur" Medizintechnik zu verkaufen, macht SYNGO mithilfe der Azure-PaaS die durch die weit verbreitete Siemens-Medizintechnik anfallenden Daten für Kunden und Patienten nutzbar. Während Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen beispielsweise die Auslastung der teueren bildgebenden Gerätschaften optimieren können, schafft die Cloud den Medizinern neue Möglichkeiten der Kollaboration - zum Wohl der Patienten. So lassen sich Strahlendosen optimieren oder Diagnosen vom "Schwarm" angebundener Mediziner verbessern.
Das Monetarisierungsmodell ist dabei einfach: Im Fokus des Marketings für "teamplay" steht die große installierte Basis der Siemens Health Care Bestandskunden. Ihnen soll der neue Cloud-Service im Freemium-Modell angeboten werden. Basisfunktionen sind dabei kostenlos, während Premium-Features wie die Anbindung von nicht-Siemens-Geräten einen Aufpreis kosten soll. Neben der Etablierung eines neuen Geschäftsmodells hat die Nutzung der "teamplay"-Cloud auch eine gesellschaftliche Perspektive: Durch die Optimierung der Strahlendosen bei radiologischen Untersuchungen verbessert sich die Qualität der Behandlung für unzählige Patienten und die Schwere von Nebenwirkungen kann reduziert werden.